Finanzen

Türkei senkt überraschend Leitzins - Lira auf Rekordtief

Die türkische Lira markiert ein neues Allzeit-Tief zum Dollar, nachdem die Zentralbank für viele Beobachter vollkommen überraschend die Leitzinsen senkte.
23.09.2021 14:50
Aktualisiert: 23.09.2021 14:50
Lesezeit: 1 min
Türkei senkt überraschend Leitzins - Lira auf Rekordtief
Bilder von Geldscheinen zieren eine Wand in einer Wechselstube in Istanbul. (Foto: dpa) Foto: Lefteris Pitarakis

Die türkische Zentralbank hat die Finanzmärkte mit einer überraschenden Zinssenkung geschockt. Wie die Notenbank am Donnerstag in Ankara mitteilte, sinkt der Leitzins trotz einer extrem hohen Inflation um einen ganzen Prozentpunkt auf 18,0 Prozent. Experten und Anleger wurden komplett auf dem falschen Fuß erwischt. Kaum ein Analyst hatte überhaupt mit einer Senkung gerechnet, erste recht nicht in dieser Höhe. Die türkische Lira geriet nach der Entscheidung erheblich unter Druck und fiel zum US-Dollar auf ein Rekordtief.

Infolge der Zinssenkung liegt der Leitzins wieder deutlich unter der Inflationsrate von zuletzt 19,25 Prozent. Im Ergebnis ist der Realzins, also der Leitzins abzüglich der Inflation, negativ. Anlagen in türkischen Vermögenswerten werden damit für ausländische Investoren ungünstiger. Das lastet auf der Landeswährung, die ohnehin seit längerem unter Abwertungsdruck steht. Als ein Grund gilt der unklare Kurs der Zentralbank.

Ganz überraschend kommt der Zinsschritt allerdings nicht: Vor wenigen Wochen hatte Notenbankchef Sahap Kavcioglu angekündigt, mehr Gewicht auf die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittelpreise zu legen. Diese liegt unterhalb der Gesamtinflation. Analysten hatten den geldpolitischen Wechsel als Zugeständnis an Präsident Recep Tayyip Erdogan interpretiert, der hohe Zinsen als wirtschaftlich schädlich ablehnt.

Kavcioglu ist mittlerweile der vierte Notenbankchef seit 2019. Seine Vorgänger waren letztlich alle in Ungnade gefallen, weil sie den von Erdogan präferierten Kurs einer lockeren Geldpolitik nicht mitgetragen haben. Seit seiner Ernennung vor wenigen Monaten hatte Kavcioglu die Leitzinsen stabil gehalten. Dies hatte an den Märkten die Hoffnung geweckt, dass er zumindest nicht auf Zinssenkungen einschwenken würde.

Die Zentralbank erklärte, der jüngste Anstieg der Inflation sei nicht nachhaltig. Dies entspricht im Wesentlichen der Argumentation anderer Zentralbanken wie der US-Notenbank Fed oder der Europäischen Zentralbank (EZB). Allerdings ist die Inflation in der Türkei wesentlich höher als in den USA oder dem Euroraum. Dennoch kassierte die türkische Notenbank das Versprechen, die Leitzinsen über der Inflationsrate zu halten. Vielmehr hob sie die Bedeutung angebotsseitiger Schocks und die Entwicklung der Kerninflation hervor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationskrise USA: Warum 2026 zum gefährlichsten Jahr werden könnte
26.12.2025

Die Warnung eines führenden Ökonomen zeichnet ein düsteres Bild für die USA. Die Rückkehr einer hartnäckigen Inflationswelle könnte...