Finanzen

Niedrige Zinsen, Inflation: Kunst als sicherer Hafen

Lesezeit: 8 min
12.06.2022 08:33  Aktualisiert: 12.06.2022 08:33
DWN-Autor Moritz Enders hat den renommierten Künstler und Galeristen Eric Decastro interviewt. Ein Tipp: Lesen Sie diesen und viele weitere Artikel zum Thema "Alternative Investments - Ausweg aus dem Nullzins" in unserem aktuellen Magazin.
Niedrige Zinsen, Inflation: Kunst als sicherer Hafen
Ist Kunst vielleicht der Ausweg aus der Investitions-Krise? (Foto: Eric Decastro)

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Die Inflation zieht an, schon lange hatte sie sich an den Aktien- und Immobilienmärkten bemerkbar gemacht. Und auch Kunstwerke geraten in den Fokus von Investoren. Aber taugen sie auch als Anlage für Menschen mit einem Einkommen, das nicht ein Vielfaches über dem Durchschnitt liegt? Eric Decastro ist Maler und Bildhauer, betreibt zwei Galerien im Rhein-Main-Gebiet, kauft Kunst an, verleiht und verkauft sie. Damit ist er einer von den Künstlern, die gleichzeitig auch in Kunst investieren. Mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sprach er darüber, wie sicher seine Investitionen sind, woran man aufstrebende Künstler erkennt und auf welchem Weg man zu renommierten Künstlern und Künstlerinnen am besten Kontakt aufnimmt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Sie sind Künstler und Investor zugleich. Wie ist es dazu gekommen?

Eric Decastro: Ich komme aus einer Künstler- und Unternehmerfamilie, war aber auch einmal Mitinhaber eines IT-Unternehmens, das ich im Jahr 1998 verkauft habe. Mit Kunst hatte ich mein ganzes Leben lang zu tun. Das war immer meine Leidenschaft. Und nun ist meine Leidenschaft zu meiner Berufung geworden. Nach dem Verkauf unserer Firma vor über 20 Jahre habe ich an diversen Kunst-Workshops im In- und Ausland teilgenommen und schließlich habe ich mich an der Kunstakademie in Kolbermoor bei Markus Lüpertz eingeschrieben für ein Aufbau Studium in Malerei, das ich drei Jahre später abgeschlossen habe. Mein Künstlername ist Eric Decastro wobei de Castro auch der Mädchenname meiner Mutter ist. Seit 12 Jahren betreibe ich in der Nähe von Frankfurt am Main auch zwei Galerien und bin im Jahr 2019 eine Partnerschaft mit der ALAGO Art&STRINGS GmbH eingegangen.

Dort vermarkten wir sowohl neue Talente als auch etablierte Künstler auf Sammlerniveau, Dirk Brömmel, Stephan Balkenhol, Tony Cragg, Anna Goschin, Günther Uecker, Markus Lüpertz, Margret Wibmer, Sandra Mann , Stephan Marienfeld, Sador Weinsclučker, Manfred Peckl, A.R.Penck, Klaus Prior, Willi Siber, Bernar Venet gehören dazu sowie einige andere.

Als Künstler und Galerist hänge und stelle ich gerne etablierte Künstler und Künstlerinnen mit neuen Positionen bei neuen Ausstellungen aus. Wenn man als Einsteiger zusammen mit renommierten Künstlern ausgestellt wird, kann das Ansehen bei Sammlern steigen, das Ranking auf Plattformen wie Limna oder ArtFacts.net kann als Indikation für viele Kunstkäufer und Kunstinteressierte dienen.

Für den Künstler ist der Weg über eine Galerie der bessere. Ich kenne das von mir, ich kaufe eigentlich nur, was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Und umgekehrt ist es ebenfalls so. Meine Bilder werden von guten Galerien vertreten wie der Galerie Z in Stuttgart oder ART-Affair in Regensburg sowie Galerie Younique in Mexico oder Lima.

Es gibt aber auch immer mehr etablierte Online Plattformen im In- und Ausland wie zum Beispiel Singulart, Artsper, Catawiki. Die sind für

Künstler,die Ihre Werke direkt verkaufen wollen, interessant. Online-Kunstplattformen bieten aufstrebenden Künstlern neue Vertriebswege, um ihre Kunstwerke zu vermarkten. Auch neue Zielgruppen erschließt die Präsentation im Internet. Das verbirgt natürlich Gefahren für Galerien, über die bisher ein Großteil der Vermarktung erfolgt ist.

Die Plattformen der Galerien bieten immer mehr Individualismus und ermöglichen einen virtuellen Zugang zu eigenen Räumen. Onlineführungen vermitteln ein ähnliches Gefühl wie ein Spaziergang durch reale Räume. Ein Beispiel hierfür ist die Galerie Werkhallen Galerie Kampen von Christiane Obermann auf Sylt mit Matterport-Kunstmatrix, ein Startup aus Berlin, das Künstlern und Galeristen die Möglichkeit bietet, einen eigenen Showroom darzustellen, mit Hinweisen auf ihre Werke und dem Besucher einen Rundgang durch tolle Ausstellungsräume anzubieten.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was hat es mit diesen Plattformen auf sich?

