Politik

EU unter Druck: Tsipras will mit Putin über Russland-Sanktionen sprechen

Der griechische Premier Tsipras wird am Montag mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die EU-Sanktionen sprechen. Im Poker um den Schuldenstreit stehen die Zeichen daher – wenig verwunderlich – auf Einigung. Die Eurozone bereitet bereits eine entsprechende Sprachregelung vor und spricht von „Fortschritten“ und einem „Einlenken“ Griechenlands.
03.04.2015 19:06
Lesezeit: 3 min

Die Euro-Retter sind auch über Ostern hektisch bemüht, den Verhandlungspoker mit Griechenland nun endlich zu einem Ende zu bringen, sagte der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, am Samstag.  Die Entwürfe, die Griechenland zu dem von der Troika verlangten Programm einreiche, verbesserten sich kontinuierlich: „Sie liefern immer mehr und mehr Vorschläge, die auch immer detaillierter sind, in einigen Teilen werden wir sicher eine Übereinkunft erreichen“, zitiert ihn der Telegraph.

Der Hintergrund: Premier Alexis Tsipras spielt einen recht geschickten Poker, bei dem er vor allem das Interesse der EU auf seine bevorstehende Reise nach Moskau leitet. Wie die Zeitung Kathimerini berichtet, werden Tsipras und Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau über die Sanktionen sprechen. Ein Sprecher des Kreml sagte, dass die Sanktionen ein Thema der Gespräche am Montag sein werden: „Das Verhältnis zwischen Moskau und der EU wird diskutiert werden, und zwar im Licht der Brüsseler Sanktionspolitik und der kühlen Herangehensweise Athens an diese Politik“, sagte Dmitry Peskov.

Griechenland und Ungarn stehen den Sanktionen ablehnend gegenüber, bereits eine gute Mehrheit der EU-Staaten lehnt eine weitere harte Haltung gegen Moskau ebenfalls ab. Unangenehm für die Hardliner in der EU: Der Verhandlungserfolg der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini bei den Iran-Verhandlungen dürfte auch die Position Italiens deutlich stärken. Die Italiener sind unter den großen EU-Nationen die entschiedensten Gegner der Sanktionen gegen Russland.

Griechenland wiederum könnte mit einem Veto die Sanktionen stoppen. Dies ist vermutlich die stärkste Karte, die die Griechen bei den aktuellen Verhandlungen spielen können. Der Kreml-Sprecher sagte, dass es noch keine Gespräche über Finanzhilfen Russlands für Griechenland gegeben habe. Solche Gespräche sind im Grund auch nicht notwendig, weil die EU Griechenland nicht fallen lassen kann. Als Nato-Staat ist Griechenland ein unverzichtbarer Teil der Militärallianz, ein Abdriften Griechenlands in Richtung Moskau wird von Washington abgelehnt. Daher wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu einer erneuten Einigung mit der Eurozone über die Schuldenkrise kommen.

Auch an einer zweiten Front agieren die Griechen mit Augenmaß: Die Regierung hat mitgeteilt, dass das Land eine fällige Zahlung am kommenden Donnerstag an den Weltwährungsfonds (IWF) nicht leisten könne. „Wir sind bereit, den zum 9. April anstehenden Betrag zu zahlen“, sagte der stellvertretende Finanzminister Dimitris Mardas am Freitag dem TV-Sender Skai. Der griechische Staat habe im März deutlich mehr Steuern eingenommen als erwartet. Im übrigen wäre es kein Problem, würde Griechenland die IWF-Schulden später begleichen. Dies geschieht relativ häufig bei Schuldenstaaten, eine verspätete Rückzahlung von IWF-Krediten führt nicht automatisch zur Staatspleite eines Staates.

Das Krisenland muss am 9. April einen Kredit von rund 450 Millionen Euro an den IWF zurückzahlen. Auf die Frage, wie lange die Liquidität des griechischen Staates reichen werde, antwortete Mardas, dies könne man nicht sagen. Zu den - vor allen außerhalb Griechenlands verbreiteten - Befürchtungen, wonach Athen kurz vor Pleite stehe, meinte er, die griechische Regierung kenne die Finanzlage des Staates besser als die ausländischen Geldgeber.

In der Eurozone bereitet man sich bereits darauf vor, die Einigung als Einlenken Griechenlands zu verkaufen. Die Chancen für einen Verbleib des pleitebedrohten Griechenlands in der Eurozone haben sich nach Einschätzung von Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise verbessert. „Ich glaube nicht an einen Grexit, ich denke die griechische Regierung wird einlenken. Sie ist schließlich nicht gewählt worden, um Griechenland aus dem Euro herauszuführen und einen wirtschaftlichen Großschaden anzurichten“, sagte Heise der dpa.

