Im russischen Transport- und Außenministerium wird derzeit geprüft, ob Flüge von europäischen Fluggesellschaften im russischen Luftraum verboten oder eingeschränkt werden sollen. Offiziell heißt es, die Maßnahme werde wegen der Nato-Manöver erwogen, um die Sicherheit der zivilen Maschinen nicht zu gefährden.
Dabei geht es um die Nutzung der Trans-Sibirien-Route. Mit dieser geplanten Maßnahme will Russland auf die Handels-Sanktionen der EU reagieren, meldet die russische Zeitung Wedomosti. Eine Streichung dieser Flugroute würde zu einem enormen Anstieg der Flugkosten von Europa nach Asien führen.
Die Trans-Sibirien-Route verkürzt den Weg nach Asien um 4.000 Kilometer. Es werden bei jedem Flug bis zu 22.350 Euro gespart. Die Lufthansa, British Airways und Air France könnten innerhalb von drei Sanktions-Monaten Millionen-Verluste erleiden.
Das russische Außenministerium hat sich zu der geplanten Maßnahme offiziell nicht geäußert. Doch eine anonyme Person aus dem Ministerium sagte Wedomosti, dass „alle unfreundlichen EU-Maßnahmen, auch im Bereich des Luftverkehrs, untersucht und nicht unbeantwortet bleiben werden.“
Reuters berichtet über die Pläne Putins:
Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine Regierung angewiesen, Vergeltungsmaßnahmen für die jüngsten westlichen Sanktionen gegen sein Land vorzubereiten. "Natürlich sollte das sorgfältig geschehen, um einheimische Hersteller zu unterstützen und die Verbraucher nicht zu belasten", zitierten russische Nachrichtenagenturen am Dienstag Aussagen Putins. Die Zeitung "Wedomosti" hatte zuvor berichtet, Russland werde als Reaktion auf die EU-Sanktionen möglicherweise die Überflugrechte für europäische Fluggesellschaften über Sibirien beschneiden oder streichen. Dies könnte die Kosten für Flüge nach Asien in die Höhe treiben. Wegen der Kämpfe in der Ostukraine sind nach UN-Angaben knapp eine dreiviertel Million Menschen aus ihrer Heimat nach Russland geflüchtet.
Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew drohte mit Vergeltung für den schweren Schlag, den die EU-Sanktionen der Aeroflot-Tochter Dobrolet zufügten. Die Billigfluggesellschaft der staatlichen Fluglinie musste sämtliche Flüge aussetzen, weil die Strafmaßnahmen ihre Leasing-Vereinbarungen mit europäischen Partnern zunichte machten. Dobrolet bot bisher Verbindungen auf die Halbinsel Krim an, die Russland im März seinem Territorium angegliedert hatte. Die Region ist ein beliebtes Urlausbziel vieler Russen. "Wir sollten über Möglichkeiten für Vergeltungsmaßnamen beraten", sagte Medwedew bei einem Treffen mit dem russischen Verkehrsminister und einem Aeroflot-Vorstandsmitglied.
"Wedomosti" berichtete unter Berufung auf ungenannte Quellen, Russland werde möglicherweise die Überflugrechte europäischer Gesellschaften über Sibirien beschränken oder sogar ganz streichen. Das Außen- und das Verkehrsministerium diskutierten über einen solchen Schritt, der für die europäischen Fluggesellschaften deutliche Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren asiatischen Konkurrenten bedeuten würde. Durch den Umweg dürften bei Verbindungen nach Asien die Flugzeiten ebenso steigen wie die Treibstoffkosten. Zugleich würde allerdings auch Russland die Überfluggebühren einbüßen.
Allein Aeroflot profitiert laut "Wedomosti" mit rund 220 Millionen Euro pro Jahr von diesen Abgaben. Die Aktie des Konzerns war am Dienstag das Schlusslicht im Moskauer Aktienindex und verlor mit 5,9 Prozent deutlich stärker als der Gesamtmarkt, der mit 1,4 Prozent im Minus war.
Ein Flugverbot über Sibirien könnte die europäischen Fluglinien einschließlich Lufthansa, British Airways und Air France laut "Wedomosti" etwa eine Million Euro in drei Monaten kosten. Schon in der Vergangenheit während des Kalten Krieges durften westliche Fluggesellschaften nicht durch den russischen Luftraum nach Asien fliegen. Sie mussten stattdessen eine Route über den Persischen Golf oder den US-Flughafen Anchorage in Alaska auf dem Weg über den Polarkreis wählen.
Die Lufthansa fliegt nach eigenen Angaben 180 Mal pro Woche durch den sibirischen Luftraum, wollte sich aber nicht weiter zu dem Thema äußern. Die EU hatte ihre Sanktionen gegen Russland nach dem Abschuss eines malaysischen Verkehrsflugzeuges über dem Rebellengebiet in der Ostukraine ausgeweitet. Bei dem Absturz starben fast 300 Menschen. Wegen des Vorfalls kommt am 14. August in Montreal erstmals eine Sicherheitsarbeitsgruppe der zivilen Luftfahrtorganisation der Vereinten Nationen (ICAO) zu Beratungen zusammen.
Der Aktienkurs von Aeroflot verzeichnete im August einen Tiefstand und ging am Micex Index auf 47,00 Punkte zurück. Im März lag der Kurs noch bei 77,38 Punkten, meldet Bloomberg.
Die Streitigkeiten um die osteuropäischen und russischen Lufträume sind nicht neu. Nach Angaben des litauischen Verteidigungsministeriums sind am Wochenende Nato-Jets bei einer litauischen Luftwaffenbasis bedrängt worden. Das Ministerium identifizierte ein russisches Flugzeug, das „außerplanmäßig und ohne Vereinbarung“ neutrales Gebiet in der Nähe von Estland überflog (mehr hier).
Die Maßnahme dürfte vor allem eine Reaktion auf das Eindringen einer US-Spionagemaschine in den europäischen Luftraum vor einigen Wochen sein: Die schwedische Zeitung Dagens Nyheter berichtete, vor gut zwei Wochen sei ein US-Aufklärungsflugzeug auf der Flucht vor einem russischen Abfangjäger ohne Genehmigung in den schwedischen Luftraum eingedrungen. Der Zwischenfall habe sich am 18. Juli ereignet - einen Tag nach dem Absturz einer malaysischen Passagiermaschine über der Ostukraine (mehr hier).