Der Mediziner von der Universität Istanbul, Prof. Dr. Hüseyin Yılmaz, hat am Samstag mitgeteilt, dass bei Obduktionen an 36 Vögel im Großraum Istanbul bei acht Krähen und einer Echten Elster das West-Nil-Virus entdeckt wurde. Das West-Nil-Virus behülltes ist ein RNA-Virus des Typs ss-RNA aus der Familie Flaviviridae. „Von toten Vögeln sollte Abstand genommen werden“, zitiert der türkische Sender „NTV“ Yılmaz. Die Universität Istanbul beobachtet die Situation seit einem Jahr.
„Unsere Bürger sollten nicht glauben, dass das Virus direkt von Vögeln auf Menschen übertragen wird. Allerdings ist Vorsicht geboten. Wenn beispielsweise Kleinkinder tote Vögel mit ihren Händen berühren, um ihre Hände anschließend im Mundbereich zu betätigen, kann es zu Infektionen kommen. Das Virus wird über den Blutweg übertragen – beispielsweise über offene Stellen an den Händen oder am Körper. Doch die Hauptübertragung läuft über Mücken, die zuvor das Blut von infizierten Vögeln absorbiert haben, um anschließend auf menschliche Körper andocken“, zitiert die Zeitung „Sözcü“ den Mediziner.
Stechmücken hätten das Potenzial, andere Lebenswesen mit über 50 Virenarten zu infizieren. Dazu gehöre auch das West-Nil-Virus. „Hauptsächlich wird das Virus von Stechmücken zwischen wild lebenden Vögeln übertragen. An Vögeln infizierte Mücken können das Virus aber auch auf Säugetiere (v.a. Pferde) oder Menschen übertragen. Vektoren sind verschiedene Stechmücken, aber die auch deutschlandweit verbreiteten Culex-Mücken gelten als Hauptvektoren. Im Gegensatz zu Vögeln (Amplifikationswirte) sind Menschen und Pferde Fehlwirte, mit nur niedriggradiger Virämie, und somit selbst keine Virusquelle für Mücken. Häufig dienen Häufungen toter Vögel und erkrankte Pferde als Auslöser dafür, die Fallsuche auch auf Menschen auszudehnen“, teilt das Robert-Koch-Institut (RKI) mit.
Über den klinischen Verlauf der Krankheit berichtet das RKI: „Die Infektionen verlaufen überwiegend klinisch unauffällig. Etwa 20% der Infizierten entwickeln eine fieberhafte, grippeähnliche Erkrankung, die etwa 3–6 Tage andauert. Die Inkubationszeit beträgt 2–14 Tage. Der Krankheitsbeginn ist abrupt mit Fieber (teilweise biphasisch), Schüttelfrost, Kopf- und Rückenschmerzen, Abgeschlagenheit und Lymphknotenschwellungen. Bei etwa 50% dieser Erkrankten findet man ein blasses, makulopapulöses Exanthem, das sich vom Stamm zum Kopf und zu den Gliedmaßen ausbreitet. Nur etwa jede 100. infizierte Person – erkranken schwer an einer neuroinvasiven Form der Erkrankung. Bei einem Teil dieser Patienten tritt eine zumeist gutartige Meningitis auf. In seltenen Fällen entwickelt sich eine Enzephalitis. Mögliche Symptome sind dann mentale Veränderungen, Muskelschwäche, schlaffe Lähmungen, Ataxie, extrapyramidale Symptome, Optikusneuritis und Veränderungen der anderen Hirnnerven, Polyradikulitis, epileptische Anfälle. Selten wurden Entzündungen des Herzens oder der Leber beobachtet. Das West-Nil-Fieber heilt in der Regel komplikationslos aus, bei Enzephalitis-Patienten sind Spätfolgen jedoch relativ häufig (etwa 50%). Ca. 5–10% der Patienten mit einer neuroinvasiven West-Nil-Erkrankung sterben, vor allem Ältere und Patienten mit einer kardiovaskulären Vorerkrankung oder einer Immunsuppression.“
Zur Situation in Deutschland führt das RKI aus: „In Monitoring-Programmen untersuchen das Bernhard-Nocht-Institut und das Friedrich-Loeffler-Institut gemeinsam mit Veterinärbehörden schon seit längerem Wildvögel und Stechmücken auf WNV. In den Sommermonaten 2018, 2019 und 2020 – während der Mückensaison – wurden WNV-Funde (Subtyp 2) bei Vögeln und Pferden berichtet, überwiegend in Ostdeutschland. Eine Übersicht der Funde bei Tieren ist auf den West-Nil-Virus-Seiten des FLI zu finden. Offensichtlich zirkuliert das Virus zumindest regional zwischen Mücken und Vögeln. 2019 wurden erste in Deutschland durch Mücken übertragene Fälle von West-Nil-Fieber bekannt: Die betroffenen Personen waren im Spätsommer 2019 in Ostdeutschland erkrankt. Auch im Spätsommer 2020 wurden einzelne Fälle in Ostdeutschland berichtet (siehe Epid Bull 36/2020 und Epid Bull 37/2020). Da nur ein kleiner Teil der Infizierten Symptome zeigt und nur etwa einer von 100 Infizierten schwer erkrankt, ist davon auszugehen, dass es weitere nicht-diagnostizierte Infektionen gab.“