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Offshore-Leaks: Die Hexenjagd gegen private Vermögen ist eröffnet

Lesezeit: 5 min
05.04.2013 03:34
Die Enthüllungen über die Offshore-Firmen sind im Einzelfall brillant. Ihre Inszenierung als Massen-Phänomen ist jedoch gefährlich: Es entsteht der Eindruck, als sei jeder Bürger im Kern ein Krimineller. Die Fiktion vom guten, starken Staat ist der Humus, aus dem ein totalitäres System entstehen kann. Wolfgang Schäuble klappert schon mit den Handschellen gegen Unbekannt.
Offshore-Leaks: Die Hexenjagd gegen private Vermögen ist eröffnet

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Staatssekretär will FBI für Steuersünder

Das französische Online-Portal Mediapart enthüllte zu Weihnachten im Jahr 2012, dass der französische Budgetminister Cahuzac Konten bei einer Schweizer Bank führt, um Steuern zu hinterziehen (hier).

Diese Enthüllung war eine Meisterleistung. Sie deckte etwas auf und machte klar, dass hinter dem aufgedeckten Tatbestand eine kriminelle Absicht – Steuerhinterziehung – stand.

Die Monster-Enthüllung, die vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in Zusammenarbeit mit zahlreichen Medien am Donnerstag publik gemacht wurde, ist etwas anderes.

Zwar werden in den Dokumenten, die auf der Website des ICIJ einige spektakuläre Fälle enttarnt: Sie bringen mehr Licht ins Dunkel der russischen Magnitsky-Affäre. Sie zeigen, wie der Präsident von Aserbaidschan Steuergelder seines Landes beiseite geschafft hat. Sie dokumentieren die Bereicherung von Diktatoren und ihrer Günstlinge in Indonesien und auf den Philippinen. Sie zeigen den Steuerbetrug eines kanadischen Anwalts und der mit ihm verheirateten Politikerin.

Jeder dieser Fälle ist wert, aufgeklärt zu werden. Und es ist ein großes Verdienst der Journalisten, hier mitgewirkt zu haben.

Und doch ist die Massen-Veröffentlichung eine höchst problematische Sache.

Da ist das Problem der Methodologie: Es wurden 260 Gigabyte Daten analysiert, die sich auf mehr als 120.000 Offshore-Firmen bezogen. Die beteiligten Datenjournalisten geben an, dass Zusammenhänge nur mithilfe einer Software möglich waren. Die im Datenjournalismus übliche Software zeigt in der Regel Netzwerk-Effekte auf. Sie ist also eine Art Meta-Suche. Die Netzwerk-Effekte sind interessant, liefern aber noch keine Interpretation.

Die simple Ideologie „Jagd die Reichen, dann haben wir keine Probleme mehr!“ kann eine sachkundige und faire Interpretation nicht ersetzen.

Ein gutes Beispiel für die Fragwürdigkeit der Methode zeigt das von der „Süddeutschen Zeitung“ als prominentestes deutsches Beispiel aufgedeckte Firmengeflecht des Playboys und Industriellen-Erben Gunter Sachs. Das Netzwerk ist hier dargestellt.

An keiner Stelle ist belegt, dass Straftaten vorliegen. Stattdessen wird eine Verschwörungstheorie ausgebreitet, in der die Komplizen benannt werden – für ein Verbrechen, das keiner kennt.

Das wirkungsvollste Mittel, mit dem gearbeitet wird, ist der Generalverdacht: Unter der Rubrik „Seine Vertrauten“ steht der ehemalige Berater der Weltbank, Wolfgang Reinicke. Ihm wird zu Last gelegt:

„Wolfgang Reinicke, ein renommierter Wissenschaftler und Ex-Weltbank-Berater, war von 2000 bis 2011 der Direktor von Gunter Sachs’ Family Office Galaxar S.A., welches das Sachssche Privatvermögen verwaltet. Reinicke war als Direktor und Geschäftsführer in etlichen Offshore-Vehikeln vertreten. Er leitet mittlerweile die Berliner Denkfabrik Global Public Policy Institute.“

Es steht an keiner Stelle, was Herr Reinicke genau gemacht haben soll.

