Unternehmen

Wie ein Wurstfabrikant eine neue Marke am milliardenschweren Markt für Fleischersatz setzt

Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle gehört zu den deutschen Traditionsmarken. Und jetzt erreicht das Unternehmen eine ganz besondere Etappe in der Firmengeschichte.
15.11.2021 17:04
Aktualisiert: 15.11.2021 17:04
Lesezeit: 2 min

Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle ist ein echter deutscher Fabrikant mit einer langen Tradition. Vor 187 Jahren gründete Carl Müller in der gleichnamigen Stadt im damaligen deutschen Pommern eine Metzgerei, deren Produkte später in der gesamten Branche Maßstäbe setzen sollten. 1946 musste die Eigentümerfamilie nach Flucht und Vertreibung nach Niedersachsen umziehen, wo sie bis heute ihren Standort betreibt. Und jetzt steht ein weiterer wichtiger Schritt in der Firmengeschichte bevor:

„In diesem Jahr wird der Umsatz mit vegetarischen und veganen Artikeln wahrscheinlich jene aus Fleisch überholen. Konkrete Zahlen möchten wir jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen“, sagt die Leiterin Unternehmenskommunikation & Nachhaltigkeit Claudia Hauschild den DWN – und weist daraufhin, dass bereits im Juli des vergangenen Jahres erstmalig ein solches Szenario eingetreten sei. „Aufs Gesamtjahr 2020 gesehen war der Umsatz mit unseren Fleischartikeln aber noch leicht höher“, so Hauschild.

Damit baut der Produzent, der 2020 einen Gesamterlös von 233,7 Millionen Euro erzielt hat, seine Marktführerschaft in Deutschland beim Verkauf von Fleischersatz aus. Schätzungen des Marktforschungsinstituts IRI zufolge kontrolliert das Unternehmen hierzulande 40 Prozent des Marktes, der einen Gesamtwert von rund einer Viertel Milliarde Euro aufweist.

Grundsätzlich gehört Deutschland zu den wichtigsten Ländern weltweit, die den Verkauf solcher Produkte vorantreiben. Zum Vergleich: Die Umsätze aller Hersteller dürften Ende 2021 auf der ganzen Welt bei vier Milliarden Euro gelegen haben, wenn man die Berechnungen zugrunde legt, die das internationale Analyse-Haus „Coherent Market Insights” (CMI) veröffentlicht hat. „Viele Konsumenten ändern ihre Lebensgewohnheiten und vermeiden es, Fleisch- und Milchprodukte zu essen“, analysieren die Fachleute von CMI die Ursachen für diesen Trend. „Sie haben dabei das Wohl der Tiere und der Umwelt im Blick“, sagen sie.

„44 Prozent der deutschen Verbraucher an pflanzlicher Ernährung interessiert“

Darüber hinaus nennen die Analysten in ihrer Studie mit Südzucker noch einen weiteren wichtigen Akteur an diesem wachsenden Markt, der aus Deutschland kommt. Der Hersteller landwirtschaftlicher Produkte, der im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres einen Gesamterlös von 3,6 Milliarden Euro erreicht hat, liegt allerdings in seiner Entwicklung gegenüber dem deutschen Mitbewerber noch sehr weit zurück. Denn das Unternehmen fokussiert sich nicht so stark auf diese Produkte und nennt gar keine Zahlen.

„Die Pandemie hat das Konsumverhalten vieler Verbraucher nachhaltig verändert. Die eigene Gesundheit ebenso wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind in ihrer Bedeutung weiter gestiegen und beeinflussen die Kaufentscheidungen. Dies trifft besonders auf Fleischalternativen zu“, so Dominik Risser, der Pressesprecher von Südzucker, gegenüber den DWN. „Wir sind daher zufrieden mit der bisherigen Entwicklung in diesem Segment, zu Umsatzgrößen wollen wir uns jedoch nicht äußern. Zudem blicken wir sehr zuversichtlich in die Zukunft, denn aktuelle Verbraucherzahlen zeigen, dass fast jeder zweite Verbraucher weltweit - 44 Prozent in Deutschland - an pflanzlicher Ernährung interessiert ist“, sagt Risser.

