Auf die Bürger rollt eine Welle von Steuererhöhungen zu: Nach einer Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY wollen 74 Prozent der Kommunen in den nächsten beiden Jahren ihre Steuern und Gebühren anheben. Jede dritte Stadt oder Gemeinde will auch Leistungen zurückfahren. „Die Gebührenschraube wird immer weiter angezogen“, sagte EY-Experte Hans-Peter Busson am Mittwoch in Berlin. „Dieser Trend hält schon seit Jahren an, ein Ende ist nicht abzusehen.“
Der EY-Umfrage unter 300 Kommunen zufolge wollen 27 Prozent ihre Friedhofsgebühren anheben, 25 Prozent wollen mehr Geld für den Besuch von Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen verlangen. 21 Prozent wollen den Grundsteuerhebesatz erhöhen, die Hundesteuer soll in 13 Prozent der Kommunen steigen.
Gespart werden soll vor allem an der Straßenbeleuchtung (18 Prozent), gefolgt von der Jugend- und Seniorenarbeit (sieben Prozent) sowie Bibliotheken und kulturellen Einrichtungen (je vier Prozent).
Grund für die Pläne sei die trotz Rekord-Steuereinnahmen vielerorts desolate Finanzlage. Für die kommenden drei Jahre gehen nur 37 Prozent der Kämmerer von sinkenden Schulden aus, jede zweite Kommune hingegen prognostiziert einen Anstieg ihrer Verschuldung. Letzteres sei vor allem in Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen der Fall. Jede dritte Kommune gebe sogar an, ihre Schulden voraussichtlich nicht aus eigener Kraft zurückzahlen zu können.
„Die Schere zwischen armen und reichen Kommunen öffnet sich weiter. Daran ändern auch die Rekord-Steuereinnahmen nichts“, sagte Busson. „Denn das zusätzliche Geld kommt vor allem bei den wohlhabenden Kommunen an.“ Die Orte in wirtschaftsstarken Regionen profitierten von der guten Konjunktur. Sie könnten dank geringer Verschuldung und hoher Einnahmen mit attraktiven Angeboten um Firmenansiedlungen und Zuzügler werben. „Die Zweiklassengesellschaft unter den Kommunen verfestigt sich, finanzstarke und -schwache Städte driften immer weiter auseinander“, sagte Busson.
Um ihre finanzielle Situation zu verbessern, fordern 90 Prozent der Kämmerer, dass die Sozialausgaben komplett vom Bund übernommen werden sollen. EY zufolge lebten viele Kommunen aber auch über ihren Verhältnissen. „Zu oft kocht jede Kommune ihr eigenes Süppchen - dabei muss nicht jede Gemeinde ein eigenes Standesamt haben“, sagte Busson. „Und auch Sportplätze und Hallenbäder kann man gemeinsam nutzen.“ Zudem würden verwaltungsinterne Organisationsstrukturen und Abläufe zu selten hinterfragt und auf Einsparpotenzial hin überprüft. Vor allem aber könnten kommunale Unternehmen vielfach mehr Geld an die Rathäuser überweisen, wenn sie besser aufgestellt wären.