Der Handelskrieg mit Russland könnte Ökonomen zufolge rund 0,2 Prozentpunkte des Wachstums in der Eurozone kosten. Die ING-Bank hat ausgerechnet, das die Sanktionen die EU 6,7 Milliarden Euro kosten könnten, sowie 6 Prozent der Produktion und 0,04 Prozent des BIP. Carsten Brezki von der ING-Bank sagte dem EU-Observer , es sei „sehr schwer zu berücksichtigen, ob es irgendwelche negativen Überlauf-Effekte oder positive Faktoren wie mehr Nachfrage aus anderen Ländern oder die Rückführung von Auslandsinvestitionen geben könnte“.
Vor der Finanzkrise wäre ein Verlust von 0,2 Prozent demnach dem wirtschaftlichen Gegenwert eines Wespenstichs gleichgekommen - schmerzhaft, aber nicht von Dauer.
In der momentanen Situation jedoch, in der die Wirtschaft der Eurozone flach am Boden liegt, könnten diese 0,2 Prozentpunkte den Unterschied zwischen einem zumindest mageren Wachstum und dem schlimmsten Fall einer so genannten Triple-Dip-Rezession ausmachen. Die Aussicht, dass das Wachstum nach ein, zwei Quartalen schwacher Erholung ein drittes Mal zurück in eine Rezession rutscht, macht einen Aufschwung immer unwahrscheinlicher. Insofern sind diese 0,2 Prozentpunkte von hoher politischer und psychologischer Bedeutung für den Euro-Block.
Die ING schätzt zudem, dass das Verbot auch rund 130.000 Arbeitsplätze gefährden könnte. Auch dieser Schlag käme zu einer denkbar ungünstigen Zeit, zumal die EU seit Jahren kein Rezept gegen die zu hohe Arbeitslosigkeit findet (mehr hier und hier).
Die USA, Kanada und Nowegen sind von den russischen Sanktionen weitaus weniger betroffen: Ihr Handel betrug nur einen Bruchteil der 270 Milliarden Euro an Waren und Dienstleistungen, die allein 2012 zwischen Russland und der EU ausgetauscht wurde. Die EU fällt daher durch den Handelskrieg mit Russland noch weiter hinter die USA und China zurück.
Noch deutlicher als die EU dürfte es nur Russland selbst treffen: Ausländische Investoren haben seit Jahresbeginn bereits 60 Miliarden Euro aus Russland abgezogen, dias Wirtschaftswachstum ist von 1,3 auf 0,5 Prozent geschrumpft.
Bisher sieht es dennoch danach aus, als wollten beide Parteien es darauf ankommen lassen, wer den längeren Atem hat. Spätestens nach ein paar Monaten dürften jedoch beiden Beteiligen die Puste ausgehen (mehr hier).