Finanzen

EU-Kommission: Schulden-Regeln sollen weiter ausgesetzt bleiben

Lesezeit: 2 min
23.05.2022 16:52  Aktualisiert: 23.05.2022 16:52
Die Stabilitätsregeln in der EU sollen nach Meinung der Kommission auf unbestimmte Zeit ausgesetzt bleiben.
EU-Kommission: Schulden-Regeln sollen weiter ausgesetzt bleiben
Eine Euro-Münze. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Schuldenregeln der Europäischen Union sollen um ein weiteres Jahr ausgesetzt bleiben. Am Montag schlug die EU-Kommission vor, den sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt erst 2024 wieder vollständig in Kraft zu setzen. Grund seien hohe Unsicherheit wegen des Kriegs in der Ukraine, hohe Energiepreise und Engpässe bei den Lieferketten, teilte die Brüsseler Behörde mit. "Wir sind weit von der wirtschaftlichen Normalität entfernt", sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Die Schulden- und Defizitregeln waren während der Corona-Krise ausgesetzt worden und sollten eigentlich ab 2023 wieder gelten. Sie sehen vor, dass die jährlichen Haushaltsdefizite nicht mehr als 3 Prozent der Wirtschaftsleistung und die Schuldenlast insgesamt nicht mehr als 60 Prozent betragen soll. Fast alle Staaten - auch Deutschland - verstoßen inzwischen dagegen.

Der Vorschlag der EU-Kommission wird nun den EU-Ländern vorgelegt. Die Behörde will zudem nach dem Sommer konkrete Vorschläge für eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorlegen, die dann im Laufe des kommenden Jahres in Kraft treten könnte.

In ihren jährlichen wirtschaftspolitischen Empfehlungen rät die EU-Kommission den Ländern, in die Energiewende und die Digitalisierung zu investieren. Gleichzeitig sollten sie ihre weiteren Ausgaben kontrollieren, insbesondere Staaten mit hohen Schulden wie Italien. Ziel sei es, von der universellen Unterstützung während der Pandemie zu gezielteren Maßnahmen überzugehen.

Ausblick für Deutschland negativ

Deutschland überschreitet diese Werte mit einem Schuldenstand von 69 Prozent des BIPs im vergangenen Jahr und einem Defizit von 3,7 Prozent, wie aus einem länderspezifischen Bericht der Kommission vom Montag hervorgeht.

Die Kommission warnte zudem, dass die deutsche Wirtschaft besonders von dem Krieg in der Ukraine betroffen sei - etwa wegen der Abhängigkeit von russischem Gas und anderen Rohstoffen aus Russland und der Ukraine. "Die Verschärfung von Lieferketten-Engpässen und gestiegene Kosten und Preise bremsen das Wirtschaftswachstum", hieß es in dem Bericht. Deutschland müsse seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern.

Lesen Sie dazu: In der Eurozone herrscht offiziell Stagflation - Ökonom warnt vor weiterer Schwächung des Kapitalstocks

Moniert wurde wie in vorherigen Jahren auch der hohe Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands - also dass unter anderem mehr exportiert als importiert wird - und eine niedrige Investitionsrate. Dies schaffe ein Ungleichgewicht gegenüber anderen Ländern. Mehr private und öffentliche Mittel sind nach Angaben der Kommission für die Energiewende und die Digitalisierung notwendig. Unter anderem bürokratische Hürden hätten Investitionen zurückgehalten.

Lindner warnt

Bundesfinanzminister Christian Lindner warnt die EU-Staaten vor zu viel neuen Schulden, wenn die europäischen Obergrenzen auch 2023 ausgesetzt bleiben. "Man kann abhängig werden von Staatsverschuldung. Und wir müssen die Sucht nach immer mehr Verschuldung beenden - so schnell wie möglich", sagte der FDP-Vorsitzende am Montag in Brüssel vor Beratungen mit seinen Amtskollegen. Sonst werde es noch mehr Inflation geben. Die Bekämpfung der hohen Teuerungsrate müsse jetzt aber Priorität haben.

Die Inflation sei eine Gefahr für die Wirtschaft. "Sie kann auch ein Verarmungsprogramm für viele Menschen sein." Der Staat sollte nicht durch hohe Ausgaben die Nachfrage und damit die Inflation noch anheizen. Nötig seien geringere Defizite, weniger Schulden und Subventionen. "Das ist unser Beitrag zur Bekämpfung der Inflation."

Lindner sagte, er habe den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis genommen. Es gehe jetzt nicht um Blockade, sondern die richtigen Prioritäten. Die jüngsten Wirtschaftsprognosen der Kommission deuteten auf eine Normalisierung hin. Deswegen werde Deutschland ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten. Die Daten der EU-Kommission hätten andere Schlussfolgerungen erlaubt. "Wir müssen schnellstmöglich aus den Schulden raus, müssen schnellstmöglich zum Stabilitätspakt zurückkehren."


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Politik
Politik Im Kosovo rächen sich jetzt alte Fehler des Westens
04.06.2023

Die jüngsten Ausschreitungen im Kosovo hatten zwar einen aktuellen Anlass. Doch die Lunte an das Pulverfass war schon viel früher gelegt....

DWN
Finanzen
Finanzen Amerikas Bankenkrise, Teil 2: Welche Schäden verursachen die Zinsanstiege?
04.06.2023

DWN-Finanzexperte Michael Bernegger beschreibt, welche strukturellen Gründe hinter der Bankenkrise in den USA stehen - und warum diese...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Diebstahl und Gewalt machen US-Einzelhandel unprofitabel
04.06.2023

Der US-Einzelhandel leidet unter der ansteigenden Kriminalität. Der massive Anstieg von Diebstahl und Gewalt vernichtet den Profit. Das...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietnomaden: So prüfen Vermieter die Bonität
04.06.2023

Die Qualität der Mieter hat großen Einfluss darauf, ob sich eine Mietimmobilie rechnet. Doch wie wählt man einen Mieter richtig aus? Wir...

DWN
Immobilien
Immobilien Die EU will ultimativ alle Häuser ruinieren
03.06.2023

Mit immer strengeren Vorschriften treibt die EU das Dämmen der Häuser voran. Selbst Strafen wie Wohn-Verbote werden diskutiert, damit die...

DWN
Immobilien
Immobilien Europas Immobilienmarkt droht weiteres Ungemach
03.06.2023

Die Immobilienunternehmen in Europa haben bereits historische Wertverluste hinnehmen müssen, doch wegen der steigenden Kreditkosten drohen...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienmärkte: Unter der glitzernden Oberfläche brodelt es
04.06.2023

Oberflächlich betrachtet schlagen sich die US-Aktienmärkte gut. Das Fundament für den Aufschwung ist allerdings schwach. In vielen...

DWN
Finanzen
Finanzen Zinswende: Kommt eine zweite Inflationswelle – und wie schützen sich Anleger?
04.06.2023

Der Markt rechnet mit Zinssenkungen in diesem Jahr. Kritische Ökonomen befürchten eine Rezession und eine zweite Inflationswelle. Was...