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Forscher entdecken Bazillen, die Antiobiotika wieder wirksam machen

Britische und chinesische Wissenschaftler haben einen großen Erfolg im Kampf gegen Antibiotika-Resistenz verbucht. Laut WHO wächst weltweit die Gefahr durch immer stärkere Keime ohne Gegenmittel. Dadurch können einfache Krankheiten lebensbedrohlich werden.
09.07.2014 02:29
Lesezeit: 3 min

Weltweit läuft die Suche nach Gegenmitteln für alle möglichen Keime. Das Problem liegt auf der Hand: Viele Bakterien sind inzwischen resistent gegen die üblichen Versionen von Antibiotika. Ein Forschungsergebnis der University of East Anglia, im Nordosten von London, bietet eine mögliche Lösung an. Welche Bedeutung ein solches Mittel gegen antibiotikaresistente Bakterien haben kann, zeigt auch die WHO und macht mobil, denn die Bedrohung ist aktueller denn je.

Das Forschungsprojekt wurde von der gemeinnützigen Treuhand „Wellcome Trust“ finanziert. Deren erklärtes Ziel ist es „die Forschung zu fördern, um die Gesundheit von Mensch und Tier zu verbessern“. Pro Jahr investiert der britische Wellcome Trust über 500 Millionen Euro in biomedizinische Projekte. Eines davon war jetzt die Zusammenarbeit von zwei englischen und einem chinesischen Wissenschaftler, die für die Entdeckung verantwortlich sind.

Konkret wurde eine neue Methode erforscht, wie antibiotikaresistente Bakterien bekämpft werden können. Während üblicherweise das Bakterium selbst attackiert wurde, steht jetzt eine völlig neue Option zu Wahl. Die Außenhülle der Bakterien wird mit der entwickelten Taktik geschwächt und damit die Lebenserwartung des Bakteriums deutlich reduziert. Ist erst einmal die schützende Schickt entfernt, benötigt es kein herkömmliches Antibiotika mehr – der tödliche Keim stirbt von alleine.

Entscheidend bei der Entdeckung war, dass die Forscher sich auf den Schutzmechanismus der Bakterien konzentriert haben. Bislang sind handelsübliche Antibiotika immer seltener effektiv, weil die Bakterien einen Weg gefunden haben, das Heilmittel vor dem Eindringen in die Zelle zu stoppen. Dabei handelt es sich um auf Fett basierende äußere Membranen. Diese wirken quasi als Stoppschild für Antibiotika, so dass das Bakterium sich ungehemmt vermehren kann.

Schraubt man dieses Stoppschild aber ab, ist das genauso gefährlich für die Zelle, wie für einen Autofahrer an einer Kreuzung. Im Inneren der Bakterien wird der Verkehr deshalb jetzt von den Wissenschaftlern gelenkt. Somit erhalten sie wiederum Kontrolle über die Krankheiten. Dabei wurden der Weg und das Tor entdeckt, über den die gefährlichen Bakterien die Stoppschilder aufbauen. Mit Hilfe der neuen Entdeckung können die Tore geschlossen und dadurch das Bakterium daran gehindert werden, neue Stoppschilder aufzubauen. Kann das Bakterium nicht mehr auf diesen Schutzmechanismus zugreifen, stirbt es.

Warum diese Forschung so extrem wichtig ist, zeigt der diesjährige Bericht der WHO. Dabei steht an oberster Stelle, die hohe Immunität von häufigen Bakterien. Dabei geht es nicht nur um Seuchen wie Ebola. Vielmehr sind sogar einfachste Bakterien inzwischen derart clever und können ihre Schutzschilde aufbauen, wenn Antibiotika im Anmarsch ist. Laut WHO sind insbesondere Infektionskrankheiten weit ausgebreitet, weil die Bakterien inzwischen sehr widerstandsfähig sind.

