Dow streicht Chemieproduktion in Sachsen und Sachsen-Anhalt
Der US-amerikanische Chemiekonzern Dow plant, bis Ende 2027 einen Teil seiner Produktionsanlagen in Böhlen (Sachsen) sowie im sachsen-anhaltischen Schkopau stillzulegen. Als Gründe nannte Dow strukturelle Schwierigkeiten auf dem europäischen Markt – darunter hohe Energie- und Betriebsausgaben, steigende CO2-Abgaben sowie eine schwache Nachfrage in Kernbranchen. Wie das Unternehmen mitteilte, seien die betroffenen Mitarbeiter bereits informiert worden.
"Unsere Branche sieht sich in Europa nach wie vor mit schwierigen Marktdynamiken und einem anhaltend herausfordernden Kosten- und Nachfrageumfeld konfrontiert", erklärte Unternehmenschef Jim Fitterling.
Laut Angaben des Unternehmens sind rund 550 regulär Beschäftigte in Böhlen und Schkopau betroffen – sowohl direkt in der Produktion als auch in unterstützenden Funktionen. Der Chemiekonzern betreibt deutschlandweit 13 Standorte mit insgesamt rund 3.400 Beschäftigten.
Einzelne Werke bleiben bestehen
Im Detail sind die Chloralkali- und Vinylanlagen im schkopauer Saalekreis sowie der sogenannte Steamcracker im Werk Böhlen betroffen. Letzterer stellt aus Rohbenzin chemische Grundstoffe her und zählt zu den energie- sowie kostenintensivsten Anlagen der gesamten Produktionskette. Nach Angaben von Dow Chemical dienen die Maßnahmen der Kapazitätsanpassung, Risikoreduzierung im Handel und einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Bereits im April hatte Dow angekündigt, diverse Anlagen in Europa zu überprüfen. Neben Deutschland steht auch eine Produktionsstätte im britischen Barry auf dem Prüfstand. Insgesamt will der Konzern rund 800 Stellen in Europa streichen. Die Maßnahmen sollen ab 2026 das operative Ergebnis verbessern. Bis Ende 2027 will Dow rund 50 Prozent des Einsparziels von 200 Millionen US-Dollar realisieren.
Branchenvertreter schlagen Alarm
Die Nordostchemie-Verbände (VCI) zeigten sich angesichts der Pläne besorgt. "Die Schließungen der Dow-Anlagen haben katastrophale Auswirkungen. Stoppt das Cracker-Herz, geraten alle anderen angeschlossenen Unternehmen in Gefahr", sagte Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin des VCI Nordost. Zahlreiche Firmen seien auf die Werke in Böhlen und Schkopau angewiesen. Die ostdeutsche Chemieindustrie arbeite eng vernetzt.
"Das Wegbrechen von Anlagen hat massive Auswirkungen auf nachgelagerte Prozesse und angeschlossene Unternehmen." Die geplante Stilllegung gefährde komplette Produktionsketten, so Schmidt-Kesseler. Sie betonte, dass an jedem Arbeitsplatz in der Chemiebranche drei weitere Stellen in anderen Bereichen hängen.
Politik warnt vor Arbeitsplatzverlusten
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) äußerte sich zur Situation: "Die Entwicklung bei Dow hat sich bereits seit längerer Zeit angedeutet." Rund ein Drittel der insgesamt 550 betroffenen Dow-Mitarbeiter sei in Schkopau beschäftigt. Bereits frühzeitig habe das Land mit dem Unternehmen eine Arbeitsgruppe gegründet, um "größere Teile der Chemiestandorte zu sichern und damit Arbeitsplätze in der Region zu erhalten".
Die Industrie insgesamt sei erheblich belastet. "Hohe Energiepreise und der zunehmende internationale Wettbewerbsdruck setzen die Branche massiv unter Druck", so Schulze. Er betonte, dass man an gezielten Unterstützungsmaßnahmen arbeite. Unter anderem habe Sachsen-Anhalt eine Initiative im Bundesrat angestoßen, um energieintensive Branchen zu entlasten. Diese wurde im März verabschiedet. "Uns ist klar: Viele Arbeitsplätze hängen an der Chemie. Wir arbeiten mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten daran, dass diese erhalten bleiben."
Dow startet Gespräche mit Betriebsräten
Die betroffenen Produktionsanlagen sollen zunächst bis Ende 2027 weiterlaufen. Rückbau und Stilllegung könnten sich bis ins Jahr 2029 erstrecken. "Wir werden umgehend einen formalen Konsultationsprozess mit den Betriebsräten einleiten, um die damit verbundenen organisatorischen Änderungen und den Zeitplan zu besprechen", teilte Dow mit. Man strebe sozialverträgliche Lösungen an.
Weitere Produktionsstätten von Dow Chemical in Deutschland – unter anderem in Schkopau, Leuna und Böhlen – bleiben erhalten. Diese produzieren Materialien für den Bausektor und Kunststoffe. Sie sind nach Angaben des Unternehmens nicht von der aktuellen Entscheidung betroffen.