Politik

Das Ende einer Supermacht: Die USA können die Welt nicht mehr dominieren

Die USA sind dabei, ihren Status als Supermacht zu verlieren. Wirtschaftlich haben die USA den ersten Platz schon an China abtreten müssen. Und auch ihr geopolitischer Einfluss nimmt stetig ab. Die Zeit der unipolaren Weltordnung ist vorbei, so Analysten von internationalen Banken. In der Geschichte habe sich gezeigt, dass Hegemonial-Mächte, die nur noch auf militärische Stärke setzen, vor dem Niedergang stehen. Auch in der Globalisierung gilt: It's the economy, stupid!
08.11.2014 01:15
Lesezeit: 3 min

In Laufe der Geschichte gab es immer Phasen, in denen eine Nation die Welt politisch und wirtschaftlich dominierte. Bis in das 20. Jahrhundert hinein war das britische Königreich die bestimmende Supermacht. Es folgte eine turbulente Zeit mit zwei Weltkriegen, aus denen die USA und die Sowjetunion als neue Supermächte hervorgingen. Seit dem Zusammenbruch der UDSSR sind die USA als einzige Supermacht übrig geblieben.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte dies neulich in einer Rede vor Studenten als gravierenden Umbruch gewertet. In den USA hatte man die Rede als Drohgebärde Russlands eingeordnet. Doch die FT kam in einer besonnenen Analyse zu dem Schluss, dass die Rede ein hinter starken Worten verstecktes Gesprächsangebot an den Westen sei. Tatsächlich hatte Putin gesagt, dass angesichts der globalen Bedrohungen eine enge internationale Zusammenarbeit nötig sei.

Doch nun rücken auch die ersten internationalen Banken von der Arbeitshypothese der US-Vorherrschaft ab.

Analysten von Saxobank und Deutsche Bank sind sich einig, dass diese unipolare Welt durch das aufstrebendes China beendet wird.

Die USA verlieren ihren Platz als die einzige dominante Supermacht und die Geschichte zeigt, dass während solcher Übergänge die geopolitischen Spanunngen ansteigen“, zitiert Zero Hedge den Chef-Analysten der Deutschen Bank Jim Reid.

Im Jahr 1950 lag Chinas Anteil an der Weltbevölkerung bereits bei 29 Prozent, aber sein Anteil an der Weltwirtschaft lediglich bei 5 Prozent. Bei den USA war es genau umgekehrt: nur 8 Prozent der Weltbevölkerung machten 28 Prozent der Weltwirtschaftsleistung aus. Doch nach mehr als 60 Jahren US-Dominanz sind wir nun Zeuge eines globalen Umbruchs. Darin sind sich Analysten von Saxobank und Deutsche Bank einig.

Die neue Weltordnung bedeutet weniger US-Dominanz, eine schrittweise Schwächung der Weltleitwährung und eine Stärkung der Handelzonen jenseits der USA und Europa.“, zitiert Zero Hedge den Finanzvorstand der Saxobank Steen Jakobsen.

Auch Jim Reid, Chef-Analyst der Deutschen Bank, ist sich sicher, dass die USA in naher Zukunft von China als größte Wirtschaftsmacht abgelöst werden.

„Ausgehend von den derzeitigen Trends wird China die USA in punkto Kaufkraft innerhalb der nächsten paar Jahre überholen. Die USA sind nicht länger die einzige wirtschaftliche Supermacht. Tatsächlich ist ihr Anteil an der Weltwirtschaftsleistung unter die 20-Prozent-Marke gefallen, die historisch betrachtet ein Indikator für die dominierende Wirtschaftsmacht ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten leben wir schon in einer bipolaren Welt, in der die USA und China ein Drittel der Weltwirtschaft kontrollieren.“, so der Deutsche-Bank-Analyst Reid.

Zwei Faktoren würden im Wesentlichen darüber entscheiden, ob ein Land zum Kreis der Supermächte zähle oder nicht, so Reid. Zum einen sei dies die Wirtschaftsleistung eines Landes. Zum anderen entscheide der „geopolitische Faktor“ darüber, ob ein Land eine Supermacht sei. Dieser bestehe aus dem kulturellen Einfluss einer Gesellschaft auf den rest der Welt („soft power“) und der Fähigkeit und Bereitschaft, sich diplomatisch und militärisch in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen.

Der „geopolitische Faktor“ erlaube es einer Nation, ihre wirtschaftlichen Nachteile auf der weltpolitischen Bühne auszugleichen. So seien die USA vor dem zweiten Weltkrieg - trotz ihrer enormen Wirtschaftsleistung - noch keine Supermacht gewesen, weil sie sich vom Rest der Welt politisch isolierten. Im Gegensatz dazu sei die Sowjetunion im Kalten Krieg - trotz einer viel schwächeren Wirtschaftsleistung - eine Supermacht gewesen, so der Deutsche-Bank-Analyst. Heute würden die USA nur noch aufgrund ihres geopolitischen Einflusses den Status einer Supermacht genießen, so Reid weiter. Die US-Militärausgaben machen immerhin 35 Prozent der weltweiten Ausgaben für Rüstung aus.

Dagegen blieb China im Vergleich zur enormen Wirtschaftsleistung bisher geopolitisch hinter seinen Möglichkeiten zurück, so Reid weiter. Die chinesische Regierung ordne alles dem Wachstum der heimischen Wirtschaft unter und strebe auch nicht um jeden Preis den Status einer Supermacht an. Das spiegele sich auch im Miliärbudget der Chinesen wider, das nicht einmal ein Drittel der Rüstungsausgaben der USA beträgt, so der Deutsche-Bank-Analyst.

Doch die weltpolitische Situation hat sich in den letzten fünf Jahren zunehmend geändert. Nicht nur, dass die Wirtschaft Chinas deutlich schneller wächst als die der USA, auch der geopolitische Einfluss der Amerikaner in der Welt wird immer geringer. Die USA sind gezeichnet von ressourcenraubenden Konflikten im Irak und in Afghanistan und verlieren zunehmend an Macht, während sich neue Allianzen gegen die USA formen. Sie sind nicht mehr in der Lage, die Konflikte im Alleingang zu lösen, was die jüngsten Ereignisse in der Ukraine, Syrien und dem Irak deutlich zeigten.

„Es ist ein Schlüsselkonzept, dass die Welt regelmäßig Zyklen von Neubewertungen durchläuft und diese Phasen gehen mit Spannungen und Volatilität einher. China und Russland bauen gerade eine starke Anti-USA- und Anti-Dollar-Allianz auf. Diese Allianz gewinnt zunehmend an Größe und Einfluss- Gleichzeitig dehnt China seine Präsenz in Afrika, aber auch in Südeuropa, mittels Infrastruktur-Investitionen aus.“ so Jakobsen.

Auch im eigenen Land schlägt die Stimmung der US-Bürger zunehmend um. In einer Umfrage des Pew Research Center wurden sie nach der zukünftigen Rolle der USA in der Welt befragt. Die Mehrheit (52 Prozent) war der Meinung, die „USA sollten sich international um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und andere Länder so gut es geht allein zurecht kommen lassen“. Im Vergleich dazu, stimmten nur 30 Prozent dieser Aussage im Jahr 2002 zu.

Der schwindende Einfluss der USA in der Welt, die schwächelnde Wirtschaft und die mangelnde Zustimmung im eigenen Land lassen für Jim Reid nur einen Schluss zu:

„Angesichts dieser Analyse sind wir uns einig, dass wir gerade mitten in einem sehr seltenen historischen Moment sind – dem Niedergang einer Supermacht.“

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