Politik

USA: Nach der Krise schnappen sich Spekulanten Geister-Siedlungen

In den USA stehen nach der Immobilien-Krise immer noch ganze Stadtviertel leer. Wegen der leeren Staatskassen verschachern die Kommunen die leerstehenden Häuser an Spekulanten.
01.11.2014 23:54
Lesezeit: 2 min

Die Immobilienkrise hat in Amerika ein Feld der Verwüstung hinterlassen. In etlichen Bundesstaaten gibt es Gegenden, in denen sich ein «Zombie-Haus» ans nächste reiht. Branchenexperten verwenden den Begriff für verlassene Immobilien, die sich im langwierigen Prozess der Zwangsvollstreckung befinden. Vor allem in sozial schwachen Gegenden sorgen Leerstand und Verfall für eine gespenstische Atmosphäre.

«Das beste Heilmittel gegen Zombie-Befall ist ein schneller und effizienter Prozess der Zwangsvollstreckung», sagt Experte Daren Blomquist vom Analysehaus RealtyTrac. Davon sind viele Bundesstaaten und Städte zwar noch weit entfernt, doch immer mehr suchen nach Mitteln und Wegen. «Cleveland und erst kürzlich Chicago haben aggressive Programme gestartet, um leerstehende Gebäude übernehmen und sanieren oder abzureißen zu können.»

Die Pleitestadt Detroit macht es ähnlich. Ihr Kämmerer versteigerte in der vergangenen Woche 6000 marode Häuser auf einen Schlag. Ein Investor erhielt für 3,2 Millionen Dollar den Zuschlag. Für den Preis ist in Manhattan mit Glück ein Luxusapartment zu ergattern. Doch die Stadt musste reagieren, die vor sich hindarbenden Gebäude machen die Sozialstruktur kaputt und ziehen die Nachbarschaft runter.

Detroit ist ein Extrembeispiel, die einst als Motown und Motorcity boomende Metropole ist heute das Schlusslicht am US-Immobilienmarkt. Der industrielle Niedergang und das Versagen der lokalen Politik haben die Stadt in die Insolvenz getrieben. Das Problem der «Zombie»-Häuser betrifft aber ganz Amerika. Über 18 Prozent der mehr als eine Million in der Zwangsvollstreckung steckenden Immobilien standen im dritten Quartal leer.

«Zombie»-Siedlungen entstehen, weil Eigenheimer ihre Häuser häufig verlassen, wenn die Zwangsvollstreckung eingeleitet wird. Doch oft mahlen die bürokratischen Mühlen so langsam, dass es Jahre dauert, bis die bei der Finanzierung eingebundenen Banken den Besitztitel für die Objekte übernehmen. Solange ist der Eigentümer verpflichtet, das Haus in Schuss zu halten und Immobiliensteuern zu zahlen.

«Vielen Hausbesitzern ist das nicht bewusst», sagt Experte Blomquist. Kommen sie ihren Steuerpflichten nicht nach, können die Immobilien dem Staat zufallen. Die Banken, die vor der Krise viele Hypotheken leichtfertig an Kunden mit zweifelhafter Bonität vergaben, haben häufig ohnehin kein Interesse an den Objekten. Der Marktwert ist gering und die Instandhaltung der Häuser lohnt sich nicht.

Die US-Staaten drücken aber zunehmend aufs Tempo, damit der Niedergang ganzer Siedlungen gestoppt wird. So haben Florida und Illinois Gesetze erlassen, um Zwangsvollstreckungen zu beschleunigen. New York erwägt eine Rechtsreform, die den Banken die Verantwortung für leerstehende Immobilien überträgt, bevor das zähe Verfahren der Zwangsvollstreckung abgeschlossen ist. Die Mühen zeigen Wirkung: Im dritten Quartal war die Zahl der «Zombie»-Häuser in den USA laut Daten von RealtyTrac um 23 Prozent geringer als im Vorjahr.

Der bisher spektakulärste Fall: Die Geisterstadt Johnsonville im Bundesstaat Connecticut ist für 1,9 Millionen Dollar (1,5 Mio Euro) versteigert worden. Die aus acht historischen Gebäuden bestehende Gemeinde brachte damit mehr als das Doppelte des Mindestgebots von 800 000 Dollar ein, berichtete die Lokalzeitung «Hartford Courant». Nachdem die Immobilienfirma, die das Grundstück im Jahr 2001 kaufte, das Gebot annahm, soll der Verkauf nun innerhalb der nächsten vier Wochen abgewickelt werden, berichtete das Blatt unter Berufung auf das Immobilienunternehmen.

Die sogenannte Ghost Town ist seit 16 Jahren unbewohnt und sollte einst als viktorianisches Dorf aus dem 18. Jahrhundert wiederaufgebaut und so in eine Touristenattraktion verwandelt werden. Auch eine Nutzung als Kurort und Erholungsstätte waren im Gespräch. Doch mangels Zulauf scheiterten die Pläne. Was nun mit den 250 000 Quadratmetern Fläche geschehen soll, ist nicht bekannt. Die Firma war für eine Stellungnahme am Samstag nicht zu erreichen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Warum nur 1 von 25 Aktien echten Wohlstand schafft
02.08.2025

Nur vier Prozent der Aktien schaffen es, den Markt nachhaltig zu schlagen – der Rest vernichtet langfristig Vermögen. Was Anleger jetzt...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien-Crowdfunding-Falle: Anleger warnt vor Reinvest24
02.08.2025

Ein Investor schlägt Alarm: Zinsen bleiben aus, Geld verschwindet, Auskünfte gibt es keine. Der Fall der Plattform Reinvest24 zeigt, wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrermangel in Europa: Fast die Hälfte der europäischen Lkw-Fahrer steht kurz vor der Pensionierung
02.08.2025

Europa droht eine stille Krise, die alle trifft: Hunderttausende Lkw-Fahrer gehen bald in Rente – doch kaum jemand will nachrücken....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chef des Superfonds Eifo zur chinesischen Windkraft-Offensive: „Ich bin besorgt“
02.08.2025

Chinas Windkraftkonzerne drängen mit Macht auf globale Märkte – und bedrohen nun auch Europas Energiewende. In Lateinamerika, Afrika...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gefahr für Trumps Zollpolitik: Klagen eingereicht – entscheidender Prozess hat begonnen
01.08.2025

Trumps Zollpolitik steht vor dem juristischen Kollaps: Fünf US-Firmen und zwölf Bundesstaaten klagen gegen die Sondervollmacht, auf deren...

DWN
Technologie
Technologie Huawei schockt die Konkurrenz: 3000-Kilometer-Batterie stellt alles Bisherige in den Schatten
01.08.2025

Huawei greift nach der Technologieführung im Batteriezeitalter: Mit 3000 Kilometern Reichweite und fünf Minuten Ladezeit droht der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zollroulette: Die Weltwirtschaft tanzt nach seiner Pfeife
01.08.2025

Donald Trump zündet die nächste Eskalationsstufe im globalen Wirtschaftskrieg – mit Zöllen, Chaos und Drohgebärden. Experten sprechen...

DWN
Politik
Politik Boomer-Soli: Rentensystem soll stabiler werden – und reiche Rentner sollen zahlen
01.08.2025

Reiche Rentner sollen künftig stärker zur Kasse gebeten werden – so die Idee eines "Boomer-Soli". Ein Vorschlag, der das Rentensystem...