Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der ukrainischen Oppositions-Politikerin Julia Timoschenko zur Haftentlassung gratuliert. „Willkommen in der Freiheit", sagte Merkel am Sonntag in einem Telefonat nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen. Die Kanzlerin habe der an einem Rückenleiden erkrankten 53-Jährigen Rehabilitation in Deutschland angeboten. Außerdem habe sie Timoschenko aufgefordert, sich um den Zusammenhalt der Opposition und des Landes zu bemühen. Timoschenko solle dabei auch auf die Menschen im Osten der Ukraine zugehen. Dort leben überwiegend Anhänger des vom Parlament abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch (mehr zur drohenden Spaltung des Landes hier und hier).
Timoschenko war am Samstag aus einem Haftkrankenhaus entlassen worden. Die ehemalige Ministerpräsidentin war wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Kritiker hatten den Prozess gegen sie als politisch motiviert bezeichnet. Timoschenko gilt als charismatische Persönlichkeit, die die sehr unterschiedlichen Strömungen der Opposition einen könnte.
Nach Angaben ihrer Pressestelle äußerte Merkel in dem Telefonat die Gewissheit, dass Timoschenkos Rückkehr in die Politik einer von vielen Faktoren sei, der zur Stabilisierung der Lage in der Ukraine und zum Erhalt der Einheit des Landes beitragen werde. Timoschenko selbst glaubt daran, dass es zunächst noch weitere Ausschreitungen geben werde, die sich auch auf andere Länder ausweiten können (mehr hier).
Timoschenko kündigte auf ihrer Website allerdings an, sie wolle nicht Ministerpräsidentin werden.
Übergangspräsident Olexander Turtschinow
Das Parlament in der Ukraine hat am Sonntag seinem Präsidenten Olexander Turtschinow die Vollmacht übertragen, vorübergehend die Amtsgeschäfte des Staatsoberhauptes zu führen. Die Abgeordneten hatten am Samstag Präsident Viktor Janukowitsch des Amtes enthoben. In der Sitzung am Sonntag enthoben die Parlamentarier auch Außenminister Leonid Koschara des Amtes. Er gilt als enger Vertrauter Janukowitschs. Ein Nachfolger wurde zunächst nicht gewählt.
Vitali Klitschko hat unterdessen die Bestrafung der Gewalttäter der letzten Tage gefordert: „Ich bin sicher, die Vorgänge werden untersucht und in den nächsten Tagen wird eine Liste erstellt, mit Tätern und ihren Taten. Und die wichtigste Aufgabe ist es, die Verantwortlichen zu bestrafen."
Er forderte die Demonstranten in Kiew auf, den Übergangsprozess weiter kritisch zu begleiten: „Ich denke, die Leute müssen auf der Straße bleiben und den Prozess weiter kontrollieren. Die Macht der Menschen ist sehr wichtig. Jeder Politiker, und jede neue Macht, muss wissen und darf nicht vergessen: Wenn sie anfangen, dreckige Spielchen zu spielen, wird dies alles wieder passieren. Der Wille des Volkes ist eine wichtige Sache. Die Ukraine hat der ganzen Welt gezeigt, dass es funktioniert, wir können Veränderungen schaffen."
Das Parlament in Kiew will sich bis Dienstag auf eine Regierung der nationalen Einheit einigen.