Politik

Bundesregierung einigt sich auf weitere Corona-Hilfen - und fängt sich breite Kritik ein

Die Bundesregierung hat sich auf neue Hilfen für Familien und Unternehmen geeinigt - jetzt müssen diese nur noch zeitnah bei den Betroffenen ankommen. Von Wirtschaftsverbänden und der Opposition kommt bereits deutliche Kritik.
04.02.2021 10:01
Aktualisiert: 04.02.2021 10:01
Lesezeit: 4 min

Die große Koalition will die negativen Folgen der Corona-Pandemie für besonders Betroffene mit neuen Hilfen abfedern. Die Spitzen von CDU/CSU und SPD vereinbarten am Mittwoch bei ihrem ersten Koalitionsausschuss des Jahres eine milliardenschwere Unterstützung für Familien, Geringverdiener, Unternehmen, Gastronomie und Kultur.



KINDERBONUS: Familien erhalten wie schon im vergangenen Jahr einen Kinderbonus. Der Zuschlag auf das Kindergeld soll einmalig 150 Euro betragen. Er wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet, aber nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Im vergangenen Jahr betrug die einmalige Zahlung 300 Euro.

CORONA-ZUSCHUSS UND GRUNDSICHERUNG: Einen einmaligen Corona-Zuschuss von 150 Euro sollen nun auch erwachsene Grundsicherungsempfänger bekommen. Für plötzlich in Not geratenen Selbstständige und Beschäftigte mit kleinen Einkommen wird der erleichterte Zugang in die Grundsicherung bis Ende 2021 verlängert.

UNTERNEHMEN UND VERLUSTRÜCKTRAG: Die große Koalition greift Unternehmen mit coronabedingten Verlusten stärker unter die Arme. Durch einen erweiterten Verlustrücktrag können sie diese Einbußen künftig in der Steuererklärung umfangreicher als bisher mit Gewinnen aus den Vorjahren verrechnen. Vorgesehen ist, den Verlustrücktrag zu verdoppeln - auf maximal 10 Millionen Euro beziehungsweise 20 Millionen bei einer Zusammenveranlagung.

MEHRWERTSTEUER UND GASTRONOMIE: Besonders hart vom Lockdown betroffen ist die Gastronomie. Noch bis Ende Juni gilt für Speisen in Cafés und Restaurants ein verringerter Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent. Nur: Da die Gastronomie seit Wochen geschlossen ist, nützt ihr dies nichts. Daher soll nun der verminderte Satz bis Ende 2022 weiter gelten.

KULTUR: Das Rettungs- und Zukunftsprogramm "Neustart Kultur" wird verlängert. Dazu wird ein Anschlussprogramm mit einer Ausstattung von einer weiteren Milliarde Euro aufgelegt.

KOSTEN UND HAUSHALT: Nach SPD-Angaben können die neuen Hilfen ohne einen Nachtragshaushalt im bestehenden Finanzrahmen finanziert werden. Der Corona-Zuschuss für Empfänger von Grundsicherung und der Kinderbonus kosten den Staat demnach etwa 3 Milliarden Euro, das Programm für die Kulturbranche 1 Milliarde. Die geringere Mehrwertsteuer in der Gastronomie schlage mit rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr zu Buche. Die Kosten für den erweiterten Verlustrücktrag belaufen sich nach Angaben von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) auf weniger als eine Milliarde Euro. Das gehe aus den Schätzungen hervor, die ihm vorlägen, sagte er am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk.

Scharfe Kritik von Verbänden und der Opposition

Die von der großen Koalition beschlossenen neuen Corona-Hilfen stoßen bei der Opposition, in der Wirtschaft sowie bei Gewerkschaften und Sozialverbänden auf deutliche Kritik.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat den von der großen Koalition beschlossenen einmaligen Corona-Zuschuss von 150 Euro für Menschen in Grundsicherung als unzureichend kritisiert. „Es ist wirklich beschämend, wie die Bundesregierung die Not der Armen in dieser Krise monatelang ignoriert hat, die Menschen nun mit 150

Euro abspeist und im Regen stehen lässt“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider am Donnerstag. Für Beziehende von Hartz IV und Altersgrundsicherung sei die nach dem Koalitionsausschuss angekündigte Einmalzahlung nach einem Jahr Corona-Krise viel zu wenig. „Die Krisenbewältigung der großen Koalition bleibt ein armutspolitisches Trauerspiel.“ Stattdessen brauche es einen monatlichen Zuschuss für die Dauer der Krise für coronabedingte Mehrausgaben – etwa für Masken, sagte Schneider. Wie andere Verbände und Gewerkschaften forderte der Paritätische Wohlfahrtsverband neben einer Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und Altersgrundsicherung auf mindestens 600 Euro einen pauschalen Corona-Mehrbedarfszuschlag von 100 Euro monatlich. Zudem seien die angekündigten Gutscheine für zehn FFP2-Masken für Grundsicherungsempfänger bisher nicht angekommen, kritisierte Schneider.

