Politik

Finanzloch im Verkehrsetat: Länder warnen vor Baustopp

Milliarden für Straßen und Schienen sind zwar eingeplant, doch sie reichen nicht aus. Länder und Bauindustrie schlagen Alarm, weil wichtige Projekte stocken könnten. Der Streit zwischen Finanz- und Verkehrsminister zeigt, wie brüchig die Planungen sind – und wie schnell der Verkehr in Deutschland ins Chaos kippen könnte.
18.09.2025 17:13
Lesezeit: 4 min
Finanzloch im Verkehrsetat: Länder warnen vor Baustopp
Arbeiter gehen auf der Baustelle der Saalebrücke an der Vorlandbrücke vorbei. Die Arbeiten für den Lückenschluss der Autobahn A 143 Westumfahrung Halle laufen seit Ende 2019. (Foto: dpa) Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Milliarden-Finanzlücke für Autobahnen: Länder alarmiert

Der Bundestag hat den Haushalt für das laufende Jahr beschlossen. Der Etat 2025 sieht Ausgaben von rund 502,5 Milliarden Euro vor, in Kernhaushalt und Sondertöpfen zusammen sind Kredite von mehr als 140 Milliarden Euro eingeplant. Besonders ist, dass der Etat nur noch drei Monate gilt. Nach dem Bruch der Ampelkoalition und der vorgezogenen Neuwahl arbeitete die Bundesregierung seit Jahresbeginn mit einer vorläufigen Haushaltsführung. Schon bald sollen die Beratungen für den Haushalt 2026 beginnen, der noch vor Weihnachten beschlossen werden soll. Hier gibt es gerade im Bereich Verkehr es Kritik. Denn laut Bundesverkehrsministerium fehlen in den kommenden Jahren trotz des Sondervermögens Milliarden.

Verzögerte Bauprojekte befürchtet

Verzögern sich Neu- und Ausbauprojekte bei Autobahnen und Bundesstraßen wegen Finanzproblemen des Bundes? Das Bundesverkehrsministerium erkennt Milliardenlücken in den kommenden Jahren. Die Länder sind besorgt: Sie fürchten womöglich sogar Stillstand bei Fernstraßen, Schienenwegen und Wasserstraßen. Bei einer Konferenz in München drängten die Länder-Verkehrsminister die Bundesregierung, eine auskömmliche Finanzierung für Ausbau, Erhalt und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes zu sichern.

Eine Sprecherin von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sagte, das Defizit des Ressorts für Bundesfernstraßen liege für den Zeitraum 2026 bis 2029 bei rund 15 Milliarden Euro. Staatssekretär Stefan Schnorr betonte nach der Verkehrsministerkonferenz, es gehe darum, dass geplante Baumaßnahmen nicht beginnen oder Aufträge nicht erteilt werden können – es gehe aber nicht um einen Baustopp.

Finanzminister verweist Verantwortung an Schnieder

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sieht die Verantwortung dafür nicht bei sich, sondern beim Verkehrsminister. Die schwarz-rote Bundesregierung nehme so viele Milliarden in die Hand wie nie zuvor, betonte der Vizekanzler. Für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur gebe es in dieser Legislaturperiode 166 Milliarden Euro. "Damit hat der Verkehrsminister jetzt wirklich die Chance, richtig zu klotzen und das Land zu verändern", sagte Klingbeil.

In keinen Bereich investiert die Bundesregierung mehr als in den Verkehr. Die Verantwortung, wie das Geld eingesetzt werde, trage nun aber Schnieder selbst, sagte Klingbeil. Er müsse jetzt dafür sorgen, dass das Geld schnell fließe. "Die 166 Milliarden in dieser Legislatur zu verbauen, das ist wirklich eine Herkulesaufgabe." Zuletzt hatte es häufig das Problem gegeben, dass bewilligte Mittel gar nicht vollständig ausgegeben wurden.

In diesem Jahr hat Schnieder laut Finanzministerium 33,4 Milliarden Euro aus Kernhaushalt und Sondertöpfen für Investitionen zur Verfügung, davon 10 Milliarden für Bundesfernstraßen. Das seien allein bei den Straßen 1,5 Milliarden mehr als im Vorjahr. In den kommenden Jahren werde dieser Wert gehalten. Nun müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und vorrangige Projekte festgelegt werden.

