Politik

Frankreich: Änderung der Verfassung, um „Sonder-Maßnahmen“ durchzusetzen

Frankreich wird sich nach den Anschlägen in Paris weiter in Richtung Polizeistaat entwickeln: Die Verfassung soll geändert werden. Der Ausnahmezustand reiche nicht aus, um den Terror zu kämpfen, sagte Präsident Hollande am Montag. Die Geheimdienste der USA und Frankreichs werden ab sofort eng kooperieren.
16.11.2015 21:36
Lesezeit: 2 min

Frankreichs Staatschef François Hollande will noch diese Woche ein Parlamentsvotum zur Verlängerung des nach den Anschlägen von Paris verhängten Ausnahmezustandes. In einer seltenen Ansprache vor den Senatoren und Abgeordneten forderte Hollande am Montag zudem eine Änderung der Verfassung, um den „Kriegs-Terrorismus“ wirkungsvoll bekämpfen zu können. Zum Abschluss seiner Rede im Schloss von Versailles wurde die Nationalhymne angestimmt.

Das Parlament solle sich bereits am Mittwoch mit dem Vorschlag befassen, den Ausnahmezustand auf drei Monate zu verlängern, sagte Hollande. Er hoffe auf ein positives Votum bis Ende der Woche. Hollande hatte den Ausnahmezustand am Freitagabend nach den Anschlägen von Paris mit 129 Toten verhängt. Der Ausnahmezustand kann zunächst per Dekret für höchstens zwölf Tage verhängt werden. Eine Verlängerung darüber hinaus muss per Gesetz vom Parlament gebilligt werden.

Eine Verlängerung des Ausnahmezustands sei aber nicht ausreichend, sagte Hollande in Versailles. Um wirkungsvoll gegen den „Kriegs-Terrorismus“ kämpfen zu können, sei eine Verfassungsänderung nötig. Dabei geht es nach Worten des Sozialisten insbesondere darum, im Kampf gegen den Terrorismus leichter Sondermaßnahmen ergreifen zu können.

Außerdem wird die Überwachung der Bürger verschärft: So sollen die Geheimdienste der USA und Frankreichs enger zusammenarbeiten. US-Verteidigungsminister Ashton Carter und Geheimdienst-Direktor James Clapper hätten entsprechende Anweisungen an die Streitkräfte erteilt, erklärte Carters Ministerium am Montag. Präsident Barack Obama hatte die Maßnahmen beim G20-Gipfel in der Türkei in Aussicht gestellt. Demnach sollen Geheimdienst- und Einsatz-Informationen schneller und häufiger weitergegeben werden können. US-Außenminister John Kerry traf am Montagabend in Paris ein, um der Regierung den Rücken zu stärken.

Hollande rief seine Landsleute zu „Einheit“ und „Durchhaltevermögen“ auf. „Die Terroristen glauben, dass sich die freien Völker vom Horror beeindrucken lassen“, sagte Hollande. „Das ist nicht der Fall.“ Die Auftraggeber der Anschläge sollten wissen, dass ihre Verbrechen Frankreich nicht erschüttern, sondern seine Entschlossenheit noch stärken würden, die Dschihadisten zu „zerstören“.„Die Kriegsakte von Freitag wurden in Syrien entschieden und geplant, vorbereitet und organisiert in Belgien, ausgeführt auf unserem Boden mit französischen Komplizen“, sagte Hollande. Weil in Syrien noch weitere Anschläge geplant würden, interveniere Frankreich, um die Dschihadisten „auszumerzen“, und werde seine Einsätze noch verstärken.

Hollande betonte nach den Anschlägen mit 129 Toten, Frankreich befinde sich nicht in einem „Krieg der Zivilisationen“, sondern in einem „Krieg gegen den dschihadistischen Terrorismus, der die ganze Welt bedroht“. Er forderte eine baldige Sitzung des UN-Sicherheitsrats, um eine Resolution zum Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu verabschieden. Syrien sei zur „größten Fabrik von Terroristen in der Welt“ geworden, kritisierte Hollande. Die Staaten seien noch immer zu sehr gespalten in ihrer Haltung zu dem Konflikt, beklagte Hollande und kündigte für die kommenden Tage Gespräche mit Russlands Staatschef Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama über den Kampf gegen die Dschihadisten an.