Artfacts bietet Sammlern, Künstlern, Galeristen, Kuratoren und Pädagogen Einblicke, Trends und klare Analysen der sich ständig verändernden Landschaft der Kunstwelt.

Auf diesen Plattformen sind etwa 800.000 Künstler weltweit registriert. Mein Ranking liegt bei circa 5000, und ich merke seit einigen Jahren, dass ich dadurch das Interesse von Kunstvereinen, Galerien und vielleicht auch von Kunstberatern und Kuratoren sowie Museen, aber auch von Sammlern, geweckt habe. Im Übrigen ist es nicht gesagt, dass Sammler Künstler kaufen, nur weil Sie vielleicht in Wert steigen. Mancher Sammler und Museen kaufen auch thematisch. So kauft beispielsweise die Ritter Sammlung nur Quadratische Werke (Praktisch gut für die Kunst).

Das Museum Ritter wurde für die umfangreiche Sammlung geometrisch-abstrakter Kunst von Marli Hoppe-Ritter, der Miteigentümerin der Firma Ritter Sport, gegründet und im September 2005 eröffnet. Mit jährlich drei bis vier Ausstellungen präsentiert es Werke aus der Sammlung zum Thema Quadrat.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Lohnt es sich, in Kunst zu investieren?

Eric Decastro: Ich denke, dass es mit der Kunst ähnlich wie mit Aktien funktioniert. Wer Blue Chips kauft, macht eigentlich alles richtig. Das Ziel ist es, Geld in die Hand zu nehmen was man weniger braucht für Konsumgüter, und bei etablierten Galerien gute Künstler zu kaufen, also etwa in Deutschland - wo ich sechs Monate im Jahr lebe und mich dementsprechend auskenne- , bei Galerien wie Johann König , Nagel Draxler in Berlin, Bärbel Grässlin in Frankfurt, Sprüth Magers in Berlin, Kewenig Berlin und Palma, Judy Lybke Eigen+Art in Berlin, Perrotin in Paris, Thaddeaus Ropac in Salzburg, David Zwirner und Larry Gagosian sowie Galerie Pace in New York - um nur ein paar Namen aus der Champions League zu nennen. Aber es ist eigentlich wie beim Fußball auch: Da gibt es, die Bundesliga, die Europa League und die Champions League. Es gibt aber auch sehr erfolgreiche Galerien, die nicht international vertreten sind und bei denen man trotzdem große Namen erwerben kann.

Um als Künstler ganz oben anzukommen, muss man wirklich ein Alleinstellungsmerkmal in seinen Schaffenswerk besitzen, manchmal hilft auch ein starker Mäzen, der selbst sammelt und Kontakt zu Museen hat. Es kommt auch vor, dass sich ein solcher Mäzen selbst bei dem Künstler vorher ordentlich eingedeckt hat, mit dem Ziel, den Bekanntheitsgrad dieses Künstlers und damit den Wert seiner eigenen Investments zu steigern. Das kann aber auch ins Auge gehen, wenn man zu sehr auf die Wertsteigerung spekuliert.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Das hört sich so an, als sei eine Investition in Kunst nur etwas für Millionäre.

Eric Decastro: Nicht unbedingt. Wenn jemand 10.000 bis 100.000 Euro hat, die er investieren kann, kann er damit schon etwas anfangen. Unikate bekannter Künstler sind natürlich sehr teuer, aber man kann beispielsweise Editionen kaufen. Holzschnitte, Radierungen, die der Künstler dann noch bemalt, was es in gewisser Weise ja auch wieder zu einem Unikat macht, das geht schon mit ein paar Tausend Euro. Bei Skulpturen in kleinen Editionen - wir reden hier von 20 bis 40 Werken - haben Künstler wie Markus Lüpertz, Stephan Balkenhol Alex Katz oder auch Günter Ücker seit vielen Jahren großen Erfolg, und da geht es schon ab 10.000 Euro los.

Und wie gesagt: Wenn ein Künstler von bekannten Galerien vertreten wird, ist das schon ein Gütesiegel.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie erkennt man eine gute Galerie in Deutschland?

Eric Decastro: Meistens sind diese Galerien auf gute Kunstmessen zugelassen, (Art-Cologne, Fine ART-Fair Düsseldorf, Art-Karlsruhe oder auch die Paper-Position in Berlin und der roter Kunst-Salon in Museum Villa-Rot unter anderem).

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie kann man als junger Künstler bekannt werden?

Eric Decastro: Wenn internationale Kuratoren oder Museumsdirektoren einen Ausnahmekünstler empfehlen, etwa für die Biennale in Venedig, oder für einen Auftritt auf der ART-Basel, dann kann sich die Karriere dieses Künstlers stark entwickeln. Ein Beispiel ist die polnische Ausnahmekünstlerin Alicja Kwade, die innerhalb von wenigen Jahren unter die Top 60 weltweit aufgestiegen ist. Alicja Kwade, ist heute in vielen großen Sammlungen in Deutschland und auf der Welt vertreten. Ein Ausnahmekünstler/in mit einer renommierten Galerie im Rücken ist schon Zeichen für eine solide langfristige Investition. Die Galeristen sind entscheidend, und als Investor kann man ziemlich sicher sein – Ausnahmen bestätigen die Regel – dass sich das Investment auszahlt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie kann ein Investor sicher gehen, dass er keine Fälschung erwirbt?

