Noch vor kurzem wollte EZB-Chef Draghi Staatsanleihen in großem Stil kaufen, sollte sich die wirtschaftliche Situation in den Krisenländern nicht bald ins Positive drehen. Dazu kündigte er im September 2012 sein OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) an, wonach die EZB Staatsanleihen an den Sekundärmarkten in der Eurozone kaufen würde. Ziel war es, die Zinsen für Staatspapiere der Krisenländer zu drücken.
Indessen hat sich das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend zu diesem Vorhaben der EZB geäußert. Draghi könnte jedoch – falls das bundesdeutsche Verfassungsgericht sein OMT-Programm für verfassungswidrig erklärt – eine Variante zur Verfügung stehen, indem er ein repräsentatives Portfolio aller Staatsanleihen der Mitgliedstaaten oder auch private Anleihen kauft. Dadurch könnten Bedenken an der Verfassungskonformität ausgeräumt werden . Dies würde bedeuten, dass die EZB unter anderen auch deutsche oder französische Staatsanleihen kauft oder sogar Unternehmensanleihen. Unternehmensanleihen- bzw. Kredite gelten als „verbriefte Wertpapiere“.
Nun wagt Draghi einen anderen, aber ähnlichen Vorstoß. Denn nicht einmal durch die Vergabe oder zur Verfügungsstellung von einer Billion Euro (LTRO-Programm) für die Banken sahen sich diese bemüßigt, den Unternehmen Kredite zu gewähren. Sie investierten stattdessen lieber in ihre heimischen Staatsanleihen. Schließlich sind Banken bei der Kreditvergabe unter dem Vorzeichen der Rezession oder der nur schleppenden wirtschaftlichen Erholung kaum gewillt, Mittelständlern oder Kleinunternehmen Darlehen auszureichen. Der Grund: die Banken fürchten, dass die Kredite von den Firmen nicht zurückbezahlt werden.
In den Portfolios der Banken türmen sich enorm viele „faule“ Kredite, also von nicht oder nicht rechtzeitig zurückgezahlten Darlehen, teils von Privatpersonen, größtenteils von Firmen.
Und hier möchte nun Mario Draghi den Hebel ansetzen. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos signalisiert er, die EZB sei bereit, sogenannte „Kreditpakete“ von privaten Haushalten und Unternehmen zu kaufen, um die Deflation in Europa zu bekämpfen.
Ein solcher Schritt würde eine scharfe Abkehr von der traditionellen „quantitativen Lockerung“ (QE, quantitative easing, in der Eurozone die LTRO) markieren und eine mögliche Lösung zum Zusammenbruch in der Kreditvergabe in der Eurozone verhindern, so Draghi.
„Derzeit ist die Verbriefung ziemlich tot”, zitiert ihn die Financial Times. Damit meint Draghi die Kreditvergabe an Unternehmen – bzw. den Markt für Unternehmensanleihen.
Draghi bevorzuge es daher, den Kauf von Kreditpaketen aus dem privaten Sektor durch die EZB ins Auge zu fassen, falls sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechterten. Durch gezielte Ankäufe solcher „bank loans“ – also von Krediten, die die Banken in ihren Portfolios haben – könne die EZB „den Markt wieder in Gang bringen“.
„Welche anderen Vermögenswerte würden wir kaufen?“ sagte Draghi und bezog sich dabei auf die bisherigen Käufe von Staatsanleihen durch das SMP-Programm (Securities Markets Program). „Eine Sache sind Bankdarlehen. Wir werden das Thema weiter in die Zukunft denken und dann Vermögenswerte haben, um neue Instrumente zur Kreditvergabe zu schaffen“.
Mario Draghi beruft sich darauf, dass ein Markt für genügend ausreichende und einfache Kreditpakete noch nicht vorhanden sei. Dieser Markt müssten erst „created“, also erschaffen werden, bevor sich die EZB mit ihren unbegrenzten Mitteln einschalten könne.
Fraglich ist dabei, ob sich im Ansinnen der EZB, „Kreditpakete“ zu erwerben, auch faule Kredite befinden, derer sich die Banken im Vorfeld der Bankenunion gern entledigen würden. Dazu kommt, dass die Bündelung von Unternehmens- und Privatkrediten zum Weiterverkauf durch neu ausgegebene Wertpapiere äußerst fragwürdig ist. Eine solche Bündelung, insbesondere mit Immobilien- und Versicherungspapieren, hatte die Kreditblase in den USA im Jahr 2007 zum Platzen gebracht.