Politik

EU windelweich: Erdogan erpresst Europa mit den Flüchtlingen

Lesezeit: 2 min
04.11.2015 00:25
Der türkische Präsident hat auf die EU-Politiker offenbar große Wirkung. In einem Interview gibt der österreichische Außenminister unumwunden zu, das Erdogan Europa mit den Flüchtlingen erpresst. Die EU will Erdogan bezahlen, damit er die Flüchtlinge mit Gewalt an der Ausreise hindert. Diese EU ist wirklich am Ende.
EU windelweich: Erdogan erpresst Europa mit den Flüchtlingen

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Rolle des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der globalen Politik ist einmalig: Zuerst bombardierte die Türkei völkerrechtswidrig Stellungen die Kurden im Nordirak und in Syrien. Es ist völlig unklar, wen Erdogan bombardieren ließ. Er behauptete, es gehe gegen den IS, räumte aber ein, bei der Gelegenheit auch gleich die PKK zu schwächen. Die Türkei ist Nato-Land und engster Verbündeter der USA. Ihre Rolle in Syrien ist äußerst dubios. So soll der türkische Geheimdienst der Drahtzeiher hinter dem Sarin-Giftgasangriff gewesen sein, über den die EU bis heute schweigt und sich der Vorgabe der US-Neocons angeschlossen hat, dass Syriens Präsident Assad verantwortlich sein soll. Doch selbst die US-Geheimdienste zweifeln an der offiziellen Lesart.

Danach bekämpfte Erdogan die kurdische HDP im eigenen Land. Unabhängige Medien wurden gestürmt und unter Kuratel gestellt. Kurdische Politiker wurden verhaftet. Mit der Angst als Wahlkampftaktik schaffte Erdogans AKP am vergangenen Sonntag die absolute Mehrheit.

Nun wendet sich Erdogan der EU zu – und erpresst die EU ganz augenscheinlich mit den Flüchtlingen. Angela Merkel war als Bittstellerin nach Ankara gereist und bot Erdogan eine Milliarde Euro an, wenn er die Flüchtlinge in der Türkei halte. Doch sie musste mit leeren Händen abreisen. Die Türkei will mindestens drei Milliarden – und vor allem Visafreiheit und die beschleunigte Aufnahme in die EU. Außerdem sagte der türkische Premier Ahmed Davutoglu, die Türkei werde keine Konzentrationslager errichten. Nun wollen CDU und CSU in Deutschland Transitzonen errichten, deren Charakter dem von Internierungslagern entspricht. 

Dieses Junktim war bisher öffentlich nicht ganz klar zu Tage getreten. Es war allerdings klar, dass dergleichen im Hintergrund läuft. Die EU hat zu allen aggressiven Handlungen von Erdogan bisher geschlossen geschwiegen. EU-Kommissar Günter Oetinger hat sich sogar entschuldigt, dass an den deutschen politischen Stammtischen schlecht über die Türkei gesprochen worden sei. Doch nun hat der österreichische Außenminister Sebastian Kurz in einem Interview mit der FAZ unverhüllt eingestanden, dass es genau so ist. Kurz sagte: „Die Türkei ist imstande dazu, die Flüchtlinge auf ihrem Weg in die Europäische Union aufzuhalten. Die Türkei kann den Zustrom innerhalb weniger Tage oder Wochen beenden, wenn sie das möchte.“ Doch die Türkei verlangt einen hohen Preis. Kurz: „Es geht nicht nur um finanzielle Unterstützung, die Türkei fordert Visa-Freiheit und eine echte Beitrittsperspektive in die EU.“

Wie schwach die EU geworden ist, zeigt, dass Kurz diesem Druck gerne so schnell als möglich nachgeben möchte: „Wenn wir eine Kooperation mit der Türkei eingehen, dann sollten wir offen aussprechen, dass wir das tun, weil wir am Ende unserer Kapazitäten angelangt sind.“

Besonders entlarvend ist die von der FAZ in indirekter Rede wiedergegebene Aussage, dass die Türkei gegen die Flüchtlinge eben auch mit roher Gewalt vorgeht. Die FAZ zitiert den Außenminister: „Das Land gehe hier wesentlich entschlossener vor, als das in Europa üblich sei.“

Weil der „Kontrollverlust“ in der EU offenbar bereits weit fortgeschritten ist, wirft die EU also ihre humanitären Prinzipien über Bord und bezahlt einen anderen Staat, damit er die Menschenrechte mit Füßen tritt. Denn hätten die chaotischen EU-Politiker auch nur einen Funken Anstand, dann müssten sie sagen, dass die Menschenrechte auch für die Flüchtlinge universell gelten – also auch in der Türkei. Die Bezahlung dafür, dass andere Menschen misshandelt werden, war bisher nur in Mafia-Kreisen üblich.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...