Finanzen

Harris oder Trump? Die Märkte fokussieren sich auf die US-Präsidentschaftswahl

Je näher der 5. November rückt, desto mehr verengt sich der Blick auf die US-Präsidentschaftswahl. Wenn auch die Unsicherheit unter den Marktteilnehmern groß ist, die Auswirkung auf die Märkte dürfte sich in Grenzen halten.
04.11.2024 16:18
Aktualisiert: 04.11.2024 16:18
Lesezeit: 5 min

Der Citigroup-Index für globale Risikofaktoren, der die Preisschwankungen bei verschiedenen Vermögenswerten verfolgt, ist zum Ende der vergangenen Woche auf ein 18-Monats-Hoch geschnellt, der Volatilitätsindex der CBOE (Chicago Board Options Exchange) allein in den letzten vier Sitzungen auf über 20. Das sind Werte, die in der Regel eine zunehmende Belastung der Aktienmärkte signalisieren. Für Unsicherheit sorgen derzeit vor allem, neben den weiter wachsenden geopolitischen Herausforderungen, himmelhohe Aktienbewertungen, hochkonzentrierte Märkte und die enorme US-Staatsverschuldung.

So zeigt der amerikanische S&P 500-Index gemessen am Verhältnis von Kursen zu Gewinnen derzeit die dritthöchste Bewertung der modernen Geschichte, nur in den Jahren 1999/2000 und 2021 war der US-Aktienmarkt teurer. Unterdessen hat sich das Gewinnwachstum - der Dreh- und Angelpunkt der Aktienrallye - mit der niedrigsten Übertreffungsrate gegenüber den Wall-Street-Schätzungen seit dem letzten Quartal 2022 abgeschwächt. Im Grunde sind dies die entscheidenden Faktoren, die die Aufmerksamkeit verdienen, dennoch ist es verständlich, dass der Fokus derzeit auf dem Ausgang der unmittelbar bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl liegt.

Wie ein Blick in die Kristallkugel

"Der 5. November wird zu einer Schlammschlacht mit verbundenen Augen in einem Minenfeld", so formulierte es jüngst der bekannte Singapurer Portfoliomanager Calvin Yeoh. Damit dürfte er nicht ganz unrecht haben, etwas kürzer könnte man sagen: man weiß es nicht. In jedem Fall sind sie Märkte nervös. Der Dollar fiel zum Wochenbeginn so stark wie seit mehr als einem Monat nicht mehr, einige Händler reduzieren die sogenannten Trump-Trades, Aktien, Gold und, vor allem, Bitcoin, und nehmen damit einen Teil der Wetten, die von einem Sieg des ehemaligen US-Präsidenten profitieren dürften, zurück. Spekulanten lösen zudem auch Positionen in US-Anleihen auf, bei Aktien erwarten Händler vor allem Volatilität und halten sich mit klaren Richtungspositionierungen eher vornehm zurück. Cash ist derzeit bei vielen King.

Die Wall Street-Auguren jedenfalls spielen alle möglichen Szenarien durch, von einem festgefahrenen Kongress bis hin zu Auswirkungen von Zöllen auf die Inflation und des Weiteren mehr. Als lockerer Konsens unter den Marktteilnehmern hat sich zumindest eines herauskristallisiert: Aktien von Großunternehmen, die Large Caps, sollten zukünftig unabhängig vom Wahlausgang weiter zulegen. So ergab eine breit angelegte Bloomberg-Umfrage, dass 38 % der Befragten davon ausgehen, dass die Aktienkurse in den kommenden 12 Monaten unter Donald Trump steigen werden, gegenüber 13 Prozent unter Kamala Harris. Weniger zwar als beim als wirtschaftsfreundlicher verstandenen Trump, aber ein Crash wäre das auch nicht. Small Caps, also die Vertreter des Russel-2000-Index, würden besonders von einem republikanischen Sieg profitieren. Eine derart explosive Entwicklung, wie bei Donald Trumps erstem Wahlsieg dürfte jedoch nicht eintreten. Im Unterschied zu damals ist ein solcher Ausgang nun mehr oder weniger eingepreist, seinerzeit kam er sehr überraschend.

In jedem Fall ist die anhaltende Aktienhausse eine gute Ausgangslage für denjenigen, der das Weiße Haus übernimmt. In der Vergangenheit geriet die Wirtschaft im auf die Wahl folgenden Jahr in lediglich zwei von 21 Fällen ins Stocken, wenn der S&P 500 in den vorangegangenen 12 Monaten einen Zuwachs von mindestens 30 Prozent auswies – aktuell sind es mehr als 37 Prozent. Die größten Bauchschmerzen würde den Marktteilnehmer übrigens ein klarer Sieg sowohl des einen als auch des anderen Lagers bereiten. So unterschiedlich Republikaner und Demokraten in ihrer Programmatik auch sind, mit dem Thema Inflation gibt es einen gemeinsamen Nenner. Sollte eine der beiden Parteien sowohl die Kontrolle über das Weiße Haus als auch den Kongress erlangen, dürfte dies die Inflation abermals kräftig anheizen und in der Folge zu einer restriktiven Reaktion der Federal Reserve führen - für Risiko-Assets verhieße dies nichts Gutes. Dass es so kommt, gilt derzeit als unwahrscheinlich. Erwartet wird, das sich Rote und Blaue hier die Verantwortlichkeiten teilen müssen. Ein solcher Ausgang wäre in mehrfacher Hinsicht begrüßenswert. Nicht nur, das so die Inflation in Schach gehalten werden könnte, auch ein Crash an den Aktienmärkten wäre deutlich unwahrscheinlicher als ein weiterer Anstieg. Von der Erschwerung zur Durchsetzung der jeweiligen politischen Extrempositionen ganz zu schweigen.