Zugleich betonte er, die Menschen im Irak und Syrien seien die ersten Opfer der IS-Miliz. „Daher ist es entscheidend, dass Europa in Würde jene aufnimmt, die Anrecht auf Asyl haben, aber jene in ihre Länder zurückschickt, die darauf kein Anrecht haben, was den effektiven Schutz der Grenzen erfordert“, sagte Hollande. Daran arbeite Frankreich mit Deutschland und anderen Ländern.

Er forderte, dass seit langem bestehende Forderungen Frankreichs endlich angegangen würden. Insbesondere sollte noch vor Jahresende die Einführung eines europäischen Passagierregisters beschlossen werden, um Extremisten verfolgen zu können. Diese Forderungen werde Frankreich am Freitag beim Treffen der EU-Innenminister in Brüssel wiederholen, sagte Hollande.

Angegriffen worden sei bei den Anschlägen am Freitagabend „Frankreich, das das Leben liebt, die Kultur, den Sport, das Feiern“, sagte Hollande. „Das Frankreich, dass die Mörder töten wollten, war die Jugend in all ihrer Vielfalt. Die meisten Toten waren nicht einmal 30 Jahre alt. Was angegriffen wurde, war ein Frankreich, das offen war zur Welt.“

Die Senatoren und Abgeordneten erhoben sich nach Hollandes Rede zu langem Applaus, bevor sie gemeinsam die französische Nationalhymne anstimmten. Die Rede Hollandes im Schloss von Versailles ist äußerst ungewöhnlich: Es ist erst das zweite Mal in der neueren Geschichte Frankreichs, dass sich ein Staatschef vor den als Kongress vereinten Parlamentskammern äußert.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine-Krieg: Frieden zwischen Ukraine und Russland kann neue Aktienrallye in Europa auslösen
20.04.2025

Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas leidet in besonderem Maße unter den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Hohe...

DWN
Politik
Politik Was sich im Mai ändert: Neue Namensregeln, schärferer Biomüll-Kurs und Abschied von Skype
20.04.2025

Im Mai 2025 kommen wichtige Änderungen auf Bürger zu: Neue Nachnamensregeln für Familien, strengere Biomüll-Kontrollen, digitale...

DWN
Finanzen
Finanzen Ride Them Out: Den richtigen Moment in der Börsen-Blasen-Strategie finden
20.04.2025

Die Finanzwelt steht immer wieder vor der Frage, wie man in turbulenten Zeiten richtig handelt. Dieser Artikel beleuchtet, warum es oft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abschottung statt Gastfreundschaft: Trumps zweite Amtszeit trifft Amerikas Tourismusindustrie
20.04.2025

Internationale Reisende meiden die USA – Fälle willkürlicher Festnahmen an den Grenzen häufen sich. Europas Touristen ziehen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shell: Asien als Haupttreiber des LNG-Wachstums bis 2040
20.04.2025

Shell prognostiziert einen Anstieg des globalen LNG-Verbrauchs um 60 Prozent bis 2040, vor allem getrieben durch die steigende Nachfrage in...

DWN
Politik
Politik Asien-Investor: „Jetzt beginnt Trumps Schicksalsvierteljahr“
20.04.2025

Ein schwedischer Analyst in Vietnam sieht das Weiße Haus vor einem Finanzbeben – und erkennt zugleich geopolitische Chancen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands Brücken sind marode – reicht eine Finanzspritze aus?
20.04.2025

Deutschlands Brücken sind in einem kritischen Zustand – ein aktuelles Beispiel ist die A100-Brücke in Berlin. Die sogenannte...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft De-minimis-Ausnahme: Trump hat europäischen Unternehmen bisher ein Geschenk im Wert von 800 Dollar hinterlassen
19.04.2025

Trumps Zollpolitik ermöglicht es europäischen Unternehmen, Waren bis 800 Dollar zollfrei in die USA zu versenden. Doch Experten warnen,...