Politik

Angela Merkel warnt vor großer Massen-Flucht aus Syrien

Angela Merkel schürt die Angst der Deutschen vor einer Massenflucht aus den Flüchtlingslagern in der Türkei. Die Flüchtlinge leben dort unter verheerenden Bedingungen. Warum werden die europäischen Steuergelder nicht verwendet, um diesen Menschen jetzt sofort zu helfen? Warum hat man für diese Menschen kein Geld, wohl aber für einen gewaltigen Waffengang in Syrien? Warum gibt man die drei Milliarden Euro nicht den UN für die Lager, statt der Türkei?
01.12.2015 16:32
Lesezeit: 2 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat wegen der mangelnden finanziellen Hilfe für die Flüchtlingslager im Nahen Osten vor einer neuen Massen-Flucht nach Deutschland im kommenden Jahr gewarnt. Die Unterfinanzierung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und des Welternährungsprogramms für das kommende Jahr sei „nicht akzeptabel“, sagte sie nach einem Treffen mit dem neuseeländischen Ministerpräsidenten John Key am Dienstag in Berlin. „Wir haben weiter eine Unterfinanzierung von fast 50 Prozent. Es droht wieder die Flucht von sehr vielen Menschen“, sagte Merkel. Die Kürzung der Lebensmittelrationen in den Lagern für Syrer in der Türkei, Jordanien und dem Libanon gilt als einer der Gründe dafür, dass 2015 so viele Flüchtlinge in die EU und vor allem nach Deutschland kamen.

Die Frage, die sich hier zwangsläufig stellt: Warum springt die EU hier nicht ein? Im Vergleich zu den drei Milliarden Euro, die man dem türkischen Erdogan versprochen hat und von denen man nicht weiß, was die türkische Regierung damit machen wird, wären die europäischen Steuergelder deutlich besser angelegt, wenn man den Flüchtlingen in den Lagern der UNHCR sofort und großzügig helfen würde. Es ist eine Groteske, dass die Politiker in den reichen europäischen Staaten in der Flüchtlingskrise ihre Kräfte vor allem damit vergeuden, auf andere zu zeigen. Die europäischen Banken wurden in der Finanzkrise mit 200 Milliarden Euro gerettet – warum hilft man über die UN nicht den Flüchtlingen direkt?

Vor allem aber: Statt das Geld jetzt in massive militärische Aufmärsche zu stecken, um Russland noch im Kampf gegen den IS zu übertreffen, sollte man doch diesen Menschen zuerst helfen. Denn so präzise wie versprochen, werden und können die Luftschläge nicht sein, dass sie nicht neue Wellen der Vertreibung auslösen – und damit neues Elend und Fluchtbewegungen.

Ebenso sollte die Finanzierung des IS über die Türkei gestoppt werden: Das ist eine Maßnahme, die ohne großen finanziellen Aufwand zu machen ist. Die Kampfmoral der Terroristen wäre innerhalb von Tagen gebrochen.

Darüber hinaus könnte die EU die Türkei verpflichten, 10 Prozent der Gewinne, die der staatliche türkische Öl-Terminal im Hafen Ceyhan in den vergangenen zwei Jahren gemacht hat, in die Verbesserung der humanitären Bedingungen in den Lagern zu investieren.

Stattdessen schlägt Merkel für Anfang Februar eine Geberkonferenz in London vor, um die Finanzierung der Flüchtlingslager 2016 zu sichern. Der neuseeländische Ministerpräsident sagte zu, dass sich sein Land an den Kosten beteiligen werde. Neuseeland will zudem 750 syrische Flüchtlinge aufnehmen.

Ungeachtet der verheerenden Lage in den Lagern hat die Weltgemeinschaft erhebliche Summen zur Hand, um gemeinsame Bomben-Missionen in Syrien zu fliegen. Angela Merkel ist sich offenbar bewusst, dass die Bevölkerung die Zuspitzung im Nahen Osten als das aufnimmt, was sie ist: als Krieg. Um die Gemüter zu beruhigen, lehnte es die Kanzlerin ausdrücklich ab, das Wort zu verwenden: „Es handelt sich um einen militärischen Einsatz“, sagte Merkel am Dienstag nach einem Treffen mit dem neuseeländischen Premierminister John Key in Berlin auf die Frage, ob es sich um einen Kriegseinsatz der deutschen Soldaten handele. „Wir sind bereits seit September 2014 Teil der internationalen Allianz im Kampf gegen den IS“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Grüne blockieren schwarz-rotes Finanzpaket – Streit um Europas Zukunft
14.03.2025

Die Grünen stellen sich gegen das Finanzpaket von Union und SPD. Fraktionschefin Katharina Dröge fordert, Verteidigungs- und...

DWN
Technologie
Technologie Polen will Bau von AKW an der Ostsee 2028 starten
14.03.2025

Deutschland hat sein letztes Atomkraftwerk abgeschaltet. Polen indes will seinen ersten Reaktor direkt am Ostseestrand errichten. Das...

DWN
Panorama
Panorama Vorsorge Gesundheit: Krankenkassen-Boni noch bis 31. März sichern
14.03.2025

Viele Krankenkassen fördern ein gesundheitsbewusstes Verhalten ihrer Versicherten mit Bonuszahlungen. Wer davon profitieren möchte,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die unsichtbare Enteignung: Wie Inflation unser Vermögen entwertet
14.03.2025

Inflation – die größte legale „Enteignung“ der Geschichte? Während Verbraucher unter steigenden Preisen ächzen, kassiert der...

DWN
Immobilien
Immobilien Offene Immobilienfonds in Schockstarre: Anleger ziehen Milliarden ab - wie geht es weiter?
13.03.2025

Aktuelle Daten zeigen, dass Anleger Summen in Milliardenhöhe aus offenen Immobilienfonds abziehen. Januar war der schlimmste Monat seit...

DWN
Finanzen
Finanzen Fast 3000 Dollar: Goldpreis erreicht neuen Höchststand
13.03.2025

Zölle, Gegenzölle, Strafzölle: Der von den USA entfachte Handelsstreit treibt Anleger zum Gold als sicheren Hafen. Seit dem Amtsantritt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen-Absatzrekord: VW verkauft mehr Currywürste als Autos
13.03.2025

Vegan war gestern: Sie ist seit Jahren das meistverkaufte Produkt der Marke Volkswagen: die VW-Currywurst. Und während der Autoabsatz...

DWN
Politik
Politik AfD scheitert mit Klage gegen geplante Änderung des Grundgesetzes - Linke stimmen auch dagegen
13.03.2025

Die AfD ist mit dem Versuch gescheitert, die Sondersitzung des Bundestags mit den Beratungen über eine Änderung des Grundgesetzes zu...