Bisher hat die EU stets davon profitiert, dass Deutschland und Frankreich im entscheidenden Moment eine gemeinsame Linie verfolgten. Doch mit dem Krisen-Gipfel, bei dem Wolfgang Schäuble den Rauswurf Griechenlands aus dem Euro als Option auf den Tisch legte, hat sich das Verhältnis grundsätzlich geändert: Die französischen Eliten räsonieren offen darüber, dass es für den Euro am besten wäre, wenn Deutschland austritt.
War in Brüssel noch notdürftig ein Kompromiss gezimmert worden, der allen Seiten half, vorläufig weitermachen zu können wie bisher, zeichnet sich die Verschärfung des Konflikts im Zuge der Verhandlungen über neue Kredite für Griechenland ab.
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras kann dabei erneut auf die Unterstützung von Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande bauen: Beide mahnen bei den Verhandlungen zur Eile. Beide seien sich einig, dass die Gespräche bald nach dem 15. August abgeschlossen werden sollten, erklärte die Regierung in Athen am Donnerstagabend. Die Politiker hatten sich bei den Feierlichkeiten zur Eröffnung des neuen Suezkanals in Ägypten getroffen. Hollande sagte vor Journalisten, Ziel sei, die Verhandlungen bis Ende August abzuschließen. „Wir wissen, dass das schwer ist.“ Es müsse sichergestellt werden, dass die Bedingungen erfüllt seien.
Deutschland dagegen zweifelt an einem schnellen Abschluss: Die aus dem Schäuble-Ministerium stets gut informierte Bild-Zeitung hatte berichtet, dass die Bundesregierung an einer raschen Einigung mit Griechenland zweifele und mit einer weiteren Brückenfinanzierung rechne. Die EU-Kommission äußerte sich dagegen zufrieden mit dem Stand der Verhandlungen.
Die Tatsache, dass die EU-Kommission aktiv an den Verhandlungen mitwirkt, ärgert Schäuble besonders: Er hat vorgeschlagen, die Kommission zurückzustutzen und sieht in Junckers Truppe Beamte, die den politischen Willen der Mitgliedsstaaten umzusetzen hätten. Der französische EZB-Mann Benoit Coeuré dagegen hält das Euro-Prinzip der Macht der Einzelstaaten für überholt.
Schäubles Kalkül dürfte darauf hinauslaufen, dass die Zeit gegen Griechenlands Verbleib im Euro arbeitet. Er ist überzeugt, dass es für Griechenland besser sei, den Euro zu verlassen und Kredite für den Wiederaufbau außerhalb des Euro zu erhalten.
Die griechische Regierung verhandelt mit der Europäischen Zentralbank, dem Rettungsfonds ESM, dem Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission über ein drittes Kreditpaket im Volumen bis zu 86 Milliarden Euro. Sollten die Verhandlungen scheitern, droht eine Staatspleite. In diesem Fall würden die europäischen Steuerzahler etwa 240 Milliarden Euro verlieren. Nicht eingerechnet sind die Verluste, die die nationalen Zentralbanken wegen der EZB-Notfallkredite realisieren müssten.
Doch Schäuble ist offenbar entschlossen, diesmal auf den Regeln zu bestehen und damit die Franzosen vor die Alternative zu stellen, weiter mit Deutschland im Euro zu bleiben – oder eben nicht. Die Giganten der EU steuern auf einen Frontal-Crash zu. Es geht längst nicht mehr um Griechenland, sondern um die Zukunft des Euro und damit der EU.