Politik

Heftiger Konflikt: Merkel lehnt offizielle Schließung der Balkan-Route ab

Beim EU-Gipfel scheinen die Fronten zwischen Bundeskanzlerin Merkel und dem Rest der EU-Regierungschefs verhärtet: Merkel lehnt einen Satz im Schlussdokument ab, demzufolge die Balkan-Route nun offiziell geschlossen sei. Was Merkel genau statt dessen will ist unklar.
07.03.2016 13:05
Lesezeit: 2 min

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Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt in der Flüchtlingskrise eine offizielle Anerkennung der Abriegelung der Balkanroute ab. Ziel müsse es sein, „dass sich nicht nur für einige wenige Länder die Zahl der Flüchtlinge verringert, sondern für alle Länder inklusive Griechenlands“, sagte Merkel am Montag vor Beginn des EU-Türkei-Gipfels in Brüssel. Es könne deshalb „nicht darum gehen, dass irgendetwas geschlossen wird“.

Seit dem letzten EU-Gipfeltreffen im Februar hatten immer mehr Länder ihre Grenzen entlang der Balkanroute weitgehend geschlossen und Tagesobergrenzen für Flüchtlinge eingeführt. Deshalb konnten in Griechenland ankommende Flüchtlinge nicht mehr weiterreisen, zehntausende sitzen dort mittlerweile fest und müssen versorgt werden. Im Entwurf der Gipfelerklärung steht der Satz, dass die Route „nun geschlossen“ ist, was auf die Akzeptanz bislang heftig kritisierter Alleingänge entlang der Balkanroute hinauslaufen würde.

Merkel sagte, statt der Sperrung müsse das Ziel sein, „dass sich nicht nur für einige wenige Länder die Zahl der Flüchtlinge verringert, sondern für alle Länder inklusive Griechenlands“. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker setzte sich für die Streichung der Passage ein, wonach die irreguläre Migration durch den Westbalkan „zum Ende kommt“ und die Route „nun geschlossen ist“.

Diplomaten zufolge lehnt Deutschland den Satz in dieser Formulierung ab, berichtet die AFP. Dies sei bereits praktisch nicht zutreffend, wenn weiter Hunderte pro Tag in Deutschland ankämen, hieß es. Zudem sei die Bundesregierung nicht bereit, die Art und Weise zu akzeptieren, wie entlang der Balkanroute in den vergangenen Wochen vorgegangen worden sei. Nach Angaben eines EU-Diplomaten fand sie sich in einem überarbeiteten Entwurf nicht mehr: „Das wird umformuliert.“

Diese Streit um den einen Satz ist jedenfalls erstaunlich – den de facto ist die Route bereits dicht: Österreich hat vor einigen Tagen bekanntgemacht, dass Deutschland seit November nur noch Kontingente aufnimmt. Seit Januar werden sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge nach Österreich zurückgeschickt. Die Regierung in Wien sagt, dass dieses Verhalten Deutschlands Österreich gezwungen habe, seine Grenzen zu schließen. In der Folge hatten die anderen EU-Länder am Balkan ihre Grenzen geschlossen. Gleichzeitig fordert Österreich Deutschland dazu auf, Flüchtlinge direkt aus Griechenland, der Türkei oder Jordanien zu übernehmen. Österreich sei nicht bereit, zum Warteraum für Deutschland zu werden.

Er sei für „eine klare Sprache“, sagte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann. Wenn der Gipfel dazu auffordere, das „Durchwinken“ zu stoppen, heiße das in seiner Sprache, „die Route ist geschlossen“. Das setze das entscheidende Signal: „Schlepper sollen keine Chance haben.“

Auch Frankreichs Staatschef François Hollande sagte zu der Balkanroute: „Sie ist geschlossen, damit wird Griechenland den wesentlichen Teil der Flüchtlinge nehmen.“ Die EU-Partner müssten Griechenland helfen „und verhindern, dass weiter Flüchtlinge in Griechenland ankommen, deswegen müssen wir mit der Türkei zusammenarbeiten.“

Deutschland sei wiederum „nicht einverstanden mit einer Situation, bei der den letzten die Hunde beißen“ und Flüchtlinge sich unter nicht annehmbaren Bedingungen an der griechisch-mazedonischen Grenze stauten, hieß es.

Ziel müsse es sein, mit der Türkei „eine nachhaltige Lösung“ zu finden, damit auch die Flüchtlingszahlen in Griechenland zurückgingen, sagte Merkel.

Dabei müsse über die Versorgung von Flüchtlingen „in der Nähe ihrer Heimat“, den Schutz der Schengen-Außengrenze und den Kampf gegen illegale Migration geredet werden.

Der türkische Ministerpräsident Ahmed Davutoglu stellte in Brüssel hingegen überraschend neue Forderungen, um die Verpflichtungen zu erfüllen – bei Nichterfüllung drohte er, Hilfslieferungen für die Flüchtlinge in Syrien zu stoppen, wodurch sich noch mehr Menschen auf die Flucht Richtung Europa machen könnten.

Merkel will die Türkei durch das Versprechen zur direkten Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen aus dem Land dazu bringen, die ungesteuerte Migration zu stoppen. Die Kanzlerin will auch andere EU-Länder dafür gewinnen, sich daran zu beteiligen. Hollande zeigte sich offen: „Europa muss sich in einem Umsiedlungsprogramm engagieren“, sagte er. „Das heißt, es muss erreicht werden, dass syrische Flüchtlinge in Europa aufgenommen werden.“

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