Finanzen

Spekulanten wechseln das Ziel: Nun geht es gegen die Commerzbank

Lesezeit: 3 min
07.10.2016 01:08
Der britische Hedgefonds Marshall Wace wettet Millionen auf einen weiteren Verfall des Aktienkurses der Commerzbank. Einiges deutet darauf hin, dass der Vorfall ein neuer Akt in einem unerklärten Wirtschaftskrieg gegen Deutschland und Europa sein könnte.
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Zwei führende Hedgefonds haben ihre Spekulationsgeschäfte auf einen fallenden Kurs der Deutschen Bank zurückgefahren. Der britische Fonds Marshall Wace meldete zuletzt eine Leerverkaufsposition von 0,88 Prozent der Deutsche-Bank-Aktien. Ursprünglich waren es 1,03 Prozent. Discovery Capital Management aus den USA reduzierte die Wetten gegen Deutschlands größtes Geldhaus auf 0,1 Prozent nach einem Höchststand von 0,61 Prozent. Beide begannen im Verlauf der vergangenen Woche mit der Auflösung ihrer Positionen, was auf wachsendes Vertrauen in das Institut hindeuten könnte. Die Hedgefonds wollten sich zu ihren Beweggründen nicht äußern.

Daten des Markit-Instituts zufolge könnte das Vorgehen der Fonds, die stark gegen die Deutsche Bank gewettet hatten, einen Trend in der Branche widerspiegeln. So sanken die Leerverkaufspositionen am Mittwoch insgesamt auf 5,34 Prozent der Deutsche-Bank-Aktien nach einem Höchststand von 6,39 Prozent am Dienstag. Bei Leerverkäufen leihen sich Investoren Aktien und verkaufen sie sofort. Sie hoffen, die Papiere bis zum Rückgabetermin billiger zurückkaufen und die Differenz als Gewinn einstreichen zu können.

Nach dem Rückzug gegen die Deutsche Bank hat sich Marshall Wace die Commerzbank als Ziel seiner Spekulationen auf fallende Aktienkurse ausgesucht, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Am Mittwoch meldete der Fonds eine Leerverkaufsposition von 0,72 Prozent der Commerzbank-Aktien, wie aus einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger hervorgeht. Das entspricht einem Wert von 52 Millionen Euro und etwa 9 Millionen Commerzbank-Aktien. Der Preis, zu dem die Aktien gekauft wurden, ist nicht bekannt. Am Dienstag betrug die Leerverkaufsposition des Hedgefonds Reuters zufolge noch 0,63 Prozent.

Deutschlands zweitgrößte Bank hatte in der vergangenen Woche ihre Strategie vorgestellt, die zu einem Abbau von bis zu 9600 Stellen führen wird. Zuletzt hatte Marshall Wace 2013 gegen steigende Kurse bei der Commerzbank gewettet.

Mit Leerverkäufen von Deutsche-Bank-Aktien hatte Marshall Wace bereits in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht. Am Mittwoch lag die Position bei 0,88 Prozent des Kapitals der Deutschen Bank. Noch größer ist die Wette von Marshall Wace auf einen Kursverfall der Lufthansa -Aktie: Hier lag die Leerverkaufs-Position am Mittwoch bei 3,12 Prozent der Lufthansa-Papiere.

Seit Jahresbeginn haben die Papiere der Commerzbank etwa 42 Prozent ihres Wertes verloren. Am Donnerstag verbilligten sie sich um etwa 0,3 Prozent.

Leerverkäufe sind Termingeschäfte. Bei diesen verkauft beispielsweise ein Hedgefonds Wertpapiere wie Aktien, welche sich nicht in seinem Besitz befinden. Dies geschieht mit der Absicht, sie später billiger erwerben zu können und an der Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis zu verdienen. Um seine künftige Lieferverpflichtung also erfüllen zu können, muss der Hedgefonds bis zum Erfüllungszeitpunkt die Aktien kaufen.

Im Fall der Commerzbank sowie der Deutschen Bank bergen die Aktivitäten des Hedgefonds eine erhebliche Gefahr, weil sie den ohnehin niedrigen Aktienkurs der Banken noch weiter unter Druck bringen und die am Markt bestehende Skepsis hinsichtlich der Liquiditätsausstattung der Geldinstitute verstärken. Die Deutsche Bank hatte erst in der vergangenen Woche solche Spekulationsangriffe mit Mühe abwehren können.

Bemerkenswert ist, dass die Attacken gegen die beiden größten deutschen Banken – Leerverkäufe der Hedgefonds sowie die Strafandrohung durch das US-Justizministerium – aus der der angelsächsischen Finanzindustrie kommen. „Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen“, urteilte Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London nach Bekanntwerden der Strafforderung.

„Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist dies verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend“, sagte der Analyst Neil Wilson vom Brokerhaus ETX Capital damals. Selbst ein Drittel der angedrohten Strafe von 14 Milliarden Dollar wäre eine schwere Last für eine Firma mit einem Börsenwert von rund 18 Milliarden Euro. „Gigantische Forderungen unterminieren Banken, drohen einige der am meisten globalisierten, systemrelevanten Institute zu destabilisieren, just als ein Cocktail neuer Regulierungen und ultra-niedriger Zinsen die Ertragskraft zerstören. Es gibt Spekulationen um eine neue Ära der ‚Auge-um-Auge‘-Handelskriege. Die Deutsche Bank könnte der Prügelknabe für den Angriff der EU-Kommission auf Apple sein“, sagte Wilson.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat es auch bei der IWF-Jahrestagung abgelehnt, sich zur Deutschen Bank und den Turbulenzen um das Haus zu äußern. Auf die Frage in einer Podiumsdiskussion des Fernsehsenders CNN am Donnertag in Washington, ob er darauf vorbereitet sei, gegebenenfalls die Deutsche Bank staatlich zu retten, sagte er lediglich nur, er sei überrascht von dieser Frage. Von ihm sei dazu nichts zu hören. Er überlasse es im übrigen lieber dem Internationalem Währungsfonds (IWF), sich zu den deutschen Banken zu äußern, ergänzte er mit offenkundigem Sarkasmus.

Am Mittwoch hatte ein hochrangiger IWF-Experte auf eine Journalistenfrage hin erklärt, die Deutsche Bank gehöre zu den Instituten, die sich den veränderten Rahmenbedingungen weiter anpassen und die ihre Investoren überzeugen müssten, dass ihr Geschäftsmodell zukunftsträchtig ist. Wegen dieser Anmerkung hatte sich Schäuble beim IWF beschwert, wie das Handelsblatt berichtete. Ein IWF-Vertreter spielte dies allerdings herunter und sagte: "Das kann ich nicht verstehen". Er sprach von einem "Sturm im Wasserglas". Der Fonds müsse sich im Übrigen immer wieder Kritik von vielerlei Seiten gefallen lassen.

IWF-Chefin Christine Lagarde hatte zuvor erklärt, im jüngsten globalen Finanzstabilitätsbericht des Fonds sei die Deutsche Bank mit keinem Wort erwähnt.


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