Die Nachrichtenagentur Reuters bringt einen interessanten Bericht über die Methoden, die der türkische Präsident Erdogan in seinen Verhandlungen mit der EU über die Zahlung für Flüchtlinge anwendet. Erdogan forderte laut der griechischen Website euro2day.gr 30 Milliarden Euro von internationalen Geldgebern, die sofortige Auszahlung des EU-Beitrags, und lehnte jedwede Instruktion der EU über die Verwendung der europäischen Steuergelder ab. Die EU-Verhandler wirken hilflos und sind der Erpressung offenbar vollständig ausgeliefert:
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat im November EU-Spitzenpolitikern einem griechischen Medienbericht zufolge mit der kompletten Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge gedroht, sollte die EU ihr Angebot an die Türkei nicht verbessern. Die Website euro2day.gr veröffentlichte am Montag die vierseitige Zusammenfassung eines Gesprächs, das Erdogan mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk am Rande des G20-Gipfels in Antalya geführt haben soll. Demzufolge fragte Erdogan, ob die EU seinem Land drei oder sechs Milliarden Euro zur besseren Unterbringung von Flüchtlingen zukommen lassen wolle. Als Juncker gesagt habe, dass die EU ein Paket von drei Milliarden Euro plane, soll Erdogan erwidert haben, dass die Türkei das Geld ohnehin nicht brauche. «Wir können die Tore nach Griechenland und Bulgarien jederzeit öffnen und die Flüchtlinge in Busse setzen.»
Sprecher von EU-Rat und EU-Kommission wollten der Nachrichtenagentur Reuters die Echtheit der Aufzeichnungen weder bestätigen noch dementieren. Vom Büro Erdogans war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Unklar war zudem, wer das Protokoll verfasst hat und wie die griechische Website daran gelangt ist.
Rhetorisch fragte der türkische Präsident seine Gesprächspartner den Angaben zufolge: «Wie wollen Sie mit den Flüchtlingen umgehen, wenn Sie keine Einigung erzielen? Die Flüchtlinge töten?» Tusk habe geantwortet, man könne die EU weniger attraktiv für Migranten machen, aber das sei nicht die Lösung, die man wolle. Daraufhin habe Erdogan geantwortet, dass die EU mit mehr als nur einem toten Jungen an der türkischen Küste konfrontiert werde. «Es werden 10.000 oder 15.000 sein. Wie wollen Sie damit umgehen?»
Den Angaben zufolge beklagte sich Erdogan zudem, dass die Türkei bei den EU-Beitrittsverhandlungen seit 53 Jahren auf Fortschritte warte. Juncker habe auf die Dringlichkeit der aktuellen Probleme in der Flüchtlingskrise hingewiesen und mit Blick auf ein Treffen in Brüssel Anfang Oktober gesagt: «Wir arbeiten hart, und wir haben Sie in Brüssel wie einen Prinzen behandelt.» Erdogan soll darauf erwidert haben: «Wie einen Prinzen? Natürlich, ich repräsentiere kein Dritte-Welt-Land.»
Die EU hat nach längerem Streit erst vergangene Woche das Paket in Höhe von drei Milliarden Euro für die Türkei bewilligt. Bundeskanzlerin Angela Merkel betrachtet das Land als Schlüssel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und war am Montag zu weiteren Gesprächen bei der türkischen Regierung in Ankara.
Wie schwach auch die Leute von Angela Merkel sind, zeigt eine Stellungnahme des offenkundig völlig überforderten CDU-Generalsekretärs Peter Tauber, über den die dpa am Donnerstag berichtete:
CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat für das gesunkene Vertrauen in die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung Verständnis gezeigt. «Viele wünschen sich, dass es sozusagen diesen einen Hebel gibt, den man umlegt und dann ist das Problem weg», sagte Tauber dem Sender MDR INFO. «Wir sind einfach überzeugt, dass es diese einfache Lösung nicht gibt, dass es länger dauert als es sich viele wünschen.»
Im jüngsten ARD-«Deutschlandtrend» hatte eine große Mehrheit der Deutschen der Flüchtlingspolitik der Regierung ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. 81 Prozent der Befragten fanden, die Bundesregierung habe die Situation nicht im Griff.
Tauber sagte weiter, Deutschland sei auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Es liege an den anderen Ländern, mitzuziehen. «Ich glaube, wir müssen das ein Stück weit jetzt durchhalten, damit es am Ende gut wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass es am Ende gelingt.»
The Greek Analyst hat das fragliche Protokoll auf Twitter gepostet. Interessant: Offenbar hat die EU vorgeschlagen, 3 Milliarden Euro pro Jahr an die Türkei zu überweisen:
Confidential docs of what went on b/w Tusk, Juncker & Erdogan in Nov meeting on #refugeecrisis. (via @euro2day_gr) pic.twitter.com/McVZAICayq
— The Greek Analyst (@GreekAnalyst) February 8, 2016