«Lausitzer Rundschau»
Die ehemaligen Ostblockländer mauern im wahrsten Sinne des Wortes. Österreich praktiziert eigene Obergrenzen, indem es pro Tag nur noch eine sehr kleine Zahl von Asylbewerbern aufnimmt. Und von der Achse Berlin-Paris, früher eine verlässliche Konstante bei der Bekämpfung von Krisen, ist in dieser Frage nichts zu sehen und zu hören. Praktisch steht nur noch das kleine Luxemburg fest zu Merkel. Um die Kanzlerin ist es einsam geworden.
«Nordwest-Zeitung»
Das Bild einer weitgehend schwächelnden Koalition gewinnt immer schärfere Konturen. Es mag als geschickter Schachzug durchgehen, dass Angela Merkel ihre bevorstehende unvermeidliche Niederlage auf europäischem Parkett mit der Regierungserklärung ankündigte und ihr damit die Dramatik nahm. Doch die Zahl der unentwegten Beifallklatscher nimmt ebenso ab wie die Hoffnung, dass die Kanzlerin die schwierige Situation schon irgendwie meistern werde.
«Mittelbayerische Zeitung»
Die kommenden Tage könnten das Schicksal der Kanzlerin besiegeln. Wird es beim EU-Gipfel keine Fortschritte bei der gemeinsamen Flüchtlingspolitik geben und bleibt Deutschland in Europa mit seiner Politik isoliert, dürfte der Druck aufMerkel weiter steigen, egal, wie zurückhaltend selbst CSU-Chef Seehofer sich derzeit gibt. Zumal zu befürchten steht, dass die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März von vielen Wählern für eine Abrechnung mit der Asylpolitik der Bundesregierung genutzt werden. Eine europaweit isolierte Kanzlerin, deren Partei für ihre Politik abgestraft wird, wird es schwer haben, ernst genommen zu werden.
«Saarbrücker Zeitung»
Um die Kanzlerin ist es einsam geworden. Stellt sich die Frage, wie lange sie noch an ihrem Kurs festhalten kann. Zumal es auch in den eigenen Reihen immer stärker gärt. Einen Fingerzeig darauf gab Merkel gestern durchaus: Nach ihren Worten soll der Gipfel klären, ob es sich noch lohne, den bisherigen Weg weiterzugehen. Damit stünde die Kanzlerin also an einem Scheideweg. Doch ist kaum anzunehmen, dass sie ihr Scheitern einräumen würde. Jetzt noch nicht. Schon im März findet der nächste EU-Gipfel statt. Und Landtagswahlen gibt es im kommenden Monat ebenfalls. Nach Lage der Dinge könnten die der Kanzlerin sogar Luft verschaffen.
«Schwäbische Zeitung»
Ja, es wird immer einsamer um Merkel. Manche Minister werden mutlos, andere versagen. Die CSU setzt die Kanzlerin enorm unter Druck, die Fliehkräfte in der Koalition wachsen, der Partner SPD wird unruhiger. Die Kanzlerin ist angespannt, ihre Flüchtlingspolitik wird von vielen nicht mitgetragen, schlimmer noch, nicht verstanden. Und doch wird der EU-Gipfel in Brüssel selbst im Fall des totalen Misserfolgs nicht Merkels D-Day werden. Er wird nicht über ihr Schicksal entscheiden. Denn zum einen hat die Kanzlerin alle ihre Erwartungen schon zurückgenommen, das vorläufige Scheitern schon eingestanden. Zum anderen folgt die Unionsfraktion Merkel zwar nicht geschlossen in der Sache, aber geschlossen, wenn es um die Macht geht.
