Deutschland

Meeresfische ohne Salzwasser: Steuerzahler muss Fischzucht-Desaster in Völklingen bezahlen

Die Stadt Völklingen schreibt rote Zahlen mit einer Fischzucht-Anlage. Die Verluste muss der Steuerzahler zahlen. Nach außen stellt die Kommune das Projekt als wirtschaftlichen Erfolg dar. Doch in Wirklichkeit ist es eine Fehlinvestition. Die Stadt verweigert außerdem jede Transparenz über die wahre Größenordnung des Desasters.
06.05.2014 00:29
Lesezeit: 2 min

In der Stadt Völklingen werden Meeresfische gezüchtet. Das ist schon erstaunlich genug. Noch bemerkenswerter ist jedoch die Tatsache, dass der von der Kommune betriebene Betrieb massive Verluste erwirtschaftet - die dem Steuerzahler aufgeladen werden.

Die Gewerbeansiedlungsgesellschaft Völklingen (GAV) sollte mit der deutschlandweit einzigartigen Geschäftsidee einer Meeresfischzuchtanlage zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Gewerbestandortes Völklingen im Saarland beitragen. 2007 hat die Stadt das ehemalige Kokerei-Gelände übernommen und im April 2009 mit den Baumaßnahmen für eine Meeresfischzuchtanlage begonnen.

Der Bau auf dem sanierungsbedürftigen Gelände in Fürstenhausen sollte mit Hilfe der GAV eine innovative und nachhaltige Standortentwicklung aufzeigen. Die Sanierung des Geländes erfolgte im Auftrag der Deutschen Steinkohle AG (DSK) durch die Montan-Grundstücksgesellschaft mbH (MGG) sowie ihrem Regionalbüro SaarProjekt.

Das Projekt ist weltweit die erste Salzwasser-Kreislaufanlage ohne Zugang zu natürlichem Meerwasser, welches für den kommerziellen Betrieb im Binnenland entwickelt wurde.

Aus dem aktuellen Bericht des Deutschen Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler e. V. (DSI) „Staat vor Privat? Risiken kommunaler Wirtschaftstätigkeit“ geht allerdings hervor, dass die Stadt ein Verlustgeschäft finanziert. Die Diplom-Volkswirtin und Verfasserin des DSI-Berichts Karolin Herrmann sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

„Seit Projektbeginn hat die Meeresfischzucht rote Zahlen geschrieben. Die Investitionssumme ist seit 2007 immer weiter gestiegen, heute liegt sie nachrichtlich bei mehr 20 Millionen Euro. Der bereits Ende 2013 angekündigte Verkauf von 60 Prozent der Meeresfischzucht-Anteile zieht sich hin.“

Die Meeresfischzucht Völklingen steckt bis zum Hals in den roten Zahlen. Sie hat bislang noch keinen Gewinn erwirtschaftet. Im Jahr 2011 lag das Negativergebnis der Meeresfischzucht Völklingen GmbH bei 541.821,68 Euro (Bundesanzeiger). Bereits Ende letzten Jahres wurde angekündigt, dass ein Großteil der Anteile an der Meeresfischzucht verkauft werden soll. Potenzielle Interessenten sind nachrichtlich der Anlagenbauer Neomar, die sächsische SAWA GmbH und die Schweizer Ocean Swiss Alpine Seafood AG. Seit 16. April diesen Jahres wird erstmals Meeresfisch verkauft. Ob (und wann) sich das Geschäft jemals rentiert, steht in den Sternen.“

„Diese Transparenzdefizite sind vor allem deswegen zu kritisieren, weil sich die Stadt Völklingen nicht an selbst gesteckte Maßstäbe hält. Ende 2011 hat die Stadt einen ‚Kodex für Kontrolle und Transparenz‘ aufgelegt, der die Informationsdefizite bei den mittelbaren und unmittelbaren Unternehmen beheben sollte.“

„Wie viele saarländische Kommunen befindet sich auch die Stadt Völklingen in einer prekären Haushaltssituation. Zum Jahresende wird jeder Bürger mit mehr als 3.000 Euro verschuldet sein. Vor diesem Hintergrund ist nicht akzeptabel, dass sich die Stadt in einem so riskanten Geschäft wie der jahresunabhängigen Meeresfischzucht engagiert. Auf diesem Gebiet sind weltweit noch keine Erfahrungen gesammelt worden.“

Doch wie DSI aufdeckt, ist eine solche staatliche Einflussnahme in die Wirtschaft kein Einzelfall. So zeigt das Institut weitere Beispiele für kurios anmutende wirtschaftliche Aktivitäten von Kommunen in München, Duisburg und weiteren deutschen Städten auf. Herrmann sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

Zum jetzigen Zeitpunkt ist diese kommunale Meeresfischzuchtanlage eine Fehlinvestition. Sie steht für viele Fälle, in denen Kommunen Unternehmer spielen. In Potsdam gibt es eine kommunale Biosphäre, die schon Millionen an Steuergeld verschlungen hat. In Stuttgart gibt es ein städtisches Weingut, dass seit Jahren städtische Zuschüsse erhält.“

Generell ist der Umfang kommunaler Aktivitäten seit 2000 deutlich angestiegen. Dem Bericht nach sind 2011 die wirtschaftlichen Aktivitäten von Kommunen in Baden-Württemberg, NRW und Bayern deutschlandweit am stärksten ausgeprägt. Die höchsten Umsatzerlöse pro Einwohner erzielte ebenfalls Baden-Württemberg sowie Hessen und Sachsen.

Die Firma, die die Anlage gebaut hat, sieht die Sache etwas anders: „Die Stadt Völklingen hat Fehler in ihrer Öffentlichkeitsarbeit gemacht. Das kann man nicht bestreiten. Die Investitionen wurden zunächst viel zu niedrig angesetzt. Insgesamt sind Investitionen von mehr als 20 Millionen Euro für eine solche Produktion als normal anzusehen. Durch die Insolvenz des Bauunternehmens, das auch gleichzeitig der Investor für dieses Vorhaben war, hat sich die Bauzeit für die Investitionen verlängert. Das ist Fakt.

Der Abverkauf der Fische ist sehr erfolgreich angelaufen, und die Betreiber gehen heute sehr transparent und öffentlich mit dem Erfolg der Anlage um. Die Anlage in Völklingen hat bis heute keine Subventionen erhalten“, so der Anlagenbauer in einer Stellungnahme.

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