Politik

EU-Deal in Gefahr: Linker Flügel droht Tsipras mit Meuterei

In Griechenland braut sich der nächste Sturm gegen Alexis Tsipras zusammen: Der linke Syriza-Flügel lehnt den EU-Deal ab. Die Euro-Retter setzen auf eine Spaltung der Syriza und hoffen, dass Tsipras bald Neuwahlen ausrufen muss. Dann könnte eine Technokraten-Regierung das neue Austeritäts-Programm in Griechenland implementieren.
13.07.2015 14:12
Lesezeit: 2 min

Der linke Flügel der Syriza-Partei von Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras ruft zum Widerstand gegen die Ergebnisse des Euro-Gipfels auf. "Nach 17-stündigen Verhandlungen haben die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone eine Vereinbarung geschlossen, die Griechenland und die Griechen demütigt", erklärte die Partei-Linke am Montag auf ihrer Internetseite. "Das griechische Volk darf sich dadurch nicht entmutigen lassen, im Gegenteil: Es muss hartnäckig bleiben, wie es das im Referendum und den landesweiten Protesten für ein 'Nein' bis ganz zum Ende war." Gegner der Einigung von Brüssel haben für den Abend zu einer Demonstration im Zentrum Athens aufgerufen.

Bloomberg sieht ebenfalls die Gefahr einer Meuterei:

Es handle sich um ein Rettungspaket mit noch härteren Konditionen als seine Vorgänger, das die Troika wieder etabliere und das Land dazu verdamme, "eine Schuldenkolonie" unter der Aufsicht einer von Deutschland geführten EU zu bleiben, kritisierte der radikale Flügel des Linksbündnisses. Die Griechen müssten Nein sagen - zum Rettungspaket, zum Neoliberalismus und der Sparpolitik, die das Rückgrat der Euro-Zone bildeten.

Die Spannungen im linken Syriza-Bündnis waren am Freitag offen sichtbar geworden, als 17 Angeordnete Tsipras im Parlament die Gefolgschaft bei der Frage verweigerten, ob er mit den Geldgebern überhaupt über ein neues Hilfspaket verhandeln darf. Tsipras bekam zwar die Zustimmung, war aber auf Stimmen der Opposition angewiesen. Auch für die anstehenden Abstimmungen über das Rettungspaket ist der Regierungschef auf die Unterstützung der Opposition angewiesen.

Mit den aufbrechenden Spannungen in der Regierung scheint der Plan der Euro-Retter aufzugehen, Premier Alexis Tsipras zu entmachten: Die Syriza-Koalition könnte an dem Vorschlag Tsipras die Gefolgschaft verweigern. Tsipras ist für Merkel ein Problem, weil er fast 50 Prozent der Bevölkerung hinter sich weiß, wie griechische Umfragen nach dem Referendum ergeben haben. Bei Referendum hatte Tsipras fast eine Zweidrittel-Mehrheit bekommen. Die anderen EU-Staaten sehen darin einen möglichen neuen Weg: Wenn man sich von der Austerität verabschiedet, könne man Wahlen gewinnen. Die Euro-Retter setzen offenbar darauf, dass die anderen Parteien dem Plan zustimmen werden. Sie hoffen, damit eine Mehrheit im griechischen Parlament zu erreichen oder aber Neuwahlen zu provozieren. Es ist auffällig, dass der neue Chef der konservativen Nea Dimokratia bei den Beratungen in Brüssel aufgetaucht war, auch die Pasok-Führung war in Brüssel erschienen, obwohl die Partei bei den jüngsten Wahlen in die Bedeutungslosigkeit versunken ist.

Es wäre denkbar, dass der griechische Präsident in einer Verfassungskrise eine Art Notstand ausrufen muss und eine Technokraten-Regierung einsetzt. Das hatte Griechenland schon einmal erlebt: Der damalige Premier Georgios Papadendreou war gestürzt worden, noch bevor er ein Referendum hatte durchführen können. Ihm folgt der Goldman Sachs-Banker Lucas Papademos. Auch Italiens Silvio Berlusconi überlebte seinen Widerstand gegen die Troika-Politik nicht: Er wurde vom Goldman-Banker Mario Monti ersetzt.

Auch viele Wähler äußerten sich enttäuscht und resigniert, wie Reuters berichtet. "Wissen Sie, es ist zwar schon ein Sieg, aber ein Pyrrhus-Sieg, weil die Bedingungen sehr streng sind", sagte die 73-jährige Marianna in Athen. "Die Menschen leiden seit fünf Jahren, und jetzt wird es noch schlimmer. Das macht es schwierig für uns."

"Ich bin sehr enttäuscht", sagte auch die 43 Jahre alte Angestellte Christina. Die Regierung habe zunächst sehr schwungvoll agiert und den Menschen einen Hoffnungsschimmer gegeben. "Wir waren auf schlechte Nachrichten vorbereitet, und dann ist das Schlimmste eingetreten. Das ist es, was die meisten Menschen jetzt empfinden."

Der Guardian hat dagegen einige optimistischere Stimmen eingesammelt. Demnach sind die Leute froh, dass sie nicht zur Drachme zurückkehren müssen und hoffen, an den Bankomaten bald mehr als 50 oder 60 Euro ziehen zu können. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, wird an der Frage liegen, wie die Banken-Rekapitalisierung gelingt. Dazu haben die Euro-Retter bisher keine Pläne vorgelegt.

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