Das Handwerk hält den Koalitionsbeschluss zu neuen Steuererleichterungen in der Corona-Krise für halbherzig. Angesichts der riesigen unverschuldeten Liquiditätsprobleme der Betriebe seien die Hilfen „in keiner Weise weitreichend genug“, sagte der Präsident des Branchenverbands ZDH, Hans Peter Wollseifer, am Donnerstag. „In der jetzt beschlossenen Form kann das allenfalls marginal dazu beitragen, die in dieser Krisenlage notwendige Liquidität für unsere Betriebe zu schaffen.“ Wollseifer kritisierte, dass lediglich der Höchstbetrag, nicht aber der Rücktragszeitraum geändert wurde. „Das geht an den Bedürfnissen des Mittelstands vorbei“, sagte er. „Die Koalition hat eine Chance vertan, Betrieben ganz einfach und zielgenau zu helfen, indem die Verlustverrechnung auf zwei bis drei Jahre ausgeweitet wird.“ Die öffentlichen Kassen hätte das nach seiner Rechnung kaum belastet, weil das Geld in den Folgejahren über Steuerzahlungen wieder an den Staat zurückgeflossen wäre. „Die Wirkung für die Betriebe jedoch wäre spürbar, weil bei ihnen so schnell Liquidität zufließen würde.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Hilfen als viel zu gering. "Das Ergebnis ist ein Tropfen auf den heißen Stein was die Herausforderungen und Nöte geringverdienender Arbeitnehmer und armer Familien angeht", sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

Unzufrieden ist auch die Wirtschaft. Zahlreiche Branchenverbände kritisierten die Pläne für den Verlustrücktrag als halbherzig. Grundsätzlich sei die Maßnahme gut, hieß es etwa beim Autoverband VDA. "Allerdings ist der beschlossene Umfang ernüchternd", sagte Verbandspräsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigte die neuen Hilfen. "Wir stärken damit viele mittelständische Unternehmen, auf deren Wettbewerbsfähigkeit wir angewiesen sind, damit die Wirtschaft nach der Krise schneller in Schwung kommt", erklärte er.

Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping warf Union und SPD vor, zu spät und dann auch noch halbherzig zu handeln. Sie forderte: "Solange die Pandemie andauert, braucht es einen monatlichen Corona-Zuschlag von 100 Euro auf alle Sozialleistungen und auf niedrige Renten." Auch FDP-Vizefraktionschef Christian Dürr zeigte sich enttäuscht: "Union und SPD haben zahlreiche Einzelmaßnahmen beschlossen, die langfristig weder Arbeitnehmern noch Betrieben aus der Krise helfen werden."

"Das Signal des Koalitionsausschusses ist ein kraftloses Weiter-So und damit ungenügend", erklärte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Der neue Kinderbonus und weitere Hilfen wie für Gastronomie und Kultur seien zwar ein kleiner Fortschritt. "Aber ein Aufbruch, der neue Hoffnung gibt, sieht anders aus. Bei Solo-Selbstständigen kommen versprochene Hilfen immer noch nicht an."

Dagegen bewertete CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt die Beschlüsse als ausgewogen: "Es sind die richtigen Entscheidungen getroffen worden in der Balance zwischen Unterstützung der Wirtschaft, Unterstützung der Familien, aber auch berücksichtigend, dass die Finanzen endlich sind." Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte im ARD-"Morgenmagazin", er habe bei der Spitzenrunde im Kanzleramt schon darauf gedrungen, dass es nicht zu teuer werde. Es sei ein guter Kompromiss gefunden worden, der auch finanzierbar sei.

CSU-Chef Markus Söder sagte der dpa in München: "Wir haben den Kinderbonus ausdrücklich unterstützt. Kinder dürfen nicht Verlierer der aktuellen Entwicklung werden." Zugleich sei es aber auch wichtig, die mittelständische Wirtschaft zu unterstützen. "Mit dem Verlustrücktrag erhöhen wir die Liquidität der Unternehmen."

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