Unter der Rubrik „Seine Kinder“ steht an erster Stelle: Claus Alexander Sachs. Was hat er getan? Wenn man die Rubrik öffnet, erscheint folgende Information:

„Claus Alexander „Halifax“ Sachs, geboren 1982, ist Sachs’ zweiter Sohn mit Mirja Larsson. Er arbeitet als Fotograf.“

Das ist keine Enthüllung, das ist eine Denunziation.

Wenn Herrn Reinicke oder Claus Alexander Sachs Straftaten nachgewiesen werden können, so müssen Ross und Reiter genannt werden. Mit Dokumenten, Belegen und einer Plausibilitäts-Darstellung. Ein Minimum an journalistischer Sorgfalt wäre, dass den genannten Personen vor der Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. In der Grafik des Netzwerks ist davon nichts zu finden. Die Grafik ist keine saubere Information. Sie ist ein Pranger.

Die „Süddeutsche“ hat die Enthüllung besonders reißerisch aufgemacht.

Im Vorspann steht:

„In einer weltweiten Kooperation hat die Süddeutsche Zeitung Millionen Datenbankeinträge, Verträge, Urkunden und E-Mails aus dem Innenleben etlicher Steueroasen ausgewertet. Die Daten geben Einblick in eine geheime Welt. Sie identifizieren mehr als hunderttausend Kunden, unter ihnen Staatsoberhäupter und Waffenschmuggler, Steuerflüchtlinge und Mittelständler, Prominente und Betrüger.

Beim ICIJ steht:

„Dutzende Journalisten durchforsteten Millionen geleakte Dokumente und tausende Namen.

Eine Datensammlung von 2,5 Millionen Datensätzen hat die Geheimnisse von mehr als 120.000 Offshore-Firmen enthüllt.

Die Aufzeichnungen geben Details von Personen und Firmen in mehr als 170 Ländern und Gebieten wieder.“

Im Text der Süddeutschen steht:

130.000 Personen aus mehr als 170 Ländern werden in den Unterlagen aufgelistet. Darunter sind Oligarchen, Waffenhändler und Finanzjongleure. Auch Hunderte deutsche Treffer finden sich in den Daten; einen Überblick wird die SZ in den kommenden Tagen geben.“

Das bedeutet: Aus den „tausenden Namen“ des ICIJ werden bei der SZ 130.000 Personen. In Deutschland sollen es „Hunderte“ Treffer sein.

Hier geht es nicht mehr um die Aufklärung des Einzelfalls. Hier geht es um eine „Hexenjagd“, wie es der US-Finanzblog Zerohedge nennt.

Und hier beginnt das gesellschaftspolitische Problem der Aktion. Die „Enthüllung“ ist ein großer Erfolg für alle Freunde des „starken Staats“: Es wird der Eindruck erweckt, als bestehe eine Pflicht des einzelnen Bürgers, dem Staat jedes private Finanz-Detail offenzulegen.

Eine solche Verpflichtung existiert in einem demokratischen Rechtsstaat nicht.

Die Veröffentlichung soll ein Signal an alle Bürger sein: Ihr könnt Euch vor dem Staat nicht verstecken, wir jagen Euch überall. Das gilt für den Inhaber eines Trusts in Panama ebenso wie für den Journalisten der „Süddeutschen“, der vergisst, dem Finanzamt ein kleines Vortrags-Honorar zu melden.

Die Massen-Anklage arbeitet mit einer unzulässigen Umkehr der Beweislast: Nicht mehr der Staat muss beweisen, dass ihm Geld entgangen ist. Vermögende müssen beweisen, dass sie rechtmäßig gehandelt haben. Die Einrichtung von Offshore-Trusts ist nicht verboten. Sie ist absolut rechtmäßig, sofern die Steuern zuvor ordnungsgemäß deklariert wurden.

Es stellt sich die Frage: Wer hat den auserwählten Medien die Daten von 120.000 Offshore-Unternehmen zugespielt? Was ist, wenn es kein ehrbarer „Whistleblower“ war, sondern interessierte staatliche Stellen? Die Journalisten vom ICIJ sagen, sie werden alles tun, um ihre Quelle zu schützen.

Damit laufen sie Gefahr, eine aktuelle Tendenz zu verstärken, die für jeden Bürger sehr gefährlich ist: Der Staat reklamiert für sich das Recht, auf jedes Bank-Konto zuzugreifen. Die Zwangs-Abgabe in Zypern und ihre unmissverständliche Darstellung als Blaupause für die ganze Welt durch die EZB (hier) belegen: Der Staat meint es ernst. Er will und er wird zugreifen, wenn er Geld braucht.

