Politik

Arbeitslosenzahlen höher als erfasst: Wie die Bundesagentur für Arbeit trickst

Die Bundesagentur für Arbeit führt Buch über die Arbeitslosenzahlen in Deutschland. Doch nicht jeder, der keinen Job hat, wird dort als arbeitslos aufgeführt. Warum viele Arbeitslose nicht in der Statistik auftauchen.
28.08.2025 15:21
Lesezeit: 2 min
Arbeitslosenzahlen höher als erfasst: Wie die Bundesagentur für Arbeit trickst
Die Bundesagentur für Arbeit erfasst zwar umfangreiche Daten, doch ein großer Teil der Erwerbslosen gilt offiziell nicht als arbeitslos. (Foto: dpa) Foto: Patrick Pleul

Arbeitslosenzahlen höher als erfasst: Wie viele Menschen aus der Statistik fallen

Die offiziellen Zahlen zu Arbeitslosen in Deutschland zeichnen ein verzerrtes Bild. Viele Arbeitslose tauchen nicht in der Statistik auf. Die Bundesagentur für Arbeit erfasst zwar umfangreiche Daten, doch ein großer Teil der Erwerbslosen gilt offiziell nicht als arbeitslos. Damit liegt die wahre Zahl der Arbeitslosen deutlich höher, als es die veröffentlichte Quote vermuten lässt.

Unterschied zwischen offizieller Definition und Alltagsverständnis

Für die meisten bedeutet „arbeitslos“, keinen Job zu haben und keiner Ausbildung nachzugehen. Nach dem Sozialgesetzbuch III zählt jedoch nur, wer vier Bedingungen erfüllt: aktuell ohne Beschäftigung, auf der Suche nach einer sozialversicherungspflichtigen Stelle, für die Vermittlung verfügbar und bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos gemeldet. Außerdem darf keine Teilnahme an einer Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik vorliegen, wie etwa einem Bewerbungstraining.

Brisant bleibt zudem: Wer älter als 58 Jahre ist, Bürgergeld bezieht und seit zwölf Monaten kein Jobangebot erhielt, fällt aus der Statistik – sofern dieser Zustand vor 2022 bestand. Trotz Abschaffung der Regelung kamen Betroffene nicht zurück in die offizielle Erfassung der Arbeitslosen.

Wer ohne Job bleibt, aber nicht als Arbeitslose gezählt wird

Im März 2025 meldete die Bundesagentur knapp drei Millionen registrierte Arbeitslose. Hinzu kommen Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen oder mit längerer Krankheit, die als „unterbeschäftigt“ gelten. In dieser Gruppe finden sich etwa 731.000 Personen, die nicht als arbeitslos geführt werden, wie die NOZ zuerst berichtete.

Zudem beziehen mehr als 408.000 Bürgergeldempfänger keine Erwerbsarbeit, da sie durch Kindererziehung, Pflege oder Haushalt gebunden sind. Für die Behörde gilt eine Erwerbstätigkeit in solchen Fällen als unzumutbar. Über 60.000 weitere Menschen fallen unter die Sonderregelung für über 58-Jährige.

Die wahre Größenordnung der Erwerbslosigkeit

Addiert man alle Gruppen, ergibt sich ein klares Bild: Rund 1,204 Millionen Menschen im arbeitsfähigen Alter haben keinen Job, zählen aber nicht als Arbeitslose. Zusammen mit den offiziell registrierten Arbeitslosen ergibt das knapp 4,2 Millionen Erwerbslose. Das entspricht einer Quote von 9,1 Prozent – rund 30 Prozent höher als die offizielle Quote von 6,4 Prozent.

Ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit betont: „Die Arbeitslosen bilden ganz gut die Zahl derjenigen ab, die morgen eine Arbeit aufnehmen könnten.“ Arbeitgeber mit offenen Stellen sehen diese Zahl oft als relevanter an, obwohl viele Menschen so aus der Statistik fallen.

Unterschiedliche Messmethoden verschleiern das Bild

Die Definition bestimmt die Quote entscheidend. Die International Labor Organisation (ILO) setzt die Grenze für Beschäftigung schon bei einer Stunde pro Woche. Daher liegen die von Eurostat und dem Statistischen Bundesamt berechneten ILO-Arbeitslosenquoten bei nur 3,6 Prozent.

Solche Differenzen zeigen, dass die offizielle Arbeitslosenstatistik nur einen Teil der Realität abbildet. Wer ein vollständiges Bild vom Arbeitsmarkt erhalten möchte, muss hinter die veröffentlichten Zahlen blicken.

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