Business as usual

Neben dem Sonderthema Wahlkampf läuft an der Zinsfront das Brot-und-Butter-Geschäft. Allein in dieser Woche stehen weltweit 20 Zentralbankentscheidungen bezüglich der Kreditkosten an, am für die Märkte bedeutsamsten natürlich jene der US-Notenbank. Diese tagt, bedingt durch das bekannte politische Großereignis, diesmal ausnahmsweise erst am Donnerstag. Allgemein erwartet wird eine Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt, ein Schritt, der nach dem Arbeitsmarktbericht vom Freitag als nahezu garantiert gilt. Dieser zeigte zum einen eine mit 4,1 %, trotz vorübergehender Einstellungsstopps aufgrund von Hurrikans und Streiks, sehr stabile Arbeitslosenquote sowie überraschend wenige Neueinstellungen außerhalb der Landwirtschaft.

Gold weiter auf Rekordjagd

Der Goldpreis setzte seine bereits im Februar begonnene Rally unterdessen schwungvoll fort, am vergangenen Mittwoch erreichte das Edelmetall mit mehr als 2.790 US-Dollar seinen jüngsten Rekordwert, auch begünstigt durch die Nachfrage nach sicheren Häfen im Vorfeld der mit knappem Ausgang erwarteten US-Präsidentschaftswahl. Dabei ignorierte Gold sowohl die bis dahin robusten US-Arbeitsmarkt- und Wachstumsdaten als auch die steigenden Renditen von Staatsanleihen - was starke Zeichen dafür sind, dass das Metall derzeit als bedeutendes Risikoabsicherungsinstrument angesehen wird. Wie das World Gold Council (WGC) in der vergangenen Woche berichtete, stieg die weltweite Goldnachfrage im dritten Quartal um etwa 5 %, was einen Rekord für diesen Zeitraum darstellt. Absolut betrachtet überstieg die weltweite Goldnachfrage damit in einer Dreimonatsbetrachtung zum ersten Mal die Marke von 100 Milliarden Dollar.

Abgesehen von kleinen Rückschlägen im Januar und Juni konnte der Goldpreis in diesem Jahr in jedem Monat Zuwächse verzeichnen. Der Umstand, dass die Korrekturen stets flach und kurz waren deutet auf eine klassische FOMO-Lage hin, also eine Situation, in der die Anleger Angst haben, etwas zu verpassen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf den Zug aufzuspringen versuchen. Dem WGC zufolge erreichte die Gesamtnachfrage nach börsengehandelten Fonds, Barren und Münzen im dritten Quartal das stärkste Niveau seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor mehr als zwei Jahren. Die Käufe der Zentralbanken hielten an, wobei Polen, Ungarn und Indien zu den wichtigsten Käufern gehören, auch wenn sich das Tempo der offiziellen Aktivitäten verlangsamte.

Mit Blick auf die Zukunft könnten fiskalische Bedenken, insbesondere hinsichtlich der steigenden Staatsverschuldung in den USA, eine zunehmend bedeutende Rolle spielen. So äußerte jüngst der Internationale Währungsfonds (IWF) Sorgen über das ausufernde US-Defizit und regte offiziell an, dieses „in Ordnung zu bringen“. Auch vor diesem Hintergrund könnten sich Staaten veranlasst sehen, ihre Goldbestände weiter zu erhöhen, vor allem, da sich dieses Thema im Falle eines Trump-Sieges noch verschärfen dürfte.

OPEC verschiebt Produktionsausweitung

Mit einem deutlichen Anstieg reagierten die Rohölpreise am Montag auf den am Wochenende beschlossenen Plan der OPEC+-Gruppe, ihre bislang für Dezember vorgesehene Produktionserhöhung um einen Monat nach hinten zu verschieben. Damit hat das Förderländerkartell, welches die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) sowie Russland und andere Partner vereint, die geplante 180.000 Barrel pro Tag umfassende Produktionserhöhung nun bereits zum zweiten Mal verschoben. Hintergrund der abermaligen Kursänderung ist die den Ölmarkt seit Monaten belastende schwache Nachfrage vor allem aus dem wichtigen Verbrauchsland China sowie das steigende Angebot anderer Förderländer.

Die Nordseesorte Brent und das US-Öl WTI verteuerten sich zum Wochenstart jeweils um gut drei Prozent auf 75 beziehungsweise 72 US-Dollar je Fass. Damit setzten die Ölmärkte ihre bereits in der vergangenen Woche gestarteten Aufwärtsbewegungen fort, angesichts überraschend schwach gemeldeter US-Lagerbestände und weiterer Unsicherheiten bezüglich des Konflikts im Nahen Osten. Dort könnte die Lage nach dem israelischen Vergeltungsschlag gegen den Iran weiter eskalieren. Einem Medienbericht zufolge plant die Regierung in Teheran einen erneuten Angriff auf Israel, in Rede steht ein solcher von irakischem Territorium aus. Der Gegenschlag werde "heftig und komplex" ausfallen, zitierte die US-Zeitung "The Wall Street Journal" (WSJ) einen ägyptischen Beamten, der über die Planungen informiert wurde. Solange diese Gefahr nicht vom Tisch ist, bleibt Erdöl gut unterstützt.

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Markus Grüne

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 

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