Politik

Schlupflöcher für Putin: EU-Plan gegen russisches Gas unter Beschuss

Die EU will russisches Gas bis 2027 verbieten. Doch geheime Schlupflöcher könnten Moskau weiter Milliarden sichern – und Europas Abhängigkeit verlängern.
24.06.2025 11:04
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Schlupflöcher für Putin: EU-Plan gegen russisches Gas unter Beschuss
Überschüssiges Gas wird auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH verbrannt (Foto: dpa). Foto: Patrick Pleul

Schwammige Ausnahmeregeln könnten Tür für russisches Gas offenhalten

Die Europäische Kommission will russische Gasimporte bis spätestens Ende 2027 vollständig beenden. Doch Experten warnen: Der aktuelle Vorschlag aus Brüssel enthält weitreichende Ausnahmeklauseln, die nicht nur Ungarn und der Slowakei, sondern auch anderen Staaten den Zugriff auf russisches Gas ermöglichen könnten.

Das geht aus der Einschätzung von Žygimantas Vaičiūnas, Energieminister Litauens, hervor. „Die vorgesehenen Ausnahmen sind zu vage formuliert. Es ist klar, dass einige Mitgliedstaaten diese Lücken so weit wie möglich ausnutzen werden“, so Vaičiūnas.

Konkret bezieht er sich auf Artikel 15 der neuen Verordnung. Demnach darf die EU-Kommission selbst dann russisches Gasimporte genehmigen, wenn es zu „Versorgungsengpässen“ kommt. Die Kriterien, was genau als Engpass gilt, sind bislang nicht definiert – ein Freibrief für Interpretationen.

Sonderregelungen für Binnenstaaten und LNG-Importe

Die neue Verordnung sieht unter anderem Ausnahmen für Binnenländer vor, die über keine eigene Küste verfügen und deshalb auf Pipeline-Gas angewiesen sind – gemeint sind vor allem Ungarn und die Slowakei, beides Staaten mit traditionell engen Verbindungen zu Moskau.

Doch auch Länder mit Zugang zum Meer könnten laut Vaičiūnas weiterhin russisches Gas in Form von Flüssigerdgas (LNG) importieren, sofern „Versorgungssicherheit“ gefährdet sei. Hier sieht der litauische Minister ein ernsthaftes Schlupfloch, insbesondere bei geopolitischen Spannungen wie im Nahen Osten.

Sollte etwa der Iran die Straße von Hormus blockieren, wären europäische LNG-Importe aus Katar oder anderen Golfstaaten massiv eingeschränkt. Steigende Preise könnten Staaten dann motivieren, trotz politischer Beschlüsse, vermehrt auf russisches LNG zurückzugreifen.

„Dieser Text darf auf keinen Fall abgeschwächt werden – im Gegenteil, er sollte noch verschärft werden“, forderte Vaičiūnas.

Bedeutung für Deutschland

Für Deutschland, das 2022 den vollständigen Ausstieg aus russischen Gaslieferungen eingeleitet hat, bleibt die Debatte brisant. Die Bundesrepublik importiert mittlerweile große Mengen LNG über Terminals an der Nord- und Ostsee. Sollte Brüssel die Tür für russisches LNG offenlassen, könnte Deutschland in eine politische Zwickmühle geraten: Einerseits will Berlin die Abhängigkeit von Moskau beenden, andererseits könnten steigende Preise und Energieengpässe kurzfristig den Import russischen Gases attraktiver erscheinen lassen.

Zudem betreffen die Regelungen auch industrielle Großverbraucher in Deutschland, deren Wettbewerbsfähigkeit stark vom Gaspreis abhängt. Ein unklarer Rechtsrahmen erhöht Unsicherheiten für die Wirtschaft und schwächt die Planbarkeit in Energiefragen.

EU setzt auf Umgehung von Sanktionen

Der Vorschlag aus Brüssel unterscheidet sich von bisherigen Maßnahmen gegen Moskau: Statt über klassische Sanktionen soll das Importverbot über das Handels- und Energierecht umgesetzt werden. Ziel ist es, den Widerstand von Ungarn und der Slowakei zu umgehen, die Sanktionen traditionell blockieren.

Konkret soll der Abschluss neuer Verträge für russisches Gas ab dem 1. Januar 2026 verboten werden. Bestehende kurzfristige Lieferverträge laufen bis spätestens 17. Juni 2025 aus. Spätestens Ende 2027 soll der Import vollständig gestoppt werden.

Aktuell deckt Russland noch rund 19 Prozent des europäischen Gasbedarfs, ein Rückgang im Vergleich zu den 45 Prozent vor Beginn des Ukraine-Kriegs. 2023 lieferte Moskau insgesamt 52 Milliarden Kubikmeter Gas an die EU, davon 32 Milliarden über die TurkStream-Pipeline und 20 Milliarden in Form von LNG.

Der Vorschlag der Kommission muss noch von den EU-Mitgliedstaaten sowie dem Europäischen Parlament gebilligt werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt Deutschland: Käufer kehren zurück, Zinsen steigen
18.09.2025

Der deutsche Immobilienmarkt lebt wieder auf. Mehr Käufer greifen zu, doch steigende Bauzinsen bremsen die Euphorie. Während die...

DWN
Politik
Politik Fed senkt Leitzins: Trump drängt auf geldpolitischen Kurswechsel
18.09.2025

Die US-Notenbank senkt erstmals seit Ende 2024 den Leitzins – ein Schritt, der tief in die innenpolitische Auseinandersetzung hineinragt....

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Deutschland: Wieso sich so viele Deutsche Geld für Lebensmittel leihen
18.09.2025

Brot, Milch, Schulden: Mehr als die Hälfte der unter 50-Jährigen greift für Alltagsausgaben zum Kredit – oft bei der Familie. Wer...

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...