Im vergangenen Jahr beliefen sich die EU-Ausgaben auf 138,6 Milliarden Euro. Die geschätzte Fehlerquote für die Ausgaben betrug durchschnittlich 4,8 Prozent. Was passierte mit den umgerechnet sieben Milliarden Euro?
Der Europäische Rechnungshof spricht in seinem Jahresbericht nicht von Verschwendung oder Betrug, sondern von Ineffizienz. Fraglich, ob das für den Steuerzahler einen Unterschied macht.
In den meisten Ausgabenbereichen gibt es keine Übereinstimmung mit geltenden Rechtsvorschriften. Zu dieser Feststellung kommt der Europäische Rechnungshof in seinem jetzt veröffentlichten Jahresbericht. Die geschätzte Fehlerquote steigt seit 2009 jährlich an. Im Jahr 2011 betrug sie noch 3,9 Prozent.
Als Reaktion auf das Ergebnis empfiehlt der Europäische Rechnungshof in seinem Bericht, die Ausgabenvorschriften der EU zu überdenken.
„Der Hof gelangt zu der Schlussfolgerung, dass die als Ausgaben anerkannten Zahlungen insgesamt in wesentlichem Ausmaß mit Fehlern behaftet und die geprüften Überwachungs- und Kontrollsysteme für die als Ausgaben anerkannten Zahlungen generell bedingt wirksam waren.“
Vitor Caldeira, Präsident des EuRH, sagt dazu: „Wir müssen das Skript ändern. Das Skript, welches wir heute haben, ist zu komplex. Der Fokus liegt allein darin, Mittel zuzuweisen und Geld auszugeben. Es ist zu Input-lastig“, zitiert ihn EUObserver.
Der Europäische Rechnungshof bewertet sechs von sieben Politikfelder als „Im wesentlichen Ausmaß mit Fehlern behaftet.“
Nur die Ausgaben im Bereich „Verwaltungs- und sonstige Ausgaben“ haben eine sensationelle Fehlerquote von null Prozent. Dabei geht es erstaunlicherweise genau um jene 10 Milliarden Euro, die ausschließlich von EU-Organen verwaltet werden – fehlerlos.
Die höchste geschätzte Fehlerquote mit 7,9 Prozent im Durchschnitt weist der Bereich „Entwicklung des ländlichen Raums, Umwelt, Fischerei und Gesundheit“ auf. Darauf folgt mit 6,8 Prozent geschätzter Fehlerquote das Politikfeld „Regionalpolitik, Energie und Verkehr“.
Der höchste Anstieg der geschätzten Fehlerquote ist den Ausgabenbereichen „Beschäftigung und Soziales“, „Landwirtschaft“ und „Regionalpolitik, Energie und Verkehr“ zu verzeichnen.
Die Systeme sind nicht wirksam. Die Europäische Kommission musste deshalb im vergangenen Jahr Finanzkorrekturen und Wiedereinziehungen in Höhe von 4.419 Millionen Euro durchführen. Mehr als die Hälfte, 2.719 Millionen Euro, wurden im Bereich „Regionalpolitik, Energie und Verkehr“ eingezogen.
Einige Fehlerbeispiele, die im Jahresbericht angeführt werden:
In Polen hat sich ein Begünstigter verpflichtet jedes Jahr 5 bis 10 Prozent seiner rund 140 Hektar nicht zu mähen für die „Erhaltung von extensiven Dauergrünland und dem Schutz gefährdeter Vogelarten und ihrer Lebensräume“, dafür kassierte er 270 Euro EU-Beihilfen pro Hektar. Nun hat der EU-Rechnungshof festgestellt, dass er doch mähte. „Eine Parzelle war vollständig gemäht worden“.
In Spanien kassieren Unternehmen für die Einstellung von Arbeitslosen EU-Förderungen. Bedingung dafür: Sie musste diese bis zu drei, in manchen Fällen bis zu fünf Jahren beschäftigen. In rund ein duzend Fällen wurde dies nicht eingehalten und die Angestellten wurden entgegen der Vorschriften frühzeitig gekündigt. Kassiert wurde trotzdem.
In Spanien, Österreich und Portugal wurden Landwirtschaftliche Flächen als „Dauergrünland“ gemeldet und entsprechende Zahlungen für sie geleistet, obwohl die Flächen in Wirklichkeit vollständig oder teilweise aus steinigem Boden bestanden. Dadurch kommen sie nicht für EU-Beihilfen in Fragen.
Viel Begünstigte geben überhöhte Projektkosten an, damit die EU-Beihilfen steigen. Falsche Personalkosten, Kosten für „interne Berater“ „ohne Nachweis über die tatsächlich für das Projekt geleistet Arbeit“ oder „nicht belegte Reisekosten“.
Die EU-Kommission zahlte 16,7 Millionen Euro zur Unterstützung von Lehrerinnen in Bangladesch. Für 8,6 Millionen Euro lag der Kommission bei Genehmigung der Zahlung „keine Belege vor“.
Die Ergebnisse des Jahresberichtes zeigen erneut einen Anstieg der geschätzten Fehlerquoten. Mehr als zwei Drittel der geschätzten Fehlerquote werden durch „Förderfähigkeitsfehler“ gemacht: Nummer eins: Schwere Verstöße gegen Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Gefolgt von: nicht förderfähige Projekte/Tätigkeiten oder Begünstigte.
In den meisten Fällen verlangt die Kommission die falsch ausgezahlten Mittel von den Mitgliedsstaaten nicht physisch zurück. Die Länder erhalten aufgrund der Rechtslage die Möglichkeit, diese EU-Gelder für andere Projekte zu verwenden. Durch Vorlage weiterer Rechnungen können zusätzliche EU-Mittel ausgezahlt werden, so der Bericht.
Mit rund 20 Prozent der Beitragszahlungen in absoluten Zahlen leistet Deutschland den Löwenanteil am Budget, so Open Europe. Vergleicht man die Brutto-Ausgaben und Netto-Einnahmen der Staaten, wird deutlich, dass Deutschland finanziell am wenigsten von der EU profitiert.
Spanien, Griechenland und Italien machen die meisten Fehler in der Verwendung der EU-Mittel. EU-Parlamentarier Markus Pieper (CDU) fordert eine wirksame finanzielle Sanktion der drei Länder. Es könne nicht sein, dass immer dieselben Staaten mit immer denselben Fehlern die Förderpolitik der Gemeinschaft in Misskredit brächten, zitiert ihn die FAZ.