Technologie

Italien ändert Statistik-Methode und ist wieder Wachstums-Land

Italien ist seit heute wieder überraschend eine „Wachtums-Lokomotive“: Die Umstellung der Statistik führt dazu, dass die Schulden sinken, die Wirtschaft wächst und die Rezession von einem Tag auf den anderen verschwindet. Deutschland hat diesen Trick bereits früher angewendet - und muss nun der Welt erklären, warum das Wunder nicht von Dauer war.
15.10.2014 12:19
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Italien steckt seit wenigen Minuten offiziell nicht mehr in der Rezession. Das nationale Statistikamt Istat stellte seine Berechnungen zur Wirtschaftsleistung um und veröffentlichte die neuen Zahlen am Mittwoch. Demnach stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Anfang 2014 und schrumpfte nicht wie ursprünglich gemeldet um 0,1 Prozent im Vergleich zum Ende 2013. Den Rückgang der Wirtschaftskraft im zweiten Quartal bezifferten die Statistiker wie bisher auf 0,2 Prozent. Dies bedeutet, dass Italien nicht mehr in einer sogenannten technischen Rezession steckt. Diese liegt im Fachjargon vor, wenn das BIP zwei Quartale in Folge sinkt.

Tatsächlich ist natürlich völlig unbestritten, dass sich die Wirtschaft in der drittgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone besorgniserregend entwickelt. Die Industriestaaten-Gruppe OECD geht davon aus, dass Italiens Wirtschaft 2014 um 0,4 Prozent schrumpft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet minus 0,2 Prozent.

Durch eine Neuberechnung der Wirtschaftsleistung sollen Konjunkturdaten weltweit besser vergleichbar sein. Die Amerikaner haben den Trick schon vor einiger Zeit angewendet. Das Statistische Bundesamt hat für Deutschland diesen Schritt bereits vollzogen. Nach der neuen Berechnung fällt das BIP größer aus, denn das Geld, das Unternehmen in Forschung und Entwicklung stecken, wird als Investition verbucht. Bislang wurden diese Ausgaben vor allem als Vorleistungen angesehen und fielen deshalb bei der Berechnung weitgehend heraus.

Für Italien bedeutet dies, dass der Schuldenberg des Landes im Verhältnis zum BIP 2013 kleiner geworden ist. Die Defizitquote des Landes stieg im ersten Halbjahr 2014 auf 3,8 Prozent und damit über der in der EU erlaubten Grenze von drei Prozent, wie die Statistiker nun mitteilten. Die Einnahmen sanken stärker als die Ausgaben. Vor Jahresfrist hatte das Verhältnis neuer Schulden zur Wirtschaftskraft bei 3,5 Prozent gelegen.

Interessanterweise wurde die Umstellung in Deutschland von der Öffentlichkeit kaum bemerkt. Es ist der Bundesregierung gelungen, die Entwicklung positiver darzustellen als sie tatsächlich ist. Allerdings sieht man am Beispiel Deutschlands, dass solche - vollkommen legalen - Tricks nicht lange wirken: Erst diese Woche musste die Bundesregierung ihre Prognosen nach unten korrigieren.

Auch die US-Methode wurde nicht als Problem gesehen - im Gegenteil: Zahlreiche "Experten" betonten nach der Umstellung, dass die US-Wirtschaft im Unterschied zu Europa wieder kräftig wachse.

Es wäre daher unfair, nur die Italiener zu beschimpfen. Die Methode ist Bestandteil der neuen, internationalen Berechnungsmethoden. Diese Methoden dienen dazu, die globale Wirtschaft zu harmonisieren - haben jedoch den angenehmen Nebeneffekt, dass die internationale Schulden-Industrie ihrem Geschäftsmodell für einen längeren Zeitraum nachgehen kann. 

Italien ist in diesem Fall also mitnichten das schwarze Schaf, als das es jetzt dargestellt werden könnte.

Im übrigen hat Italien als Kulturland einen unschätzbaren Wert für Europa. Daher wollen wir uns an dieser Stelle nicht mit läppischen Statistiken befassen sondern verweisen in Würdigung der italienischen Oper auf eine großartige Aufführung des "Bajazzo" von Ruggero Leoncavallo. In der Schluss-Arie des Canio endet das Leben des traurigen Clowns mit dem programmatischen Ausruf: La commedia è finita!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Verteidigung der Zukunft: Hensoldt rüstet Europa mit Hightech auf
06.06.2025

Kaum ein Rüstungsunternehmen in Europa hat sich in den vergangenen Jahren so grundlegend gewandelt wie Hensoldt. Aus einer ehemaligen...

DWN
Politik
Politik Trump gegen Europa: Ein ideologischer Feldzug beginnt
06.06.2025

Donald Trump hat Europa zum ideologischen Feind erklärt – und arbeitet systematisch daran, den Kontinent nach seinen Vorstellungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die wertvollsten Marken der Welt: Top 5 fest in US-Hand
06.06.2025

Während die Weltwirtschaft stagniert, explodieren die Markenwerte amerikanischer Konzerne. Apple regiert unangefochten – China und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Star-Investorin: „Wir erleben eine neue Generation von KI-Gründern“
06.06.2025

US-Chaos, Trump und Kapitalflucht: Europas KI-Talente kehren dem Silicon Valley den Rücken – und bauen die Tech-Giganten der Zukunft vor...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturprognose unter Druck: Wie der Zollstreit Deutschlands Exporte trifft
06.06.2025

Zölle, Exporteinbrüche und schwache Industrieproduktion setzen Deutschlands Wirtschaft zu. Die aktuelle Konjunkturprognose gibt wenig...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Internationale Handelskonflikte: So schützen sich exportorientierte KMU
06.06.2025

Ob Strafzölle, Exportverbote oder politische Sanktionen – internationale Handelskonflikte bedrohen zunehmend die Geschäftsmodelle...

DWN
Panorama
Panorama Musk gegen Trump: Politische Zweckbeziehung artet in öffentlichen Machtkampf aus – die Tesla-Aktie leidet
06.06.2025

Elon Musk und Donald Trump galten als Zweckbündnis mit Einfluss – doch nun eskaliert der Streit. Was steckt hinter dem Zerwürfnis der...