Autobahnprojekte werden kostspieliger

Das Verkehrsministerium sieht dennoch allein bei Projekten des Aus- und Neubaus von Autobahnen einen Mehrbedarf bis 2029 von 5,5 Milliarden Euro. Diese Zahl geht auch aus einem Bericht an den Verkehrsausschuss des Bundestags hervor: Es geht um einen neuen "Finanzierungs- und Realisierungsplan" 2025-2029 der Autobahn GmbH des Bundes. Als Grund wird insbesondere die starke Baupreisentwicklung in den vergangenen Jahren genannt.

Die Kernaussage in dem Papier: Baufreigaben für insgesamt 74 Projekte, für die bis 2029 "bestandskräftiges Baurecht" erwartet wird, seien nur möglich, wenn das Budget der kommenden Jahre erhöht werde. Konkret bedeutet das: Selbst wenn ein Projekt genehmigt ist, rollen die Bagger nicht – weil laut Ministerium Geld fehlt. Der Bundeshaushalt 2026 wird kommende Woche erstmals im Bundestag beraten und soll Ende November verabschiedet werden.

Die Projekte befinden sich derzeit in einem unterschiedlichen Stadium, von einem "Vorentwurf in Aufstellung" über "in der Planfeststellung" bis zu "planfestgestellt". Für alle wird jedoch bis 2029 Baurecht erwartet. Die Länder forderten den Bund auf: "Baureife Projekte sind zeitnah umzusetzen."

Es geht um Projekte in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Hamburg, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz – und konkret zum Beispiel um die A20 im Norden, die A1 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz oder die A39 in Niedersachsen.

Länder verlangen Klarheit

Verschiedene Politiker aus den Ländern kritisierten den Bund. "Der Bundesverkehrsminister sollte schleunigst für Klarheit in seiner Planung sorgen", sagte etwa Niedersachsens Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) forderte eine Investitionsoffensive für den Verkehr. Ansonsten drohe Deutschland in den kommenden Jahren ein Verkehrskollaps. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte, wenn es nach langwierigen Verfahren endlich Baurecht gebe und auch vor Ort Einigkeit herrsche, sei es schlicht nicht vermittelbar, plötzlich auf die Bremse zu treten.

Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sagte: "Verschobene oder gar gestrichene Bauprojekte heißt für die Bürgerinnen und Bürger: kaputte Brücken und Straßen, Sperrungen, Umleitungen, Stau."

Sondervermögen: Erhalt vor Neubau?

Teile der Investitionsmittel kommen aus einem Sondertopf, den der Bundestag am Donnerstag einsetzte. Für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz sollen in den nächsten zwölf Jahren Schulden von 500 Milliarden Euro aufgenommen werden. Davon gehen 100 Milliarden an die Länder und 100 Milliarden an den Klima- und Transformationsfonds für Klimaschutzausgaben. Auf Bundesebene soll ein großer Teil des Geldes in die Verkehrsinfrastruktur fließen. Dabei geht es aber vorrangig um Sanierung. Das Prinzip: "Erhalt vor Neubau".

Kritik an "Verschiebebahnhof"

Die Länder forderten den Bund auf, sicherzustellen, dass die Mittel des Sondertopfes zusätzlich bereitstehen – und die Haushaltsmittel des Ministeriums an sich nicht gekürzt werden. Seit längerem gibt es etwa von den Grünen im Bundestag Kritik vor allem an Klingbeil wegen "Verschiebebahnhöfen": Gelder aus dem Kernhaushalt würden ins Sondervermögen verschoben – mit den frei gewordenen Mitteln im Kernhaushalt finanziere die schwarz-rote Koalition teure Wahlgeschenke wie die Ausweitung der Mütterrente oder steuerliche Entlastungen für die Gastronomie.

Auch Bahnprojekte in Gefahr

Auch die Bahn erhält aus dem Sondervermögen viele zusätzliche Milliarden für die Sanierung des maroden Bestandsnetzes – für Neu- und Ausbauprojekte jedoch steht in den kommenden Jahren laut Ministerium nicht ausreichend Geld zur Verfügung. Bereits Mitte August hatte ein Sprecher Schnieders erklärt: "Natürlich dürfen wir den gesetzlich beschlossenen und aus verkehrlicher Sicht absolut notwendigen Neu- und Ausbau nicht aus den Augen verlieren." Mit Blick auf die kommenden Haushaltsjahre bestehe Nachbesserungsbedarf. Verzögerungen drohen etwa bei der geplanten neuen Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte der "Augsburger Allgemeinen", der Verkehrsetat müsse deutlich erhöht werden. Der CSU-Chef sorgt sich insbesondere um eine Neubaustrecke zwischen Bayern und Baden-Württemberg. "Die Strecke Augsburg - Ulm ist für den ganzen Süden Deutschlands von großer Bedeutung."

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