Politik

Migrationspolitik: Wie die Neuausrichtung an den deutschen Außengrenzen aussehen könnte

Das Thema illegale Migration und wer bei irregulärer Einreise an deutschen Landesgrenzen zurückgewiesen wird, beschäftigt die Union seit Jahren. Jetzt steht eine Bewährungsprobe bevor. Was haben die neue Bundesregierung und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt konkret geplant?
08.05.2025 07:21
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Migrationspolitik: Wie die Neuausrichtung an den deutschen Außengrenzen aussehen könnte
Beamte der Bundespolizei stehen bei der Eireisekontrolle am deutsch-polnischen Grenzübergang (Foto: dpa). Foto: Patrick Pleul

Migrationspolitik: Was versprach Friedrich Merz vor der Bundestagswahl?

Die Unionsparteien haben hohe Erwartungen hinsichtlich der Eindämmung von Migration formuliert. Daher blickt man bei den Landesbehörden und der Polizei gespannt auf eine konkrete Anweisung des neuen Bundesinnenministers Alexander Dobrindt (CSU), die den Umgang mit illegaler Migration regeln soll.

CDU-Chef Friedrich Merz kündigte an, er werde als Kanzler am ersten Amtstag das Innenministerium beauftragen, sämtliche Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und jede illegale Migration strikt zu unterbinden. Das solle auch für Schutzsuchende gelten. Er erklärte: "Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen oder die von der europäischen Freizügigkeit Gebrauch machen." Die bestehenden EU-Asylregeln seien ineffizient. "Deutschland muss daher von seinem Recht auf Vorrang des nationalen Rechts Gebrauch machen", so Merz weiter.

Im Schengen-Raum sind Grenzkontrollen zeitlich befristet möglich. Bereits unter Nancy Faeser (SPD) wurden solche Kontrollen an allen Landgrenzen eingeführt.

Was enthält der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD?

"Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen." Das heißt: Neue freiwillige Aufnahmeprogramme wie jenes für gefährdete Menschen aus Afghanistan wird es nicht mehr geben. Außerdem soll es für mindestens zwei Jahre keinen Familiennachzug für Personen mit eingeschränktem Schutzstatus geben.

Herkunftsländer von Ausreisepflichtigen sollen durch Druckmittel wie Entwicklungszusammenarbeit, Handelsbeziehungen oder Visa-Regelungen zu mehr Rücknahmebereitschaft bewegt werden – ein zentraler Aspekt der aktuellen Migrationspolitik. Im vergangenen Jahr stellten 229.751 Menschen erstmals einen Asylantrag in Deutschland – rund 100.000 weniger als im Jahr davor.

Sind Zurückweisungen ein neues Mittel?

Nein. Voraussetzung für eine Zurückweisung ist eine stationäre Grenzkontrolle. Menschen mit Wiedereinreisesperre, zum Beispiel nach einer Abschiebung, werden bereits heute zurückgewiesen – ebenso Personen ohne Visum, die kein Asyl beantragen.

Nach Angaben der Bundespolizei überquerten im März 5.068 Menschen unerlaubt die Grenze – 2.022 weniger als im März 2024. Im Februar wurden 4.669 illegale Einreisen verzeichnet, verglichen mit 5.998 im Vorjahresmonat. Insgesamt gab es von Januar bis März 15.131 unerlaubte Einreisen. Davon wurden rund 7.606 Migranten direkt an der Grenze zurückgewiesen oder zurückgeschoben.

Illegale Migration: Was plant Dobrindt konkret?

Innenminister Dobrindt plant unmittelbar nach seinem Amtsantritt verstärkte Maßnahmen zur Eindämmung der Migration. "Die ersten Entscheidungen werden nach Amtsantritt an diesem Mittwoch getroffen. Dazu werden die Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert", sagte der CSU-Politiker der "Bild am Sonntag".

Beobachter rechnen mit einem temporären Personalaufwuchs bei der Bundespolizei an den Grenzabschnitten. Darüber hinausgehende Maßnahmen der neuen Regierung waren zunächst noch unklar.

Greift die neue EU-Asylreform?

