Das islamische Kulturzentrum Botkyrka, eine Gemeinde in Stockholm, in der vor allem von Einwanderern leben, hat sich im vergangenen Jahr an die kommunalen Behörden gewandt, und diese um Erlaubnis für die Rezitation des Adhān vor dem Freitagsgebet über die Lautsprecher im Minarett der Moschee Fittja gebeten. Nachdem die technischen Vorbereitungen abgeschlossen waren, ertönte am Freitag nun der erste Aufruf zum Gebet. Zahlreiche Muslime strömten zur Moschee, um dem Ereignis beizuwohnen. Das berichtet die türkische Zeitung Zaman.
Mehmet Görmez demnächst in Schweden zu Gast
Wie der Leiter der Moschee İsmail Okur den anwesenden Reportern mitteilte, sei man der hiesigen Gemeinde für die Annahme des Antrags sehr dankbar. Viele seiner Gemeindemitglieder hätte in der Vergangenheit genau dieser Ruf zum Gebet durch Minarett-Lautsprecher, wie er ihnen aus ihren Heimatländern vertraut war, gefehlt.
„Die erste Adhān-Aussendung wurde zu Testzwecken durchgeführt. In der kommenden Woche erwarten wir Mehmet Görmez, den Leiter des türkischen Amtes für Religiöse Angelegenheiten, in unserer Moschee, um Kutlu Doğum Haftası zu gedenken“, so Okur weiter.
Ein im vergangenen Februar einberufener Gemeinderat hatte sich einstimmig für den Antrag der Gemeinde ausgesprochen. Die Region Botkyrka ist eine vor allem von Muslimen bewohnte Gegend. Die Fittja Moschee ist die einzige Moschee in Schweden, die über ein Minarett verfügt. Viele Gläubige aus dem skandinavischen Staat waren am vergangenen Freitag nach Botkyrka gereist, um das Ereignis live mitzuverfolgen, ebenso wie die schwedischen Medien.
Premiere in Eschweiler im vergangenen Januar
In Deutschland wird der Gebetsruf aus Rücksicht auf nicht-muslimische Anwohner normalerweise nicht praktiziert. Wenn es um das Thema Moscheebau, insbesondere Minarett geht, stoßen die Gläubige hierzulande häufig auf Probleme, zumeist im Zusammenhang mit der Bau- oder Straßenverkehrsordnung bzw. dem Lärmschutz. In der Schweiz ist man noch rigider. Anders etwa in Eschweiler. Hier ertönte Mitte Januar dieses Jahres erstmals ein öffentlicher Gebetsruf. Der Entscheidungs- und Genehmigungsprozess nach Anfrage der DITIB-Gemeinde im April 2011 hatte weit über ein Jahr in Anspruch genommen. Für die Türkisch islamische Union der Anstalt für Religion e.V. ein „historisches Ereignis“.
Die akustische Präsenz einer Religion kann vor allem für Nicht-Muslime eine Provokation sein. In der Türkei wurde der Muezzin dem weltbekannten Pianisten Fazil Say zum Verhängnis: Weil er sich über Twitter ironisch über den allzu kurzen Ruf geäußert hatte, wurde Say zu zehn (!) Monaten Gefängnis verurteilt (mehr dazu - hier). Wenig später wurde das Urteil jedoch wieder aufgehoben und zur neuen Entscheidung an das Gericht zurück verwiesen (hier).
Es kann in diesem Zusammenhang von Vorteil sein, dass die Schweden bisher nicht gerade als lustiges Volk in Erscheinung getreten sind.