«Badische Neueste Nachrichten»
Die alte europäische Masche, einen Konsens im Zweifelsfall durch mehr Geld quasi zu erkaufen, funktioniert nicht mehr, ebenso läuft der hilflos anmutende Appell nach mehr Solidarität ins Leere, da die einzelnen Mitgliedsstaaten dem nationalen Interesse Vorrang vor einer gesamteuropäischen Lösung geben. Angela Merkel, die in der Euro-Krise noch mit der ökonomischen Macht Deutschlands im Rücken als strenge Zuchtmeisterin auftreten konnte, ist dieses Mal nur noch Bittstellerin, die vom Entgegenkommen der anderen abhängig ist. Doch dieses ist nicht in Sicht.
«Frankfurter Rundschau»
Wer am Mittwoch Angela Merkels Regierungserklärung gehört hat, erlebte eine Kanzlerin, die sich entschlossen und standfest gibt. Doch nimmt man den Inhalt, dann ergibt sich - abgesehen von einigen richtigen Anmerkungen zur Bekämpfung von Fluchtursachen - ein Bild der Schwäche. Das Ziel, die Verantwortung für Flüchtende auf Europa zu verteilen, hat die Kanzlerin vorläufig aufgegeben. Sie wiederholte, es wäre «lächerlich», jetzt größere Kontingente zu fordern, da die beschlossenen nicht mal im Ansatz erfüllt sind. Das stimmt. Es bedeutet aber: Merkel hat ihre Ziele den Mehrheitsverhältnissen in der EU angepasst. Sie hat ihre Niederlage vorweggenommen, um sie nicht auf dem Gipfel zu erleiden.
«Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung»
Aller Voraussicht nach wird in Brüssel zwar wieder bis an den Rand der Erschöpfung gerungen werden. Aber Lösungen wird es kaum geben. Welchen Grund sollte irgendeine Regierung haben, nun einzulenken und Flüchtlingsquoten zuzustimmen? Auch die Kanzlerin weiß, dass es mit einer Gesprächsrunde nach der nächsten ohne wirklich greifbare und wirksame Ergebnisse nicht ewig weitergehen kann. Am Ende könnte sie mit derart leeren Händen dastehen, dass sie einsehen muss: Ohne ein entschlosseneres Vorgehen gefährdet sie das Schicksal ihrer eigenen Karriere, das ihrer Partei und das Europas. Merkel wird sich früher und später bewegen und einen «Plan B» aus dem Hut zaubern müssen. Denn sie wird feststellen: Europa tanzt nicht nach ihrer Pfeife.
«Stuttgarter Nachrichten»
Eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf möglichst alle EU-Staaten steht längst nicht mehr an der Spitze der deutschen Arbeitsliste. Erfolg oder Misserfolg des Gipfels entscheide sich nicht an der Frage der Kontingente, sagt Merkel, um nun ganz auf die europäisch-türkische Karte zu setzen. Mehr getrieben als gestaltend. Der Bundeskanzlerin wird es schwerfallen, ohne sichtbare Blessuren aus Brüssel zurückzukehren. Weil die EU in der Flüchtlingskrise in der Tat geschlossener auftreten könnte. Doch dieser Schulterschluss wäre ganz und gar nicht nach Merkels Geschmack.
«Neue Osnabrücker Zeitung»
Hohe Erwartungen richten sich in der Flüchtlingspolitik an den EU-Gipfel. Wenn das Treffen in Brüssel scheitert, wird es der Kanzlerin politisch schaden. Alleine kann Merkel in der Flüchtlingspolitik nur wenig ausrichten, solange die meisten anderen EU- Staaten weiterhin blockieren. Folgerichtig hat die müde wirkende Kanzlerin in ihrer rhetorisch schwachen Regierungserklärung vorsorglich die Erwartungen gedämpft. So ist es richtig, in Brüssel nicht über Kontingente bei der Verteilung zu sprechen. Mit einem Durchbruch zu rechnen wäre unrealistisch. In dieser Situation ist die Stimmung in Deutschland vor dem EU-Gipfel pessimistisch. Die Kanzlerin steht unter Zeitdruck und muss zugleich abwarten, bis sich die Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingszustroms spürbar auswirken.