Politik

Bundesamt ratlos: 290.000 unregistrierte Flüchtlinge in Deutschland

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat keinen Überblick mehr über die nach Deutschland eingewanderten Flüchtlinge: Das Amt vermutet etwa 290.000 unregistrierte Flüchtlinge in Deutschland. Bayerns Innenminister meldet, dass allein im September 270.000 Flüchtlinge in Deutschland angekommen seien.
30.09.2015 16:46
Lesezeit: 2 min

Der neue Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, beklagt eine völlig unübersichtliche Flüchtlingssituation in Deutschland. Bislang gebe es keinen guten Überblick, wie viele Menschen ins Land kämen, wo sie sich aufhielten, wie sie verteilt und ihre Anliegen bearbeitet würden, sagte Weise am Mittwoch in Nürnberg. Hier müsse mehr Transparenz her. Auch Rückstände müssten dringend aufgearbeitet werden. Schätzungen nach seien 290.000 Flüchtlinge in Deutschland noch nicht registriert.

Weise ist Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) und hatte nach dem Rückzug des bisherigen BAMF-Präsidenten Manfred Schmidt vor einigen Tagen zusätzlich die Leitung der Migrationsbehörde übernommen. Das Bundesamt ist mit der wachsenden Zahl von Asylbewerbern in Deutschland seit langem überfordert. Dort haben sich inzwischen mehr als 275.000 unerledigte Asylanträge angestaut.

Auch die Länder schlagen seit längerem Alarm: So sprach der saarländischen Innenminister Bouillon von einem ungeordneten, wilden Asyl-Strom. Die Sozialreferentin Münchens, Brigitte Meier, sagte vor einigen Wochen, dass München dringend einen geordneten Prozess der Einwanderung brauche, um die öffentliche Sicherheit gewähleisten zu können.

Für zwei Drittel der Asylbewerber dauere die Zeit von der Erfassung bis zum Bescheid derzeit fünf Monate, sagte Weise. In vielen Fällen seien die Menschen aber vor der Erfassung bereits zwei bis drei Monate im Land. Ein Drittel der Schutzsuchenden habe keinen Pass dabei. Das erschwere viele Verfahren.

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise will Weise unter anderem das Personal beim BAMF um mehrere Tausend Mitarbeiter aufstocken. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) unterstützt den Vorschlag und will darüber mit dem Finanzministerium verhandeln. Ziel ist laut de Maizière eine Personalstärke von 6300 Mitarbeitern. Derzeit hat die Behörde, die für die Bearbeitung aller Asylanträge in Deutschland zuständig ist, mehr als 3000 Mitarbeiter. Davon sind etwa 550 Asylentscheider.

Seit Anfang September sind nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mehr als 270.000 Flüchtlinge in Deutschland angekommen. Man müsse davon ausgehen, dass seit Monatsbeginn zwischen 270 000 und 280 000 Migranten in die Bundesrepublik eingereist seien, sagte Herrmann am Mittwoch im Landtag in München. «Das sind in diesem einen Monat mehr als im gesamten Jahr 2014», betonte er. Es handele sich dabei aber noch nicht um die endgültige Zahl - da gebe es noch einige Unwägbarkeiten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Dienstag gesagt, zu den Gesamtzahlen für den Monat September könne er sich erst in ein paar Tagen äußern. Als Grund nannte er, dass sich ein «nicht unerheblicher Teil» der Flüchtlinge der Registrierung entziehe oder trotz Registrierung an einen anderen Ort weiterziehe.

Herrmann begründete im Landtag die CSU-Forderung nach einer Begrenzung der Zuwanderung. Man arbeite auch an konkreten Vorschlägen, wie der «Druck» an den deutschen Grenzen reduziert werden könne. Die Staatsregierung prüft beispielsweise, «Transitzonen» einzurichten, um Flüchtlinge schon an der Grenze abweisen zu können - etwa wenn diese aus einem sicheren Herkunftsland kommen oder wenn ein anderes EU-Mitgliedsland für sie zuständig ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Technologie
Technologie BradyPrinter i7500: Revolution im Hochpräzisionsdruck

Sie haben genug vom altmodischen Druck großer Etikettenmengen? Keine Kalibrierung, keine Formatierung, kein umständliches Hantieren mit...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Gletscherschwund bedroht Menschheit – UN warnt
30.03.2025

Die Eisschmelze erreicht weltweit dramatische Ausmaße. Die Vereinten Nationen rücken 2025 die Krise in den Fokus und erklären den 21....

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen auf Zeit: Wie Sie eine möblierte Wohnung mieten und was dabei zu beachten ist
30.03.2025

In den Städten wird es immer schwerer, eine Wohnung zu finden. Immobilienunternehmen und Investoren haben daraus eine Marktlücke...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa im KI-Wettbewerb: Unbequeme Wahrheiten über DeepSeek, Trumps Einfluss und Deutschlands Wirtschaft
30.03.2025

Europa steht vor entscheidenden Herausforderungen: Wie kann der Kontinent seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sichern, während...

DWN
Panorama
Panorama Schifffahrt, Windenergie, Militär - auf der deutschen Nordsee geht der Platz aus
30.03.2025

Weite Horizonte, unbegrenzte Möglichkeiten: So stellen sich viele die Nordsee vor. Doch die Realität zeigt ein überlastetes Meer –...

DWN
Immobilien
Immobilien Grüne Zukunft oder nicht? Was von globalen Visionen wirklich bleibt
30.03.2025

Wer das Klima retten möchte, muss groß denken. An vielen Orten weltweit entstehen grüne Megaprojekte. Doch nicht immer führen große...

DWN
Immobilien
Immobilien Auszeichnung: Grüner Bunker gewinnt begehrten Immobilien-Oscar MIPIM
30.03.2025

Der Grüne Bunker in Hamburg hat auf der weltweit größten Immobilienmesse in Cannes einen renommierte Branchen-Award erhalten. Die Jury...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Droht neue Schuldenkrise? Deutschland erhöht die Verschuldung – Südeuropa bangt um Stabilität
29.03.2025

Die geplante massive Ausweitung des deutschen Haushalts hat Auswirkungen auf ganz Europa. Besonders betroffen sind hochverschuldete...

DWN
Finanzen
Finanzen Initiative treibt digitales Bezahlen in Deutschland voran
29.03.2025

Beim Einkaufen gewinnen digitale Bezahlverfahren zunehmend an Beliebtheit. Doch nicht alle Händler in Deutschland bieten bereits digitales...