Noch nicht. Im Mai 2024 einigten sich die EU-Staaten auf eine Reform des Asylsystems. Die Umsetzung beginnt jedoch erst – nationale Umsetzungspläne wurden Ende 2024 eingereicht. Die neuen Bestimmungen gelten spätestens ab Juni 2026. Ziel ist es, durch klarere Verfahren an den Außengrenzen und eine bessere Verteilung innerhalb der EU Migration effektiver zu steuern.

Es gibt es zwei Sichtweisen, welche Auswirkungen Zurückweisungen auf EU-Ebene haben könnten: Einige warnen, dass ein deutscher Alleingang bei Zurückweisungen Schutzsuchender das Vertrauen in der EU beschädigen könnte. Ein juristisch fragwürdiges Vorgehen könne dazu führen, dass andere Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit im gemeinsamen Asylsystem aufkündigen. Das könne die fragile Einigung auf eine europäische Migrationspolitik gefährden.

Andere halten dies für wenig wahrscheinlich. Sie sehen in vielen EU-Ländern ein wachsendes politisches Bedürfnis nach strenger Migrationskontrolle. Die Sorge, dass großzügige Standards einen Anreiz für Migration schaffen, besteht seit Langem. Daher könnten andere Regierungen eine härtere Linie mittragen – wenn sie langfristig hilft, irreguläre Migration zu begrenzen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigt sich überzeugt: "Da wird es überhaupt kein Problem geben."

Wie ist die rechtliche Lage bei Grenzmaßnahmen?

Rechtlich ist die Zurückweisung an den Grenzen umstritten. Laut einigen Juristen verbietet EU-Recht grundsätzlich solche Maßnahmen. Ein Problem: Kontrollen finden meist nicht exakt an der Grenze statt, sondern dahinter. Außerdem ist laut Regelwerk ein kurzes Verfahren mit Befragung und Identitätsfeststellung vorgeschrieben.

Dennoch erlaubt Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU Ausnahmen bei Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. Diese sogenannte Notlagenklausel könnte als Grundlage dienen – ob sie rechtlich greift, müsste letztlich der Europäische Gerichtshof entscheiden. Dieser geht bislang sehr zurückhaltend mit Ausnahmen im Asylrecht um.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Bionik, KI und Robotik: Der Innovationsschub, der alles verändert
16.08.2025

Von der Bionik bis zur KI-Konvergenz: Neue Technologien versprechen einen Innovationssprung – und könnten Wirtschaft, Gesellschaft und...

DWN
Panorama
Panorama Datenschutz und Oktoberfest - was sich im September ändert
16.08.2025

Die Tage werden kürzer und der Herbst naht im September. Welche Neuerungen bringt der neue Monat für Verbraucherinnen und Verbraucher?...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Business Angels sind keine Almosen-Geber: So knackt man sie trotzdem
16.08.2025

Sie heißen Engel, aber verschenken nichts: Warum Business Angels für Start-ups goldwert sind – und wieso Gründer trotzdem mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 150 Jahre ohne Steuerprüfung? Personalmangel bremst Steuerkontrollen in Deutschland aus
16.08.2025

In Deutschland können Kleinstbetriebe statistisch gesehen 150 Jahre lang einer Steuerprüfung entgehen – während dem Staat Milliarden...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bahn: Vor diesen Herausforderungen steht der künftige Bahn-Chef
16.08.2025

Richard Lutz muss seinen Posten als Bahnchef räumen - und übergibt dabei zahlreiche Probleme an seinen Nachfolger. Kann der erfolgreicher...

DWN
Technologie
Technologie Laser gegen Putins Drohnen: Europas Hightech-Antwort auf den Krieg
16.08.2025

Während russische Drohnen den Himmel über Europa testen, setzen die Ukraine und die EU auf eine futuristische Waffe: Laser, die für...

DWN
Finanzen
Finanzen Europas Bankenaufsicht warnt: Drei Risiken können das Finanzsystem erschüttern
16.08.2025

Er führt Europas Bankenaufsicht – und sieht drei Gefahren, die selbst starke Institute ins Wanken bringen könnten: geopolitische...

DWN
Politik
Politik Spitzbergen: Russland hat 100 Jahre nach dem Spitzbergen-Vertrag die Arktis genau im Blick
15.08.2025

Vor 100 Jahren wurde der Spitzbergen-Vertrag unterzeichnet – ein Abkommen mit besonderer geopolitischer Brisanz. Heute sorgen Norwegen...