Warum die Audiokassette 2025 wieder im Trend liegt
Die Musikkassette feiert ein erstaunliches Comeback: Einst von der CD verdrängt, ist sie nun dank Retro-Trend und Streaming-Müdigkeit wieder gefragt – und mit ihr vergessene Abspielgeräte. Es gibt den bekannten Spruch "Totgesagte leben länger". Bei der Musikkassette stimmt das eindeutig. Denn Audiokassetten sind zurück – inklusive der passenden Geräte. Wer seine Sammlung samt Rekorder, Tapedeck oder Walkman aufbewahrt hat, freut sich beim Wiederfinden. Andere starten gerade erst die Suche nach seltenen Stücken. Fachleute erklären, worauf es bei Audiokassetten & Co ankommt – und wo die Kassette ihren Ursprung hat.
Die Erfolgsgeschichte der Kassette ab den 1960ern
Die Geschichte der Kompaktkassette begann 1963. Damals stellte Philips auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin die erste Kassette vor. Tonbänder gab es seit den 1930er Jahren, doch die kompakte Bauweise eröffnete neue Möglichkeiten. "Der Legende nach soll der Erfinder Lou Ottens stets einen Holzklotz in der Tasche getragen haben, um die ideale Größe zu demonstrieren", berichtet die Medienwissenschaftlerin Laura Niebling von der Universität Regensburg, die Deutschlands Tonträgergeschichte nach 1945 erforscht.
Ab den 1970er Jahren produzierten Philips und andere Firmen Kassetten in riesigen Mengen. Zunächst kooperierte Philips mit Grundig, entwickelte dann jedoch eigene Geräte. Einige Komponenten patentierte Philips absichtlich nicht, vor allem bei der Kompaktkassette. Ein cleverer Schritt, da so andere Hersteller das Konzept nutzten und Tonträger in Masse fertigten. Niebling erklärt: "Das, was eigentlich Geld brachte, waren die Abspielgeräte." So konnte Sonys legendärer Walkman ab 1979 die Welt erobern.
Die CD verdrängt die Kassette
"Am Anfang war die Qualität schlechter als die der Schallplatte", sagt Rudolf Opitz vom "c't"-Magazin. Das änderte sich mit neuen Bandmaterialien. "Am Ende konnte eine Kassette sogar besser sein als eine Schallplatte, allerdings war sie dann sehr teuer", so Opitz. Ein wichtiger Fortschritt für besseren Klang war Dolby-Rauschunterdrückung, so Niebling. Doch alles half nichts: Mit der CD und dem Discman in den 1980ern begann das Ende der Kassette. "Die CD hatte eine ganz klar bessere Klangqualität als die Kassette und selbst als die Schallplatte", sagt Niebling.
In den 2000ern gab es kaum noch Hersteller. Dann trieb eine Retro-Welle die Produktion in den USA von 2015 bis 2022 um 440 Prozent nach oben. "In Relation zu dem eigentlich komplett toten Markt ist das trotzdem überschaubar", ordnet Niebling ein. Materialengpässe wie Eisenoxid machten 2019 zusätzlich Probleme.
Warum Nostalgie die Kassette rettet
Heute veröffentlichen viele Bands Alben wieder – manche sogar ausschließlich – auf Kassette, besonders im Metal-Bereich. Serien wie "Stranger Things" befeuern den Trend. "Diese Nostalgie wirkt selbst auf Menschen, die die 1980er Jahre gar nicht miterlebt haben", so Niebling. In Japan ist die Kassette für viele so bedeutend wie einst die Schallplatte. Menschen suchen Zugehörigkeit, eine vermeintlich einfachere Welt mit wenig Medien und Content, sagt Niebling. "Das ist natürlich auch nur eine Wohlfühl-Erzählung, die Dinge wie etwa den Kalten Krieg in der Regel ausblendet."
Dazu gehört der Glaube an natürlicheren Sound und Material. "Man kann die Kassette in die Hand nehmen und mit ihr arbeiten, um zum Beispiel Mixtapes aufzunehmen, sie ist nicht so abstrakt wie Streaming", erklärt Niebling. Allerdings sei das ein westliches Phänomen. "In Afrika waren Kassetten lange noch sehr viel wichtiger als in Europa."
Tipps zur Lagerung alter Kassetten
Wer jetzt voller Nostalgie die alten Kassetten sucht, sollte laut Opitz Folgendes prüfen: Läuft das Band sauber? Gibt es Schimmel? "Ob die Bänder innen verklebt sind oder die magnetische Beschichtung noch intakt ist, ist von außen schwer feststellbar, aber wenn schon Teile abbröckeln, würde ich das nicht mehr in mein gutes Tapedeck legen", warnt Opitz. Ein Trick: Band mit Bleistift vorsichtig herausziehen und auf Ablösungen prüfen. Wer langfristig lagern will, sollte Kassetten kühl, trocken und ohne magnetische Störungen in verschlossenen Hüllen aufbewahren. So überleben sie nach Herstellerangaben 30 bis 40 Jahre.
Musikfans sind nicht auf alte Bestände beschränkt. Neue Leerkassetten und Ersatzhüllen gibt es weiterhin: online, im Musikfachhandel, in Elektronikmärkten und sogar Drogerien. Eine 90-Minuten-Kassette kostet etwa vier Euro. Zum Abspielen findet man online alles: Kinderrekorder, Tapedecks, Autoradios, Boomboxen – neu und gebraucht. Auch der Walkman ist zurück, wenn auch nur Sony den Namen verwenden darf. Tragbare Kassettenspieler anderer Hersteller gibt es neu schon ab 20 Euro. Online-Marktplätze, Kleinanzeigen und Flohmärkte sind wahre Fundgruben für Nostalgiefans und Liebhaber von Kassettentechnik.
Kassette als Business-Chance: So profitieren Unternehmen vom Retro-Boom
Unternehmer sollten die Kassette als Wachstumschance im ausgeprägten Nostalgie- und Retromarkt ernstnehmen: Allein in den USA wurden 2024 über 430.000 Kassetten verkauft, und die Q1-Verkäufe 2025 im Vereinigten Königreich stiegen um über 200 Prozent. Der Einzelhandelsmarkt für physische Musikformate verzeichnete 2024 erstmals seit Jahrzehnten wieder Zuwächse – auch Kassetten trugen hierzu bei. Wichtige Player reagieren: Hersteller wie FiiO, We Are Rewind, Tascam und Marantz bringen neue Kassettenspieler mit USB, Bluetooth und erstklassigem Analogsound auf den Markt.
Darüber hinaus nutzen Labels den Trend, um limitierte Kassetten-Editionen zu veröffentlichen – oft im Bundling mit exklusiven Inhalten oder Merchandise – und bieten so ein haptisches Markenerlebnis jenseits des Streaming‑Mainstreams. Für Unternehmen eröffnet sich daraus eine attraktive Diversifikationsmöglichkeit: Ob im Handel mit spezialisierten Retro-Playern, als Merchandising-Upsell oder in der Kooperation mit Indie-Labels – Kassetten schaffen emotionale Kundenbindung durch physischen Mehrwert und Exklusivität. In Kombination mit dem anhaltenden Retro-Revival und dem Wunsch nach Authentizität bieten analoge Formate nicht nur ein Trendprodukt, sondern eine strategische Hebelwirkung für Marken, die erlebnisreiche und greifbare Inhalte schaffen wollen – eine echte Chance im Zeitalter digitaler Beliebigkeit.



