Die Eingänge sind derzeit noch abgesperrt. Ab dem 21. September werden etwa sechs Millionen Menschen auf das Oktoberfest strömen. Doch die ersten Besucher sind bereits virtuell unterwegs: Mit Virtual Reality-Brillen können Wiesn-Fans schon jetzt über das Festgelände spazieren. Eine weitere virtuelle Version wird zum Anstich verfügbar sein.
Achtung beim Einstieg in die virtuelle Welt
Neulinge sollten bei den ersten Schritten in der virtuellen Welt vorsichtig sein. Auch ohne Maß Bier können sie beim virtuellen Schlendern über das Festgelände ins Schwanken geraten. Die Nutzung der VR-Brille erfordert etwas Übung.
Beim derzeit zugänglichen Rundgang werden die Besucher von den Kindern Felix und Leah begleitet, wobei Leah gehörlos ist. Die virtuelle Tour soll jenen den Besuch ermöglichen, die nicht selbst zum Fest kommen können, erklärt Christoph Ostler, Chef und Gründer von Connected Reality und Initiator von vr4kids-Inklusion. "Das zentrale Stichwort ist Teilhabe."
Die Besucher können teilweise die Perspektive der Kinder einnehmen und das Volksfest aus deren Sicht erleben: Sie fahren Riesenrad, Autoscooter, Geisterbahn oder tauchen mitten in einen Mandelstand ein. Die älteste Person, die laut Ostler im Testlauf die virtuelle Wiesn besuchte, war 96 Jahre alt. Sie kommentierte den Trip mit: "Jetzt kann ich wieder auf die Wiesn."
Es geht nicht nur um benachteiligte oder behinderte Kinder, sondern um alle, die sonst keine Möglichkeit haben, das Volksfest zu besuchen, betont Ostler. Leah erklärt die Wiesn auch in Gebärdensprache und zeigt zusammen mit Felix einige Wiesn-Begriffe in dieser Sprache. Mittlerweile gibt es auch eine englische Version.
Comic-artiges Wiesn-Spiel in der virtuellen Welt
Zum Start des echten Oktoberfests erwartet Gäste weltweit das Virtual-Reality-Game "Oktoberfest – The Official Game" des Münchner Studios K5 Factory, lizenziert von der Stadt München als Veranstalterin des Oktoberfests. Es entführt die Besucher in eine comicartig stilisierte Wiesn-Szenerie, die gleichzeitig detailgetreu abgebildet wird: Riesenrad, Schichtl, Flohzirkus, Teufelsrad, originale Bierzelte – alles wie auf der echten Wiesn, nur noch ein bisschen bunter.
Die Zielgruppe sind ebenfalls Wiesn-Fans, die nicht selbst zum Fest kommen können. Die Entwickler haben eine globale Perspektive und starten das Spiel, insbesondere mit Blick auf den Hauptzielmarkt USA, zunächst in englischer Sprache; eine bayerische Version könnte später als Gag folgen. "In den Games ist die Hauptsprache Englisch", erklärt K5 Factory-Gründer Oliver Simon. Neben den europäischen Märkten sei auch der chinesische Markt interessant, ergänzt Geschäftsführer Thomas Wagner.
Die Idee entstand während der Pandemie. "Der Gedanke war: Wir müssen virtuelle Räume schaffen für private und berufliche Zwecke", sagt Oliver Simon. "Und: Wie kann man Erlebnisse für Menschen zugänglich machen, die nicht teilnehmen können."
Virtuelle Festbesuche und deren Herausforderungen
Der Gast „beamt“ sich als Avatar per Lichtstrahl auf das Fest. Anfänger können je nach Geschick einige Versuche benötigen, um den Sprung zu meistern. Der Besuch ist kostenlos wie auf der echten Wiesn. Wer jedoch Fahrgeschäfte nutzen oder sich in Dirndl und Lederhose kleiden möchte, muss dafür bezahlen – entweder mit Spielwährung oder echten Euros.
Auf dem Fest trifft der Gast Freunde oder andere Besucher, mit denen er möglicherweise beim VR-Driften durch die Gassen zusammenstößt. Aus den Zelten dringt Blasmusik, das Gemurmel von Stimmen – alles echte Aufnahmen von der Wiesn. Virtuelle Brezen und Vergnügungen wie Dosenwerfen oder rasante Fahrgeschäfte wie Fallturm und Topspin warten auf die Besucher. Tipp: In der echten Welt hinsetzen, bevor die virtuelle Fahrt beginnt.
Virtuelles Oktoberfest: Schwindelgefühle auch ohne Maß Bier
Schwindelgefühle können leichter auftreten als auf dem Volksfest selbst. Für diejenigen, die rasante Fahrgeschäfte lieben, ist die VR-Brille der perfekte Kick. Die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Bewegung und der tatsächlichen Bewegung kann das Gleichgewichtsorgan irritieren – ein Effekt ähnlich der Seekrankheit, bei dem das Gehirn die Bewegung des Schiffes nicht richtig einordnen kann.
Deshalb können Besucher bei vr4kids-Inklusion und dem Oktoberfest-Game der K5 Factory keine Karussells fahren. "Dinge, die sich schnell im Kreis bewegen, verursachen schnell Motion Sickness", erklärt K5 Factory-Geschäftsführer Thomas Wagner. "Da sind wir besonders vorsichtig, gerade zu Beginn."
Ostler und sein Team sind noch etwas zurückhaltender: Eine Rutsche, ein Autoscooter und das langsam drehende Riesenrad sind vorerst das Maximum, das sie den Gästen zumuten.
Die Entwickler der VR-Wiesn glauben nicht, dass der virtuelle Besuch die Vorfreude auf die echte Wiesn schmälert. Die Möglichkeit, virtuelle Touren zu erleben, habe gezeigt, dass Menschen danach erst recht die echten Orte besuchen möchten, sagt Ostler.
Erlebnisse per VR-Brille
Mit VR-Brillen Ereignisse erlebbar zu machen, zu denen man sonst keinen Zugang hat, ist nicht neu. Ostler und sein Team bieten auch einen Besuch im Spieler-Tunnel der Allianz-Arena, Schwimmen mit Delfinen und ein Basketball-Training an, auch mit einer Rollstuhl-Basketballerin, um behinderten Kindern Mut zu machen, den Sport selbst auszuprobieren, erklärt Ostler.
Das Team von K5 Factory hat neben der Wiesn weitere Projekte in Arbeit. "Wir entwickeln Banksy’s Walled Off Hotel als VR-Erfahrung", berichtet Wagner. Die K5 Factory baut das Hotel in Bethlehem im Westjordanland, das wegen der politischen Lage derzeit geschlossen ist, detailgetreu virtuell nach. Gäste können bei einem virtuellen Rundgang, geführt von einem kleinen Vogel, die Entstehungsgeschichte des Hotels erfahren und Banksys Kunst erleben.