Die unzulässige Umkehr der Beweislast eröffnet eine weitere, unterschwellige Dimension: Es wird insinuiert, dass jeder Bürger ein potentieller Rechtsbrecher ist und der Staat der Garant des Rechts ist. Die überfallsartige Enteignung der zypriotischen Sparer, Rentner und mittelständischer Unternehmen ist ein klarer Rechtsbruch in jeder Hinsicht. Die anhaltende Verletzung der Defizit-Grenzen aus dem Maastricht-Vertrag ist ein fortgesetzter Rechtsbruch durch die Staaten.

Das Bild vom „guten“ Staat und vom „bösen“ Bürger ist im besten Fall ein Wunschtraum. Tatsächlich ist diese Fiktion die Grundlage der Errichtung einer Diktatur. Der Ökonom Friedrich Hayek hat einmal geschrieben, dass mit der Errichtung von Kapital-Kontrollen der totalitäre Staat seinen Anfang nimmt.

In den Publikationen zur Massen-Enthüllung wird geschrieben, es sei nicht hinzunehmen, dass Bürger versuchen, ihr Vermögen vor dem Staat zu verstecken suchen. Transparenz müsse her, um Gerechtigkeit zu sichern?

Transparenz – als einseitige Verpflichtung für den Bürger?

Der europäische Rettungsschirm ESM entzieht der Euro-Zone 700 Milliarden Euro. Über ihre Verwendung entscheidet ein nicht gewähltes Direktorium, das vollständige Immunität genießt. Auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt muss niemand aus dem Direktorium der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen. Die Mitglieder agieren ausdrücklich jenseits jedweder staatlichen Jurisdiktion. Selbst die Wirtschaftsprüfer haben nur eingeschränkte Akteneinsicht.

Beim ESM geht es um 700 Milliarden Euro aus Steuergeldern - ohne Transparenz.

Claus Alexander Sachs, geboren 1982, ist Fotograf. Er soll endlich all seine Verbrechen offenlegen.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) hat bereits Einsicht in die Dokumente der Medien gefordert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Süddeutsche Zeitung bereits um deren Daten gebeten. „Wir gehen davon aus und begrüßen es, wenn nunmehr die relevanten Unterlagen an die zuständigen Steuerbehörden der Länder übermittelt werden“, zitiert Spiegel Online einen Sprecher des Ministers. Die Behörden könnten dann entsprechende Verfahren einleiten.

Es ist ein großes Verdienst der Enthüllungen des ICIJ und der angeschlossenen Medien, spektakuläre Fälle von Betrug, Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung aufgedeckt zu haben.

Die große Schwäche der Enthüllungen ist, dass sie das von der Politik geschürte Gefühl der Angst vor dem Staat verstärkt. Es ist ebenfalls ein Trugschluss zu glauben, dass die Schuldenprobleme Europas mit einer pauschalen Kriminalisierung von privatem Vermögen gelöst werden können.

Selbst wenn die Behörden dem Sachs-Sohn Claus Alexander seine letzten Unterhosen abnehmen, ist damit nichts gewonnen. Denn die globale Finanzmisere ist nicht durch den uneingeschränkten Griff der Staaten in die Taschen der Steuerzahler zu lösen, sondern mit einer effizienten Kontrolle des Staats und seinen völlig aus dem Ruder gelaufenen Schuldenpolitik.

Wohin die Reise geht, hat Simon Black auf dem Blog Sovereignman geschrieben:

Insolvente Regierungen haben in der Geschichte immer nur auf ein sehr begrenztes Repertoire von Mitteln zurückgreifen können: Kapitalkontrollen, Kontrolle von Löhnen und Gehältern, Konfiszierung von Eigentum. Es wird bald, schon sehr bald, eine Zeit kommen, da werden die Regierungen die Vermögen zur Altersvorsorge ins Visier nehmen. Die Zentralbanken werden weiter die Kaufkraft und hart erarbeiteten Ersparnisse zerstören.

Einen Teil seines Vermögens ins Ausland zu bringen ist nicht kriminell. Es ist nicht verrückt. Wenn es rechtlich sauber gemacht wird, ist es eines der klügsten Dinge, die man machen kann, um sich gegen die wirklichen Kriminellen zu schützen.



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