Vor einigen Monaten hatte der IWF für Aufsehen gesorgt: Er hatte eine allgemeinem Vermögenssteuer von 10 Prozent gefordert, um in Europa die Schulden abzubauen (mehr im Detail zu dem historischen Vorschlag hier).
Als die Idee aufkam, beeilte sich der IWF, das Ganze als eine Gedankenspielerei abzutun (mehr dazu hier).
Doch in Deutschland waren die Sozialdemokraten schnell Feuer und Flamme für die Idee (mehr zur Erinnerung hier).
Vor wenigen Wochen drängte der IWF erneut, dass Europa jetzt handeln müsse - und die Sparguthaben zu besteuern seien (mehr hier).
Nun zeigt sich: Nach Zypern hat als erstes kontinentaleuropäisches Land Spanien eine solche Steuer eingeführt. Noch zur Zeit der Zypern-Krise hatten die spanischen Politiker eine Zwangsabgabe für ihr Land kategorisch ausgeschlossen.
Spanien ist ein gutes Pflaster für einen solchen Feldversuch: Die Regionen Andalusien, die Estremadura und die Kanarischen Inseln haben schon seit dem 1. Dezember 2012 jeweils 0,5 Prozent Steuern auf Sparguthaben erhoben. Ein Gerichtsentscheid erklärte die Steuer für rechtmäßig, obowhl die Zentralregierung dagegen protestiert hatte. Daraufhin führten Katalonien, Asturien und Valencia ebenfalls eine Sparbuch-Steuer ein.
Doch während die Regionen das Geld für Infrastruktur-Projekte brauchen, lechzt der spanische Zentralstaat vor allem nach neuen Geldquellen, um seine Schulden bedienen zu können.
Die spanische Staatsverschuldung hat nämlich mittlerweile einen historischen Höchststand erreicht: Mit 996.983 Millionen Euro ist sie nur noch knapp von der Billion entfernt. Seit 2007 hat sie sich damit mehr als verdoppelt. Ministerpräsident Rajoy erwartet, die Billionengrenze noch in diesem Jahr zu überschreiten.
Insbesondere Bankenrettungen (mehr hier), hohe Arbeitslosigkeit und die Unterstützung schwacher Regionen haben die spanischen Schulden in den vergangenen zwei Jahren unter dem Kabinett Rajoy unaufhaltsam in die Höhe getrieben, wie die spanische Zeitung El Pais berichtet. Die Staats-Verschuldung beträgt inzwischen 97 Prozent des spanischen BIP.
Zur Erinnerung: In den Maastricht-Verträgen stehen 60 Prozent als Obergrenze.
Die Zwangs-Abgabe auf Sparguthaben soll Madrid nun in die Lage versetzen, das Steuer zu übernehmen. Die Steuer gilt für die gesamten spanischen Bankguthaben und soll jährlich 375 Millionen Euro bringen. Bisher klingt der Beitrag mit 0,03 Prozent des Bankguthabens harmlos. Aber zum einen wird die Abgabe rückwirkend seit Jahresbeginn eingeführt, so dass eine Steuerflucht quasi unmöglich wird.
Zum anderen gab es die Abgabe technisch gesehen bereits seit 2013, der Prozentsatz wurde allerdings auf Null festgelegt. So hat die Einführung der Steuer selbst kaum öffentliches Aufsehen erregt. Die jetzige landesweite Einführung der 0,03-Prozent-Abgabe ist somit schon die erste Erhöhung. Weitere Erhöhungen dürften in ähnlich kleinen Schritten erfolgen und damit möglichst lange unbemerkt bleiben (mehr dazu hier).
Die spanische Regierung erklärt die neue Steuer damit, dass die Regionen eine solche Steuer bereits erheben. In den einzelnen Regionen ist die Sparbuch-Steuer tatsächlich höher als die neue Zwangsabgabe, was die Regierung in die glückliche Lage versetzt hat, den Bürgern die neue Steuer sogar als eine Steuersenkung zu verkaufen. Selbstverständlich werde Madrid das Geld aus der neuen Steuer für Infrastrukturprojekte verwenden.
Das mag man sogar glauben. Doch in dem Moment, wo die Euro-Krise erneut zuschlägt, hat die Regierung die Bürger im Griff.
Doch tatsächlich stellt die Regierung in Madrid damit die Weichen, noch mehr Schulden machen zu können. Das Umverteilungsystem geht zu Lasten des spanischen Föderalismus. Im Herbst wird sich zeigen, ob Katalonien bei Spanien bleibt oder den Versuch wagt, die Unabhängigkeit zu erklären.
Die Umverteilung ist auch eine klare Enteignung der Sparer: Wie die Grafik zeigt, gehen die Spareinlagen in Spanien wegen der niedrigen Zinsen seit einigen Jahren deutlich zurück. Sie verlaufen genau anders als die Schulden: Während die Schulden steigen, schrumpfen die Spareinlagen.
Das bedeutet: Die brachiale Enteignung der Sparer in den Schuldenstaaten Europas dient nicht einmal dazu, die öffentliche Verschuldung abzubauen: Sie verfolgt ausschließlich den Zweck, die gewissenlosen Regierungen so lange als möglich an der Macht zu halten.
Für die Sparer in Europa ist die neue Steuer ein Menetekel: Einmal eingeführt, kann sie jederzeit beliebig erhöht werden. Eine Steuer auf Sparbücher hat für den Staat den Vorteil, dass er sie direkt durch die Banken erheben lassen kann und nicht auf die Steuererklärungen der Bürger warten muss.
Die Weichen für eine umfassende Enteignung sind damit in Spanien gestellt. Und es wird nicht bei Spanien bleiben.
Denn in der EU gilt, was der neue starke Mann in Brüssel vor vielen Jahren als sein politisches Credo formuliert hatte: Der Spiegel zitierte 1999 den damaligen Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, mit einer Erklärung, wie die EU funktioniert:
»›Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert‹, verrät der Premier des kleinen Luxemburg über die Tricks, zu denen er die Staats- und Regierungschefs der EU in der Europapolitik ermuntert. ›Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter ‒ Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.‹«
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Michael Maier beschreibt in seinem neuen Bestseller, wie die Enteignung Schritt-für-Schritt funktioniert: Er schildert die Waffenkammern der großen Finanzinstitutionen, Zentralbanken und Regierungen, die den Sparern nach ihrem Vermögen trachten, um ihre gigantischen, undemokratischen Umverteilungs-Maschinen am Laufen halten zu können. Er erklärt auch, dass sich der einzelne gegen diese Apparate wehren kann - wenn er ihre Motive erkennt und ihren Schlachtplan mit geschicktem Handeln durchkreuzt.
Michael Maier, „Die Plünderung der Welt. Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen“.
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