Politik

Google-Löschung: Massive Zensur-Welle im Internet

Lesezeit: 2 min
09.07.2014 02:31
Google meldet mehr als 70.000 Anfragen zur Löschung von Suchergebnissen. Vor allem Personen des öffentlichen Lebens nutzen das „Recht auf Vergessen“, um unliebsame Inhalte zu verstecken. Die Mehrzahl der Löschanfragen richtet sich dabei gegen kritische Medien-Berichte.
Google-Löschung: Massive Zensur-Welle im Internet

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der Suchmaschinen-Gigant Google hat bislang mehr als 70.000 Anträge zur Löschung von Suchergebnissen erhalten. Das Unternehmen vermeldete, es musste eine „Heerschar von Juristen“ anstellen, die sich ausschließlich mit diesen Fällen beschäftigen. Die Mehrzahl der Löschanfragen richtete sich gegen journalistische Inhalte. Personen des öffentlichen Lebens nutzen das „Recht auf Vergessen“, um die eigene Biografie zu schönen.

Nach dem EuGH-Urteil können EU-Bürger die Löschung von Sucheinträgen bei Google beantragen. Das Urteil trat eine regelrechte Welle an Löschanträgen los. Wie Heise berichtet, erhielt Google bisher rund 70.000 Anträge zur Löschung, darunter auch etwa 12.000 Anträge aus Deutschland. Insgesamt geht es um die Entfernung von mehr als 267.000 Links aus den Suchergebnissen des Konzerns.

Gelöscht werden darf laut dem EuGH-Urteil, was „unpassend, irrelevant oder nicht länger relevant“ ist (mehr hier). Die zu löschenden Daten dürfen dabei nicht für „historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke notwendig“ sein. Doch die Auslegung dieser Bedingungen ist ebenso zweifelhaft, wie die Frage, ob der Konzern rechtlich zur Löschung gezwungen werden kann (hier).

Beim Löschen von Suchergebnissen scheinen Politiker derzeit besonders aktiv zu sein. Sie versuchen so die „schwarzen Flecken“ aus ihrer Biografie zu tilgen. Es handelt sich dabei wohl vorwiegend um redaktionelle Inhalte. So sollen rund 50.000 Anfragen zum Löschen von Zeitungsartikeln bei Google eingegangen sein, berichtet die BBC. So würden die Politiker das „Recht auf Vergessen“ in ein „Recht auf Verstecken von Verfehlungen“ umdeuten, so ein mit der Materie betrauter Insider (hier).

Ein besonders skurriles Beispiel liefert der BBC-Journalist Robert Peston. Ein BBC-Artikel von Peston beschäftigte sich mit der Investmentbank Merrill Lynch. Als einzige Person wird in dem Artikel der ehemalige Chef der Bank, Stan O’Neal, genannt. Peston schlussfolgerte zunächst, dass O’Neal sein „Recht auf Vergessen“ in Anspruch genommen habe, um einen Link zu einem mehr als sieben Jahre alten Artikel löschen zu lassen. Immerhin habe er ein Motiv zum Verwischen seiner Spuren gehabt: O’Neal wurde von der Bank wegen enormer Verluste entlassen. Wenig später geriet Merill Lynch nahe an den finanziellen Ruin und wurde von der Bank of America übernommen.

Später stellte sich heraus, dass es wohl einer der Kommentatoren war, der die Löschung des Links aus den Suchanfragen beantragt hat. Es handelt sich um Peter Dragomer, einen ehemaligen Mitarbeiter der Investmentbank, der den Artikel mit seinem Klarnamen kommentiert hat. Der Artikel als solcher ist wohl noch auffindbar, doch eine Suche nach dem Namen des Kommentators führt nun nicht länger dort hin.

Auch der Guardian wurde kürzlich von Google darüber informiert, dass sechs seiner Artikel nicht länger über Google auffindbar sind. Die Korrektheit der Inhalte wurde nicht beanstandet und doch ist es für die Mehrheit der 368 Millionen EU-Bürger nun deutlich schwerer sie zu finden. Der Guardian hat keine Möglichkeit herauszufinden, wer die Löschung beantragt hat und er hat auch keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.

„Wenn Sie nach jemandem innerhalb der EU suchen, finden Sie nicht länger das, was die Suchgiganten für die wichtigsten und relevantesten Informationen zu einer Person halten. Sie finden nur die wichtigsten Informationen, die diese Person nicht verstecken will“, beschreibt der Guardian den Fall.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirtschaft: Deutsche Bürokratie und EU-Vorgaben kosten 146 Milliarden und mehr als ein Fünftel der Arbeitszeit
04.12.2024

Deutsche Bürokratie und neue EU-Verordnungen bremsen Arbeits- und Wirtschaftsleistung aus: Angestellte von Unternehmen in Deutschland...

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Chef verteidigt Sparkurs - 'Buh'-Rufe bei Betriebsversammlung
04.12.2024

Auf der VW-Betriebsversammlung machten Mitarbeiter ihrem Unmut Luft. Konzernchef Blume verteidigte den Sparkurs - und wurde dafür...

DWN
Politik
Politik Regierungsbefragung: Scholz warnt vor Stillstand bis zur Wahl
04.12.2024

Zwei Wochen vor der Abstimmung über seine Vertrauensfrage im Bundestag stellt der Kanzler sich den Fragen der Abgeordneten. Dabei richtet...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa-Aktie: Baywa-Konzern beschließt Stellenabbau - 1.300 Stellen fallen weg
04.12.2024

40 Prozent der Stellen in der Verwaltung fallen weg. Bei Baywa gibt es jetzt Klarheit, wie das Unternehmen saniert werden soll. So werden...

DWN
Panorama
Panorama Russische Schiffsbesatzung schießt bei Bundeswehr-Einsatz
04.12.2024

In der Ostsee ist es zu einem Zwischenfall zwischen einem Hubschrauber der Bundeswehr und einem russischen Schiff gekommen. Die Besatzung...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft OECD sieht Deutschland 2025 als Schlusslicht bei Wachstum unter Industrieländern, mehr positive Prognosen für 2026
04.12.2024

Die Weltwirtschaft zeigt sich trotz Kriegen und Krisen robust. Deutschland hinkt im neuen Konjunkturausblick der...

DWN
Immobilien
Immobilien Energetisch sanieren: Kosten und Förderprogramme in Deutschland
04.12.2024

Die hohen Kosten für Energiesanierungen führen derzeit dazu, dass zahlreiche unsanierte Immobilien auf den Markt drängen. Dabei wäre...

DWN
Panorama
Panorama IGeL-Leistungen: Fragwürdige Untersuchungen beim Arzt kosten Deutschland 2,4 Milliarden Euro
04.12.2024

Eine neue Studie stellt die Sinnhaftigkeit von IGeL-Leistungen beim Arzt infrage. Laut einer Umfrage des Medizinischen Dienstes (MD) geben...