„Griechenland ist auf die Unterstützung der internationalen Geldgeber angewiesen, daran führt kein Weg vorbei“, betonte Heise. Das Land hängt seit 2010 am Tropf der Europartner, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Nach Einschätzung von Experten reicht das Geld in der griechischen Staatskasse bis Mitte April. Die Geldgeber wollen frische Milliarden nur dann nachschießen, wenn Griechenland weitere Reformen in die Wege leitet. Wird keine Lösung gefunden, könnte Hellas im schlimmsten Fall zu einem Austritt aus dem Euro gezwungen sein.

Die aktuelle Reformliste mache Hoffnung, befand Heise: „Da steht vieles auf dem Papier, was in die richtige Richtung geht. Wichtig ist, dass es jetzt an die Umsetzung geht. Dann werden die internationalen Geldgeber Griechenland über Wasser halten.“ Die Links-Rechts-Regierung müsse jetzt Taten folgen lassen: „Wenn in Sachen Steuererhebung und Korruptionsbekämpfung wirklich etwas passiert, dürfte die Stimmung relativ schnell wieder ins Positive drehen.“

Dass die Regierung von Alexis Tsipras weiterhin hart verhandele, wundere ihn nicht, sagte Heise: „Da wird immer noch gepokert.“ Er könne sich jedoch nicht vorstellen, dass das Land Kredite - etwa des IWF - nicht wie vereinbart rechtzeitig zurückzahlen werde. „Eine Nichtzahlung an den IWF würde Chaos auslösen, das wird die griechische Regierung nicht riskieren wollen.“ Athen muss am kommenden Donnerstag (9.4.) eine Rückzahlung von rund 450 Millionen Euro an den IWF stemmen.

Nach dem Schlingerkurs der vergangenen Wochen hoffe er auf „einen gewissen Lerneffekt“ bei der jungen Athener Führungsriege, sagte Heise: „Die griechische Regierung hat erfahren müssen, dass ihr Kurs die Geldgeber verprellt und die Finanzmärkte in Aufregung versetzt hat. Das sollte ihr eine Lektion gewesen sein.“

Ein Restrisiko bleibe jedoch, dass Hellas die Eurozone verlassen müsse - womöglich unbeabsichtigt: „Das Risiko eines Unfalls, eines ,Graccidents' ist nicht gleich null, aber es ist reduziert worden durch die Reformliste“, sagte Heise. „Die Frage ist, ob die Umsetzung nun auch angegangen wird. Wenn das nicht der Fall ist, wird uns die Krise wieder einholen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Misserfolg bei Putins Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Die marode Kriegswirtschaft interessiert kaum jemanden
23.06.2025

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg sollte Russlands wirtschaftliche Stärke demonstrieren. Stattdessen offenbarte es die dramatische...

DWN
Politik
Politik Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus
23.06.2025

Die EU will künftig zentral über die Vergabe von Zwangslizenzen entscheiden – ein tiefer Eingriff in das Patentrecht, der die...

DWN
Technologie
Technologie Umfrage: Zwei Drittel für europäischen Atom-Schutzschirm
23.06.2025

Eine Forsa-Umfrage zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Aufbau eines europäischen nuklearen Schutzschildes befürworten....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Internationale Anleger kehren der Wall Street den Rücken
23.06.2025

Ölpreise steigen, geopolitische Risiken nehmen zu – und Europas Aktienmärkte wirken plötzlich attraktiv. Während die US-Börsen ins...

DWN
Politik
Politik Personalmangel im öffentlichen Dienst - DGB fordert mehr Personal
23.06.2025

Milliardeninvestitionen sollen in Deutschland die Konjunktur ankurbeln. Doch Personalmangel in Behörden könnte den ehrgeizigen Plänen...

DWN
Politik
Politik Iran-Israel-Krieg: Internet überflutet mit Desinformation
23.06.2025

Falsche Videos, manipulierte Bilder, inszenierte Explosionen: Der Konflikt zwischen Iran und Israel spielt sich längst auch im Netz ab –...

DWN
Politik
Politik Aus Angst vor Trump: China lässt den Iran im Stich
23.06.2025

Chinas harsche Kritik an den US-Angriffen auf Iran täuscht über Pekings wahres Kalkül hinweg. Im Hintergrund geht es um knallharte...

DWN
Politik
Politik US-Angriff auf den Iran: Die Märkte bleiben erstaunlich ruhig
23.06.2025

Trotz der Angriffe auf iranische Atomanlagen bleiben die globalen Märkte ruhig. Doch die Straße von Hormus bleibt ein geopolitischer...