Auf dem EU-Gipfel sind massive Kritik an dem Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban und sogar Zweifel geäußert worden, ob das Land in der EU bleiben sollte. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Freitag in Brüssel von "ernsten Problemen" mit Ungarn in der EU. Grundlage der EU seien gemeinsame Werte. "Wenn die nicht vorhanden sind, dann muss man reden", sagte sie.
Zuvor hatte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte auch einen Austritt Ungarns aus der EU ins Spiel gebracht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einem "Kulturkampf" mit einigen Ländern wie Ungarn oder Polen, die Gesetze im Zusammenhang mit Homosexualität verabschiedet haben.
Die meisten der 27 EU-Staats- und Regierungschefs hatten Orban beim Abendessen am Donnerstag scharf angegriffen. Auslöser ist ein ungarisches Gesetz, das die angebliche Werbung für Homosexualität etwa in Schulbücher verbietet. Merkel kritisierte, dass dabei der Kampf gegen Pädophilie und die wichtige Aufklärung für Jugendliche einfach vermischt würden.
"Es gibt schon sehr tiefgreifende, sehr unterschiedliche Vorstellungen", sagte sie zu der Debatte mit Orban. Sie hatte zuvor einen Brief mit 15 weiten EU-Regierungschefs geschrieben, in dem die EU-Kommission auffordert wird, auf die Einhaltung grundlegender Werte in der EU zu pochen. "Gestern ist sehr, sehr deutlich geworden: Die EU ist nicht einfach ein Binnenmarkt, in dem auf Kohäsion und Strukturstärkung hingearbeitet wird", betonte Merkel weiter. Sie wollte sich aber nicht der Äußerung des niederländischen Ministerpräsidenten Rutte anschließen, der Ungarns Regierung sogar nahegelegt hatte, die EU zu verlassen.
Macron sprach vom Aufstieg eines "antiliberalen Konservatismus" in einigen EU-Mitgliedstaaten, die die EU-Werte unterminierten. "Der Kampf gegen Homophobie bedeutet, individuelle Freiheit und menschliche Würde zu verteidigen", fügte er hinzu. Er sei aber nicht dafür, dass Ungarn aus der EU ausgeschlossen werde. Rutte forderte Orban am Freitag erneut auf, das Gesetz zurückzunehmen. Wenn dieser das nicht wolle und sage, dass die europäischen Werte nicht die seinen seien, dann müsse er überlegen, ob Ungarn in der EU bleiben solle.
Orban regiert mit seiner Fidesz-Partei in Ungarn seit 2010. Er hat zunehmend konservativere Positionen eingenommen und präsentiert sich als Verteidiger katholischer Werte gegen einen liberalen Westen.