Politik

Moskau nervös: Russland rutscht unerwartet schnell in die Rezession

Russland ist unerwartet schnell in eine ernste Rezession gerutscht. Der russische Wirtschaftsminister präsentierte am Montag schlechte Zahlen. Der Ölpreis ist zu niedrig, dass Moskau wenig Spielraum hat, um diese Entwicklung anzufangen. Die geplante Privatisierung von Rosneft ist unter den aktuellen Marktbedingungen fast aussichtslos.
18.01.2016 15:34
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die russische Wirtschaft ist 2015 in die Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt sei um 3,8 oder 3,9 Prozent geschrumpft, zitierte die Nachrichtenagentur Tass am Montag Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew. 2014 war es noch um 0,6 Prozent gewachsen. Dem einst boomenden Schwellenland setzen der Einbruch der Ölpreise und die westlichen Sanktionen zu, eine Reaktion auf das russische Vorgehen auf der Krim. Der Internationale Währungsfonds rechnet in diesem Jahr mit einem erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung, der aber mit 0,6 Prozent deutlich kleiner ausfallen dürfte.

Auch die deutsche Wirtschaft bekommt die Krise in Russland zu spüren. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Exporte dorthin auf gut 20 Milliarden Euro nahezu halbiert, schätzt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Verschärft wurde dieser Trend durch die EU-Sanktionen, die im Lichte der aktuellen russischen Wirtschaftszahlen Deutschland mehr geschadet haben als Russland. Denn den Deutschen fehlen die Einnahmen, die Russen haben sich dagegen wenigstens diese Ausgaben gespart oder aber durch inländische Anbieter kompensiert. In diesem Jahr erwartet Deutschland einen erneuten Rückgang, der aber mit fünf Prozent vergleichsweise mild ausfallen soll. Allgemein geht man davon aus, dass die EU die Sanktionen in den kommenden Monaten wegen nachhaltiger Kontraproduktivität wieder aufheben möchte. Ob die US-Regierung dies allerdings zulässt, ist noch unklar.

Durch den Ölpreis-Rutsch droht in Russland eine Haushaltslücke von umgerechnet 36 Milliarden Euro. Diese Schätzung nannte Finanzminister Anton Siluanow am Samstag in einem Fernsehinterview für den Fall, dass der Ölpreis auf dem aktuellen Niveau verharrt und sich nicht wieder erholt. Seinen Worten zufolge könnte sich die Regierung in Moskau dann gezwungen sehen, auf ihre Rücklagen zurückzugreifen. Um das Defizit auszugleichen, sei es möglich, den staatlichen Vermögensfonds NWF anzuzapfen.

Im Haushalt 2016 ging die Regierung von einem Ölpreis von 50 Dollar je Barrel aus. Zuletzt notierte dieser aber bei 27 Dollar. Bleibe es bei dieser Differenz, würde das Land mehr als drei Billionen Rubel weniger einnehmen als geplant, führte der Minister aus.

In Russland machen Energieverkäufe etwa die Hälfte der Staatseinnahmen aus. Der drastische Rückgang der Ölpreise seit Mitte 2014 macht der Wirtschaft daher schwer zu schaffen. Denn auch die Landeswährung Rubel hat seitdem massiv an Außenwert verloren, zum Dollar beträgt das Minus mehr als 50 Prozent. Siluanow sagte, da der Ölpreis nicht mehr so stark fallen dürfte wie bisher, werde auch der Rubel nicht erneut in dem Ausmaß nachgeben.

Auch andere Ölförderländer geraten massiv unter Druck. So rief Venezuela am Freitag den Wirtschaftsnotstand aus. Ein entsprechender Erlass gibt dem sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro nun 60 Tage Zeit, Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur einzuleiten. Das Dekret stattet ihn mit Sondervollmachten aus. Laut Zentralbank ist die Wirtschaft des Opec-Landes in den ersten neun Monaten 2015 um 4,5 Prozent geschrumpft. Zugleich beschleunigte sich der Preisauftrieb auf 141,5 Prozent. Das ist höchste Inflationsrate weltweit.

Weil die Rosneft-Einnahmen infolge des Ölpreisverfalls deutlich eingebrochen sind, will die russische Regierung nun einen Teil des Ölkonzerns Rosneft verkaufen. „Wir müssen nun eine Entscheidung treffen, woher wir das Geld nehmen“, sagte Finanzminister Anton Siluanow am Samstag mit Blick auf das Haushaltsminus dem Fernsehsender Rossija-1. Deshalb sollten 19,5 Prozent von Rosneft verkauft werden. Dies hätte eigentlich bereits vor Jahren geschehen sollen, sagte Siluanow.

Die russische Regierung diskutiert seit Jahren darüber, ihren Rosneft-Anteil von 69,5 Prozent zu reduzieren. Eine 2013 getroffene Entscheidung zum Verkauf von 19,5 Prozent wurde später wieder revidiert. Der Finanzminister sagte, der fallende Ölpreis stelle den Staat vor neue Herausforderungen. „Der Ölpreis ist auf ein Viertel seines früheren Werts gefallen“, sagte Siluanow. „Wir müssen den Staatshaushalt mit neuen Realitäten und schrumpfenden Mitteln konstruieren.“

Tatsächlich können sich Beobachter aktuell nicht vorstellen, wie man unter den gegenwärtigen Bedingungen einen fairen Marktwert für Rosneft ermitteln soll. Den meisten erscheint das Vorhaben daher aktuell aussichtslos, wenn Moskau nicht riskieren will, die Anteile deutlich unter Wert zu veräußern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Misserfolg bei Putins Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Die marode Kriegswirtschaft interessiert kaum jemanden
23.06.2025

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg sollte Russlands wirtschaftliche Stärke demonstrieren. Stattdessen offenbarte es die dramatische...

DWN
Politik
Politik Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus
23.06.2025

Die EU will künftig zentral über die Vergabe von Zwangslizenzen entscheiden – ein tiefer Eingriff in das Patentrecht, der die...

DWN
Technologie
Technologie Umfrage: Zwei Drittel für europäischen Atom-Schutzschirm
23.06.2025

Eine Forsa-Umfrage zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Aufbau eines europäischen nuklearen Schutzschildes befürworten....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Internationale Anleger kehren der Wall Street den Rücken
23.06.2025

Ölpreise steigen, geopolitische Risiken nehmen zu – und Europas Aktienmärkte wirken plötzlich attraktiv. Während die US-Börsen ins...

DWN
Politik
Politik Personalmangel im öffentlichen Dienst - DGB fordert mehr Personal
23.06.2025

Milliardeninvestitionen sollen in Deutschland die Konjunktur ankurbeln. Doch Personalmangel in Behörden könnte den ehrgeizigen Plänen...

DWN
Politik
Politik Iran-Israel-Krieg: Internet überflutet mit Desinformation
23.06.2025

Falsche Videos, manipulierte Bilder, inszenierte Explosionen: Der Konflikt zwischen Iran und Israel spielt sich längst auch im Netz ab –...

DWN
Politik
Politik Aus Angst vor Trump: China lässt den Iran im Stich
23.06.2025

Chinas harsche Kritik an den US-Angriffen auf Iran täuscht über Pekings wahres Kalkül hinweg. Im Hintergrund geht es um knallharte...

DWN
Politik
Politik US-Angriff auf den Iran: Die Märkte bleiben erstaunlich ruhig
23.06.2025

Trotz der Angriffe auf iranische Atomanlagen bleiben die globalen Märkte ruhig. Doch die Straße von Hormus bleibt ein geopolitischer...