Auf dem EU-Gipfel in Brüssel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bis weit nach Mitternacht mit ihren Kollegen über die Flüchtlingskrise gestritten. Gerungen wurde so zitiert die AFP einen Diplomaten, insbesondere um eine Formulierung, die als Aufruf zu Grenzschließungen an der Balkanroute verstanden werden könnte: Demnach sollen Schengen-Mitglieder an den Außengrenzen all jene Flüchtlinge abweisen, "die die Aufnahmebedingungen nicht erfüllen oder die nicht vorher Asyl beantragt haben, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten".
Das Problem könnte sich schon ab Freitag stellen, wenn Österreich tatsächlich seinen Plan umsetzt, täglich nur noch 80 Asylanträge an der Grenze zu Slowenien entgegenzunehmen. Dieses Vorgehen könnte mit Merkel abgestimmt sein, denn die Sorge der Kanzlerin bezieht sich offensichtlich nicht auf Österreich.
Tausende Flüchtlinge könnten sich dann insbesondere an der slowenischen Grenze zu Kroatien stauen, so die Befürchtung von Merkel. Slowenien liegt auf der Hauptroute der Flüchtlingsbewegung aus der Türkei durch Griechenland Richtung Norden und ist - anders als Kroatien - im Schengenraum, hat damit also eine Schengen-Außengrenze. Die Bundeskanzlerin setze demgegenüber auf eine "europäische Lösung" ohne nationale Grenzschließungen, sagte der Diplomat.
Um weitere nationale Maßnahmen zu verhindern, will die EU die Außengrenzen zum 1. März vollständig schließen und bereits an den Außengrenzen prüfen, welche Personen in die EU einreisen dürfen.
Dass Merkel auf dem Gipfel auf eine Änderung der Formulierung drängte, stieß, so die AFP, auf scharfe Kritik. "Seit zwei Stunden wird ein ausgewogener und direkter Entwurf für die Schlussfolgerungen auseinander gepflückt", schrieb der tschechische Europastaatssekretär Tomas Prouza auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.
Wenn die Verhandlungen über die Flüchtlingsfrage abgeschlossen sind, will EU-Ratspräsident Donald Tusk eine Pressekonferenz geben, wie Diplomaten sagten.
Danach gehen die Verhandlungen über die von Großbritanniens Premierminister David Cameron geforderten Reformen weiter, die einen Austritt des Landes aus der EU verhindern sollen. In der Nacht hat es ein Gespräch Tusk, Juncker und Cameron gegeben. Sollte es hier zu einem Kompromiss kommen, werden die Juristen die Vereinbarung in der Nacht prüfen. Ergebnisse werden erst tagsüber am Freitag erwartet.