„Auch wenn die Herstellung und Vermarktung von Proteinen im Kontext der Südzucker-Gruppe noch eine nachrangige Rolle spielt, so sehen wir in diesem Bereich weitere Wachstumspotentiale. Bereits heute stellen wir Proteine aus pflanzlichen Quellen her und wollen diesen Bereich weiter ausbauen“, erklärt Risser.

Verkauf von klassischem Fleisch bleibt dominant

Trotzdem wird der Markt für Fleischersatz wohl weiterhin ein überschaubares Terrain bleiben, obwohl die Erlöse in diesem Segment steigen und der klassische Verkauf von Fleisch zurückgehen dürften: Die Fachleute von CMI gehen zwar davon aus, dass die weltweiten Umsätze der Hersteller beim Fleischersatz bis 2027 pro Jahr um 7,6 Prozent auf fast sechs Milliarden Euro wachsen. Doch ist dies im Vergleich mit den Umsätzen, die mit dem Verkauf von Fleisch erzielt werden, natürlich nicht viel. Derzeit liegen hier die Volumina im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich bis zu einer Billion Euro – abhängig von den Schätzungen.

Deswegen ist es für einen Hersteller grundsätzlich auch nicht günstig, künftig nur auf den Verkauf von Fleischersatz zu setzen. Kein Wunder, dass auch Claudia Hauschild, die Vertreterin des norddeutschen Unternehmens, betont:

„Die Rügenwalder Mühle ist stolz darauf, zwei gesunde Standbeine zu haben: eines für die klassischen Produkte aus Fleisch, das andere für die vegetarischen und veganen Fleischalternativen. Beide Bereiche sind für uns sehr wichtig. Egal, ob klassische Wurst oder Fleisch aus Pflanzen“, erklärt sie.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Porsche-Aktie: 1.900 Stellen fallen weg
04.12.2025

Porsche verschärft seinen Sparkurs und fordert deutliche Zugeständnisse der Beschäftigten. 1.900 Stellen sollen bis 2029 wegfallen,...

DWN
Technologie
Technologie Lockerung der Gentechnik-Regeln im Supermarkt: Was Verbraucher jetzt wissen müssen
04.12.2025

Neue EU-Vorgaben aus Brüssel: Gibt es im Supermarkt bald keinen Hinweis mehr auf genveränderte Lebensmittel? Was sich für Obst, Gemüse...

DWN
Politik
Politik Durch Angriffe beschädigte Pipeline lässt den Ölpreis steigen
04.12.2025

Ein beschädigter Pipeline-Anleger im Schwarzen Meer lässt den Ölpreis scharf anziehen. Die Märkte reagieren nervös, denn geopolitische...

DWN
Politik
Politik Beiträge für Private Krankenversicherung steigen kräftig ab 2026
04.12.2025

Die Mehrheit der Privatversicherten muss kommendes Jahr höhere Beiträge für ihre Krankenkasse bezahlen. Die Branche rechnet mit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schweizer Rohstoffhändler wankt: Gunvor-Chef steigt aus – die Lehren aus Gunvors Buy-out
04.12.2025

Gunvor galt lange als diskreter Globalplayer im Ölhandel – bis der Flirt mit dem russischer Öl- und Gaskonzern Lukoil sowie Vorwürfe...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuer auf Kontoguthaben? Marktforscher wollen höhere Ausgaben anreizen
03.12.2025

Die Stimmung der deutschen Verbraucher bleibt auch beim Weihnachtsgeschäft auf dem Tiefpunkt: Das Land der Sparer hält das Geld zusammen...

DWN
Politik
Politik Falsche Daten, statistische Mängel: Deutsche Klimaforscher ziehen Studie zum Klimawandel zurück
03.12.2025

Falsche Wirtschaftsdaten zu Usbekistan, statistische Mängel: Nach einiger Kritik ziehen Klimaforscher eine Studie des Potsdamer Instituts...

DWN
Politik
Politik EU einig über Importstopp für Gas aus Russland - Kremlsprecher: "EU schadet sich selbst"
03.12.2025

Die EU will bis spätestens Ende 2027 vollkommen unabhängig von russischem Erdgas sein. Das sieht eine Einigung zwischen Vertretern der...