Gemischtes

Russland erwägt Import-Verbot für Autos aus der EU

Lesezeit: 2 min
18.08.2014 18:28
Russland will in der Sanktions-Spirale den Druck auf die EU verstärken: Beschließt der Westen weitere Straf-Aktionen, will Moskau den Import europäischer Autos stoppen. Dies würde vor allem die deutsche Industrie schwer treffen.

Mehr zum Thema:  
Auto >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Auto  

Im Streit mit dem Westen denkt Russland einem Zeitungsbericht zufolge über ein Importverbot für Autos aus der EU und den USA nach. Für den Fall schärferer Sanktionen dieser Länder gegen Russland erwäge die Regierung in Moskau, die Einfuhr westlicher Fahrzeuge teilweise oder vollständig zu stoppen, berichtete die Zeitung „Vedomosti" in ihrer Montagausgabe. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen.

In Russland produzierte Fahrzeuge sollen demnach von einem möglichen Bann nicht betroffen sein. Von den deutschen Herstellern fertigen etwa Volkswagen, Audi oder BMW vor Ort (mehr hier), Daimler dagegen nicht. Vom russischen Industrieministerium war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen. Die Autobauer wollten sich nicht äußern.

Der russische Pkw-Markt ist fast so groß wie der deutsche und galt lange Zeit als Hoffnungsträger in Europa, wo Länder mit kräftigen Zuwächsen rar sind. Wegen der Schwäche des Rubels und der Auswirkungen der Ukraine-Krise gingen die Verkaufszahlen jedoch zuletzt deutlich zurück. Ausländische Autobauer haben seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts rund fünf Milliarden Dollar in den Aufbau lokaler Fertigungsstrukturen investiert. Die russische Regierung beschleunigte dies, indem sie die Importzölle für Autos nach oben schraubte und diejenigen für Teile senkte. Allein VW steckte zwischen 2006 und 2013 nach eigenen Angaben rund 1,3 Milliarden Euro in die lokale Produktion und in neue Modelle für Russland; bis 2018 sollen weitere 1,2 Milliarden dazukommen, vor allem für ein neues Motorenwerk in Kaluga, wo eine Autofabrik des Konzerns steht.

Außer deutschen Fahrzeugherstellern produzieren in Russland auch Ford, Renault, Toyota oder Hyundai. Daimler prüft nach wie vor eine Pkw-Fertigung vor Ort. Die Stuttgarter sind am russischen Lkw-Bauer Kamaz beteiligt und lassen in zwei Gemeinschaftsunternehmen besonders robuste Lastwagen der Marken Mercedes-Benz und Fuso montieren. Von den 5.600 Lkw der beiden Marken, die im vergangenen Jahr in Russland ausgeliefert wurden, stammte etwa die Hälfte aus der Produktion vor Ort, der Rest wurde aus Deutschland importiert.

Aus dem Zeitungsbericht ging nicht hervor, ob das mögliche Einfuhrverbot für alle importierten Fahrzeuge gelten soll, also außer für Pkw auch für Lastwagen und Busse. Dem Blatt zufolge waren im ersten Halbjahr 27 Prozent der verkauften Autos in Russland importiert, während bei Lkw der Anteil 46 Prozent und bei Bussen 13 Prozent betrug.

Wie Vedomosti weiter schrieb, ist das Importverbot für westliche Fahrzeuge einer von mehreren Vorschlägen, die Russlands Präsident Wladimir Putin vorgelegt wurden. Er habe die Idee abgelehnt, aber sie bleibe eine Option für den Fall, dass der Westen weitere Sanktionen gegen Russland verhängt. Die Regierung sei noch nicht angewiesen worden, die Einführung irgendwelcher neuer Maßnahmen vorzubereiten. Als Reaktion auf Wirtschaftssanktionen wegen der Ukraine-Krise hatte Russland bereits den Import von Obst, Gemüse, Fleisch und Milchprodukten aus dem Westen gestoppt (mehr hier).

Ein Einfuhrverbot für westliche Autos könnte asiatischen Herstellern wie Great Wall oder Chery aus China oder Ssang Yong aus Südkorea in die Hände spielen, von denen einige ebenfalls Pläne für eine Produktion in Russland haben.

Von Deutschland aus wurden dem Branchenverband VDA zufolge im vergangenen Jahr insgesamt 132.400 Pkw und entsprechende Bausätze nach Russland exportiert. Konzerne wie BMW oder Audi betreiben dort keine kompletten Werke, sondern montieren Fahrzeugteile und Baugruppen, die zuvor aus Europa oder den USA nach Russland transportiert wurden (sogenannte CKD- oder SKD-Fertigung).

Volkswagen, Europas größter Autohersteller, weitete seine 2007 gestartete SKD-Montage aus und begann im Herbst 2009 mit der Vollproduktion. Ende 2012 begann zudem die Auftragsfertigung beim lokalen Partner GAZ. So wird der Löwenanteil der Nachfrage in Russland gedeckt, der Rest wird importiert. BMW fertigt rund die Hälfte der in Russland verkauften Autos (2013: knapp 45.000 Fahrzeuge) in Kaliningrad. Deutsche Marken sind in Russland beliebt: Von den rund 2,78 Millionen im vergangenen Jahr verkauften Pkw trugen laut VDA 585.500 das Emblem eines deutschen Autobauers.


Mehr zum Thema:  
Auto >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Clean Industrial Deal: Warum die EU jetzt handeln muss
26.12.2024

Vor fünf Jahren setzte die EU mit dem Europäischen Green Deal neue Maßstäbe im globalen Klimaschutz. Heute, angesichts wachsender...

DWN
Politik
Politik „Atomkraft? Nein Danke“: Habeck-Ministerium manipulierte wohl AKW-Studie für Atomausstieg
26.12.2024

Manipulation im Wirtschaftsministerium? Wie interne Unterlagen jetzt aufdecken, soll das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck gezielt...

DWN
Politik
Politik Papst eröffnet Heiliges Jahr mit Hoffnungsbotschaft
26.12.2024

Ein strammes Programm hatte der gesundheitlich angeschlagene Papst an Weihnachten zu stemmen: Er eröffnete das Heilige Jahr der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland schafft Gasspeicherumlage ab: Entlastung für Nachbarländer, Mehrkosten für Verbraucher
26.12.2024

Deutschland verabschiedet sich von der umstrittenen Gasspeicherumlage an Grenzübergangspunkten zu Nachbarländern. Mit einer Änderung des...

DWN
Immobilien
Immobilien Sechs Jahre Mietenstopp: Können Mietpreiserhöhungen gesetzlich verboten werden?
26.12.2024

Der aktuelle Wohnmarkt bereitet Volk wie Bundesregierung Kopfzerbrechen. Laut Umfragen glauben immer weniger Deutsche daran, sich den Traum...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Überstunden steuerfrei: Ab 2025 wird es Realität?
26.12.2024

Überstunden ab 2025 steuerfrei? Wenn diese Pläne Wirklichkeit werden, könnten Arbeitnehmer von einer höheren Auszahlung ihrer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kann Automatisierung die deutsche Industrie retten?
26.12.2024

Die deutsche Wirtschaft kämpft mit Fachkräftemangel und explodierenden Kosten. Wie können Automatisierung und Robotik diese...

DWN
Politik
Politik Wahlforscher Jung: Die Union hat ein "Merz-Problem" - und Habeck eine gute Chance
26.12.2024

Es sei sehr wahrscheinlich, dass Unionskandidat Merz der nächste deutsche Bundeskanzler wird, sagt Wahlforscher Matthias Jung. Doch er...