Politik

Kiew: Demonstranten wollen Maidan zurück erobern

Lesezeit: 2 min
19.02.2014 11:51
Regierungs-Gegner strömen erneut auf den Unabhängigkeitsplatz in Kiew, nachdem die Polizei sie in der Nacht vertrieben hatte. Mit Pflastersteinen und Molotow-Cocktails bereiten sie sich auf neue Zusammenstöße mit Sicherheitskräften vor. Opposition und Regierung haben die Gespräche eingestellt.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Regierungsgegner in der Ukraine geben ihre Proteste auch nach der jüngsten Gewalteskalation nicht auf. Am Mittwoch strömten erneut Demonstranten – viele von ihnen maskiert und in Kampfkleidung – auf den umkämpften Unabhängigkeitsplatz (Maidan) der Hauptstadt Kiew.

Dort waren sie in der Nacht zuvor von einem massiven Polizeiaufgebot zurückgedrängt worden. Die Gegend glich einem Schlachtfeld. Die Zahl der Toten stieg nach offiziellen Angaben auf 25 (mehr hier). Damit erlebte die ehemalige Sowjetrepublik die gewaltsamsten Auseinandersetzungen seit ihrer Unabhängigkeit vor mehr als 20 Jahren.

Ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht, ein Krisentreffen von Regierung und Opposition in der Nacht brachte nur gegenseitige Schuldzuweisungen. Weitere Gespräche mit Präsident Viktor Janukowitsch sind nach Angaben des Oppositionspolitikers Vitali Klitschko geplant.

Am Morgen nach den Straßenschlachten rüsteten sich die Demonstranten mit Pflastersteinen und Molotow-Cocktails offenbar schon für die nächste Konfrontation. Sie rückten von einer anderen Seite als zuvor auf den Unabhängigkeitsplatz vor, während die Polizei noch die alten Protestlager räumte. Über dem Maidan hing weiter eine schwarze Rauchwolke. Mit immer mehr brennenden Barrikaden versuchten die Demonstranten, ein weiteres Vorrücken der Polizei zu verhindern. Nach stundenlangen Straßenschlachten hatten die Sicherheitskräfte am Morgen rund ein Drittel des symbolträchtigen Platzes im Zentrum Kiews unter ihre Kontrolle gebracht.

Seit Ausbruch der Gewalt am Dienstag wurden nach Angaben von Polizei und Opposition Hunderte Menschen verletzt, Dutzende von ihnen schwer. Unter den Toten waren den Behörden zufolge neun Polizisten.

In der Nacht hatten Demonstranten gepanzerte Fahrzeuge mit Brandsätzen beworfen. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Demonstranten Steine auf Polizisten schleuderten, die ihrerseits Schlagstöcke einsetzten. Wasserwerfer wurden mit Feuerwerkskörpern beschossen (hier). Aus dem Gewerkschaftshaus am Maidan, das von der Opposition als Hauptquartier genutzt wurde, stiegen Flammen auf, mehrere Etagen brannten lichterloh. In anderen Städten im Westen der Ukraine haben Demonstranten Verwaltungsgebäude besetzt.

Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch demonstrieren bereits seit November gegen dessen Kehrtwende in der Außenpolitik des hoch verschuldeten Landes. Janukowitsch hatte ihren Zorn auf sich gezogen, weil er einen Handelspakt mit der Europäischen Union kippte und stattdessen Milliardenhilfen von Russland akzeptierte. Die Demonstranten fordern eine stärkere Anbindung an die EU.

Westliche Regierungen wie die USA und auch Deutschland fordern vom Präsidenten Zurückhaltung gegenüber den Demonstranten. Die Regierung in Moskau spricht dagegen von unzulässiger Einmischung in der Ukraine. Präsident Wladimir Putin ließ erklären, dass Russland auch künftig nicht intervenieren werde. Die Ukraine steht vor einer Zerreißprobe zwischen Ost- und West-Orientierung.

In Deutschland brachte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder als Vermittler ins Spiel. Es müsse eine Lösung gefunden werden, mit der sowohl die Ukraine als auch Russland und die EU leben könnten, sagte Gysi im Deutschlandfunk. „Vielleicht muss man mal Leute heranziehen, die gut mit Putin sprechen können“, sagte Gysi. „Bei allen meinen sonstigen Vorbehalten: Wie wär‘s mit Gerhard Schröder?“

Bisherige Gespräche der Konfliktparteien in der Ukraine blieben ergebnislos. Bei einem Treffen habe man sich nicht auf eine friedliche Lösung verständigen können, sagte der ehemalige Box-Weltmeister Vitali Klitschko nach einem Gespräch mit Janukowitsch. Er habe das Gespräch beendet, nachdem der Präsident eine bedingungslose Räumung des Maidan gefordert habe.

Janukowitsch verlangte von den Oppositionsführern zugleich, sich von radikalen Kräften zu distanzieren. Der geschäftsführende Ministerpräsident Serhij Arbusow bezeichnete die Proteste vom Vortag als Umsturzversuch. Es sei nicht darum gegangen, ein Zeichen für die Demokratie setzen, sagte er. Vielmehr würden die Menschen manipuliert, um gewaltsam einen Regierungswechsel herbeizuführen.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Technologie
Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
22.12.2024

Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...