Eric Decastro: Also was die Werke von lebenden Künstlern betrifft, ist es sehr unwahrscheinlich, dass man Ihnen eine Fälschung verkauft. Dennoch lassen sich Editionen und Drucke von lebenden Künstlern fälschen. Es ist einfach, etwas mehr zu drucken (meistens Siebdruck mit gefälschten Signaturen vom Künstler.) Wenn man aber bei renommierten Auktionshäuser wie Sothebys Bonhams oder Christies Kunst kauft, ist das fast eine Garantie für Echtheit, denn das Risiko, einer Fälschung aufzusitzen, trägt auch ein Auktionshaus.

Aber schwarze Schafe gibt es überall. Schauen Sie sich Wolfgang Beltracchi an. Der hat Werke von Max Ernst, Campendonk , Liebermann, Pechtein und vielen mehr. gemalt. Im Grunde aber waren es die Werke eines begnadeten Malers - nämlich Beltracchi selbst. Der hat im Stil großer Meister neue Werke, die nie jemand gesehen hatte, gemalt. Beltracchi sieht sich selbst nicht als Fälscher, sondern als Künstler. Doch bei allem Genie, das ich ihm gerne zugestehe: Ein krimineller Akt war und bleibt die Fälschung der Signatur.

Auch ein Werner Spies, einer der bekanntesten Kunsthistoriker und Kunstvermittler Deutschlands, hat sich die Zähne ausgebissen, als der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi ein Werk auf den Markt gebracht hatte, das angeblich von Max Ernst stammte. Und Spies hatte gesagt: „Das ist der schönste Max Ernst, den ich je gesehen habe.“ Beltracchi war so schlau, dass er auf Märkten Leinwände gekauft hat, die in dem entsprechenden Alter waren, er hat Rahmen aus den zwanziger und dreißiger Jahren verwendet, er hat die Farben verwendet, die man zu dieser Zeit verwenden konnte, und er hat auch noch die Etiketten des Berliner Galeristen, der die Werke von Max Ernst vermarktet hatte, gefälscht. Also, offen gestanden, die sogenannten Hitler-Tagebücher, auf die seinerzeit der „Stern“ hereingefallen war, waren Anfängerwerke dagegen. Beltracchi ist dann schließlich aufgeflogen, weil das Titan-Weiß, das er benutzt hatte, Pigmente enthielt, die es damals noch nicht gab. Dieses Weiß wurde erst ab Mitte der Sechziger Jahre produziert. Da war er einmal nachlässig und glaubte anscheinend, er käme damit durch. Aber wie heißt es doch: „Hochmut kommt vor dem Fall.“

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche steuerlichen Aspekte sind bei dem Erwerb von Kunst zu beachten?

Eric Decastro: Wenn ich ein Werk kaufe, und ich lasse das ein Jahr lang an der Wand hängen, ist der Ertrag bei einem Weiterverkauf steuerfrei. Im Erbschaftsrecht gehe ich davon aus, dass, wenn große Vermögen da sind, das Finanzamt sicherlich darauf bestehen wird, das zu bewerten. In Frankreich wird das seit den sechziger Jahren so gehandhabt. Die Familie Picasso musste nach dem Tod von Pablo Picasso einen Löwenanteil seiner Sammlung an den Staat vermachen, um die Erbschaftsteuer zu begleichen. Und überlegen Sie, was die staatliche Sammlung von Picasso heute für eine Bedeutung hat.

Info zur Person: Eric Decastro, 1960 in Burgund Frankreich geboren, wuchs in einer Künstler- und Unternehmerfamilie auf. Sein Aufbaustudium der Malerei bei Prof. Markus Lüpertz in der Kunstakademie Kolbermoor hat er erfolgreich abgeschlossen. Er arbeitet primär im Bereich der informellen Malerei und Bildhauerei. Decastro beschäftigt sich thematisch mit dem Aspekt der Vergänglichkeit. Seine Arbeiten finden sich u. a. in der Sammlung Deutsche Bank / SAL-Oppenheim, Reinhold Würth Sammlung Künzelsau Baden-Württemberg, Eduardo Hochschild collection Lima Peru, Inca-Cola Sammlung Peru, sowie der Reinhard Ernst-Sammlung Wiesbaden, Reinhold Würth Museum Schwäbisch-Hall (Seit 2017), und waren zuletzt im Kunstverein Heppenheim, im Museum Villa Rot, im Torrance Art-Museum Los Angeles, im Kunstverein Bronxartspace New-York USA, Museum Villa Seiz zu sehen. Decastro lebt und arbeitet in der Nähe von Frankfurt am Main und Lourmarin, Frankreich. Weltweit gehört der Künstler inzwischen zu den Top 5000 (artfacts.net ).


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