In vielen Teilen der Erde hat die antibakterielle Resistenz (ABR) nach Aussage der Weltgesundheitsorganisation alarmierend hohe Messwerte erreicht. Es sei deshalb dringend essentiell nach Lösungen zu suchen, um die Lücke zwischen funktionierendem Antibiotika und ABR zu schließen. Hoffentlich kann die vorgestellte Methode tatsächlich auch flächendeckend umgesetzt werden. Umso schöner wäre es, wenn es sich dabei wirklich um eine Art Allheilmittel handeln würde. Könnten sehr viele Bakterien mit diesem Wirkstoff ausgeschaltet werden, ergäbe sich bestimmt auch ein besserer Preis, um das Mittel weit verbreiten zu können.

Doch das wird wohl wieder das Nadelöhr sein, durch das die Medizin hindurch muss. Wenn die Wunderwaffe im Kampf gegen gefährliche Krankheitserreger sehr effektiv ist, lässt sich damit auch extrem viel Geld verdienen. Pharmakonzerne werden sich also schon das Lätzchen umgehängt und wässrige Münder haben. Wie aufwändig dieses Gegenmittel herzustellen ist, wurde bislang noch nicht bekannt gegeben. Vor allem wird fraglich sein, ob große Mengen des Heilstoffs bis nach Afrika kommen werden. Nur allzu frisch sind die Aussagen von George W. Bush bezüglich AIDS in Erinnerung. So könne man Heilmittel nicht zum Selbstkostenpreis in Afrika produzieren lassen, weil dies gegen die Prinzipien der freien Weltwirtschaft verstieße.

Nun kommt das Thema Antibiotikaresistenz aber nicht von ungefähr. Massentierhaltung ist sicherlich eines der internationalen Zugpferde, wenn es darum geht Antibiotika in den Umlauf zu bringen. Was sich letztlich im menschlichen Körper als letztem Glied in der Nahrungskette alles ansammelt, hat entsprechende Auswirkung. Da ist es natürlich kein Wunder, dass Tiere und Menschen, die konstant und ungefragt mit Antibiotika versorgt werden ein ideales Trainingslager für Bakterien sind.

Früher wurde Antibiotika nur verabreicht, wenn der Mensch es dringend benötigte. Heutzutage ist ein ständiger Pegel dieses Wirkstoffes im Körper enthalten und wenn der Mensch dann einmal richtig krank ist, bekommt er eine intensivere Ladung verabreicht. Da ist es logischerweise kein Wunder, dass sich immer mehr Bakterien von dieser einfältigen Strategie nicht mehr beeindrucken lassen. Neue Wege braucht die Medizin und die entdeckte Variante, den Bakterien den Stecker zu ziehen, klingt auf jeden Fall vielversprechend. Sofern die Pharmakonzerne der Menschheit nicht allzu viel Felsbrocken in den Weg legen, könnte diese Hilfe wohl bald in der Praxis angewendet werden.

Offen bleibt natürlich, wie lange diese neue Taktik gegen Bazillen funktioniert. Da diese sich beständig weiterentwickeln, wird es garantiert nicht das einzig benötigte Heilmittel für die nächsten 100 Jahre darstellen. Einen Vorteil hat die Strategie allerdings, denn es handelt sich dabei nicht um eine Art Antibiotikum. Somit können die angesammelten Arzneistoffe aus Massentierhaltung weiterhin den Körper als Endlager nutzen. Wenn gleichzeitig eine funktionierende Alternative zu Antibiotika angeboten wird, wäre das belastete Fleisch nicht mehr so gefährlich für die Menschen.

Den Schlüssel zum Erfolg hat die Pharmaindustrie in der Hand. Als Endverbraucher sind einem in gewisser Weise die Hände gebunden, zumindest was die Auswahl an neuen Medikamenten angeht. Außerdem ist es noch ein weiter Weg von der Entdeckung im Labor bis zur Apotheke. Den Weg im Inneren der Bakterien können die Forscher kontrollieren und manipulieren. Jetzt fehlt nur noch der Durchbruch, um auch die Kontrolle über die Tore der Pharmalobby zu gewinnen.

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