Gemischtes

Zentralrat: „Feindseligkeiten gegen Muslime nehmen zu“

Lesezeit: 2 min
13.07.2015 09:05
Der Zentralrat der Muslime sieht eine steigende Zahl an Bedrohungen und Feindseligkeiten gegen Muslime in Deutschland. Als Ursache sieht er eine gefährliche Unbekümmertheit der Medien beim Transport von Klischees und Verdächtigungen.
Zentralrat: „Feindseligkeiten gegen Muslime nehmen zu“

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sieht eine gefährliche Tendenz in Deutschland: Durch den ständig hergestellten Zusammenhang von Terrorismus und Muslimen befinden sich die Muslime in Deutschland unter einem Generalverdacht, der sich immer stärker auf das Leben der Muslime auswirke.

Mazyek sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Es ist üblich geworden so zu tun, als gäbe es nur ein Motiv für Terror, nämlich den Islam. Das geht so weit, dass ein Täter, wie jener in Frankreich, ausdrücklich sagt, er habe nicht aus religiösen Motiven gehandelt. Doch selbst in der Negation bliebt der Eindruck hängen, dass der islamische Glaube der Grund für eine Straftat sein könnte.“ Mazyek kritisiert in diesem Zusammenhang eine „Unbekümmertheit in den Medien“, die sich der Folgen der Kurzschlüsse oft nicht bewusst sei: „Es gibt viele Fahrlässigkeiten, und das ist gefährlich. Denn am Ende gibt es dann die nächste Eskalation. Die Zahlen von rechtsextremer Gewalt sprechen eine eindeutige Sprache.“

Mazyek fordert höchste Disziplin im Detail: „Wir haben uns angewöhnt, vom Islamischen Staat zu sprechen. Man müsste das mindestens unter Anführungszeichen setzen, oder vom ,sogenannten Islamischen Staat‘ berichten. Sonst verfestigt sich in den Köpfen die Gleichsetzung von Islam und Terror.“

Diese Gleichsetzung bekommen die Muslime in Deutschland mittlerweile ganz klar zu spüren. Mazyek: „Neunzig Prozent der Muslime fahren, wenn sie sich entscheiden müssen, mit dem Auto und nicht mit der U-Bahn. Man hat Angst vor unangenehmen Begegnungen in der Öffentlichkeit. Zum einen ist man selber empfindlicher geworden. Man sieht einen Blick heute als feindselig an, bei dem man früher gedacht hat: Der andere hat eben schlechte Laune. Die allgemeine Stimmung beeinflusst das Denken des einzelnen. Aber wir erleben heute ganz deutlich eine Zunahme an Feindseligkeiten und Bedrohungen. Es ist heute für eine junge Frau ein Problem, sich einfach mit Kopftuch auf der Straße zu zeigen. Sie muss damit rechnen, angepöbelt zu werden. Ich habe das selbst auch schon mehrfach erlebt. Neulich wurde ich nach einem Fernsehauftritt auf der Straße von einem Mann angesprochen. Er sagte: ,Endlich habe ich dich einmal von mir!‘ Wir Muslime haben gelernt, sehr vorsichtig zu sein und leben in einem Zustand großer Besorgnis. Es gibt Übergriffe, Anfeindungen und Boshaftigkeit. Auch die Zahl der Handgreiflichkeiten nimmt zu.“

Mazyek sieht auch ein Problem darin, dass es nach den Anschlägen gegen das Magazin Charlie Hebdo für viele Medien zu einer Art Mutprobe geworden ist, um gegen den Islam zu pöbeln: „Viele haben gesagt: Macht doch jetzt erst recht den Islam lächerlich! Das verstehe ich nicht, denn es sollte ja nicht darum gehen, eine Religion lächerlich zu machen. Sinnvoll wäre es, die Terroristen lächerlich zu machen. Über sie kann es gar nicht genug Karikaturen geben. Es müssen jene bestraft werden, die wirklich Täter sind. Und nicht die, die einer Religion angehören, auf die sich die Täter zu Unrecht berufen.“

Mazyek sieht ein besonderes Problem beim „nicht aufgeklärten Publikum“. Die aktuelle Diskussion über die möglichen „Schläfer“ hat diese Tendenz verschärft. Wenn die Berichterstattung über die Schläfer nicht sehr präzise erfolgt, „kann im Grunde jeder Muslim und jede Muslima verdächtigt werden“.

Mazyek: „Viele Leute können nicht differenzieren. Sie glauben die einfachen Klischees, die in den geliefert werden. Die Medien haben hier eine riesengroße Verantwortung. Ich sehe eine Tendenz, immer noch eine Schippe drauflegen zu wollen. So werden Feindbilder aufgebaut, auch wenn man das vielleicht gar nicht will. Rechtsextreme und Trittbrettfahrer sehen sich dann in ihren Vorurteilen bestärkt. Das geht bis in die Mitte der Gesellschaft. Genau hier entsteht jene allgemeine Stimmung, in der dann wir Muslime uns dann in der Gesellschaft isoliert fühlen. Die Medien sollten darauf hinweisen, dass aus Sicht des Islam es keine religiösen Motive für ein Verbrechen geben darf. Es gibt fanatische Motive. Das ist ein entscheidender Unterschied.“


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Immobilien
Immobilien Gesundheitsimmobilien: Investmentmarkt stolpert – wie sieht die Pipeline weiter aus?
07.05.2024

Nach robustem Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren herrschte auf dem Investmentmarkt für Pflegeheime, Seniorenimmobilien und...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
07.05.2024

In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Menge sichergestellten Kokains im Hamburger Hafen verdreifacht
06.05.2024

Im Hamburger Hafen werden alle nur erdenklichen Waren umgeschlagen - auch Drogen. Immer mehr Kokain findet durch das Tor zur Welt seinen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Der internationale Handel und Kriege im Fokus bei Xi-Besuch in Frankreich
06.05.2024

Auf gute Stimmung machen in Europa: Chinas Staatspräsident Xi besucht seit fünf Jahren mal wieder Frankreich und lächelt, als ihn...

DWN
Politik
Politik Neues Gesicht in der CDU: Helmut Kohl-Enkel will in Bundesvorstand gewählt werden
06.05.2024

Die Kinder von Helmut Kohl haben auf eine Karriere in der Politik verzichtet. Jetzt versucht der Enkel des früheren Bundeskanzlers,...

DWN
Politik
Politik Friedrich Merz bleibt Parteichef: CDU zur sofortigen Regierungsübernahme bereit
06.05.2024

Die CDU trifft sich zum dreitägigen Bundesparteitag in Berlin. Es geht um die Verabschiedung des neuen Parteiprogramms der Union und auch...

DWN
Politik
Politik Scholz zu Besuch in Litauen: „Jeden Zentimeter ihres Territoriums verteidigen"
06.05.2024

Mit der anlaufenden Stationierung einer gefechtsbereiten Brigade an der Nato-Ostflanke geht Deutschland im Bündnis voran. Der...

DWN
Politik
Politik Über Fidschi nach Down under: Annalena Baerbock an der Frontlinie der Klimakrise
06.05.2024

Sie zählen zu den kleinsten Klimasündern, haben aber am stärksten unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden. Baerbock ist um die...