Politik

Kein Verständnis in Deutschland für US-Kampfansage an Russland

Lesezeit: 4 min
01.04.2016 02:02
Die dauerhafte Stationierung einer US-Panzerbrigade in Osteuropa stößt in Deutschland auf wenig Verständnis: General Breedlove sagte, die Maßnahme sei gegen die aggressiven Russen notwendig. Die deutschen Zeitungen äußern sich überraschend ablehnend und schreiben, dass es sinnvoller wäre, die Panzer im Nahen Osten gegen den IS einzusetzen.

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Die USA und die Nato schalten in Osteuropa nach den Worten von US-General Philip Breedlove, Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, „von Sicherheit auf Abschreckung“. Breedlove stellte diese Doktrin am Donnerstag in der lettischen Hauptstadt Riga im Zusammenhang mit der Ankündigung vom Mittwoch vor, im Jahr 2017 dauerhaft eine Panzerbrigade mit 4200 Mann in Osteuropa zu stationieren. Zur Begründung verwies der US-General auf das „wiedererstarkende und aggressive Russland“.

Wir sind darauf eingestellt, zu kämpfen und zu siegen, wenn wir müssen“, sagte Breedlove nach Gesprächen mit Nato-Kommandeuren vom Baltikum. „Wir haben in den letzten beiden Jahren miterlebt, wie Russland seinen Einfluss auszudehnen sucht.“ Russland hatte 2014 die Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert und ist in den Konflikt in der Ostukraine verwickelt. Seither sind die baltischen Staaten und Polen an einer stärkeren Militärpräsenz der Nato interessiert.

Die Entsendung der Panzerbrigade nach Osteuropa war am Mittwoch vom US-Verteidigungsministerium angekündigt worden. Die Brigade werde Anfang 2017 entsendet und rotierend nacheinander in verschiedenen osteuropäischen Ländern stationiert sein, hieß es. Angaben dazu, wo die Einheit zuerst stationiert werden soll, machte das Pentagon zunächst nicht.

Die Präsenz der Brigade soll nach Angaben einer Pentagon-Sprecherin dazu beitragen, die Zusammenarbeit mit den osteuropäischen Nato-Partnern bei der Militärausbildung und bei Truppenübungen zu verbessern. Seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts hat die Nato ihre Präsenz in den osteuropäischen Nato-Staaten schrittweise verstärkt. So wurden unter anderem Kampfflugzeuge in die baltischen Staaten geschickt und Kriegsschiffe in der Ostsee und im Schwarzen Meer stationiert.

Die Pläne zur dauerhaften Stationierung einer US-Panzerbrigade in Osteuropa riefen heftige Kritik des Vorsitzenden des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck (SPD), hervor. Die Truppenstärkung an der Ostgrenze der Nato sei „der falsche Schritt zur falschen Zeit“, sagte Platzeck der Rheinischen Post.

Er verstehe das Sicherheitsbedürfnis der osteuropäischen Nachbarn Russlands, betrachte den Schritt in diesem Zusammenhang aber als kontraproduktiv, sagte der frühere brandenburgische Ministerpräsident. Bereits die Ankündigung von Gegenmaßnahmen durch den russischen Nato-Botschafter Alexander Gruschko zeige, dass durch die Verlegung der Panzer weniger und nicht mehr Sicherheit in Osteuropa entstehe.

Tatsächlich ist die Maßnahme eher ein Versuch, das Thema der Aufrüstung in Europa am Köcheln zu halten. Die US-Rüstungsindustrie befindet sich in einem harten globalen Wettbewerb und ist auf der Suche nach neuen Märkten für ihre Produkte. Breedlove selbst wird in Zukunft keine große Rolle mehr in Europa spielen: Die Nato-Streitkräfte in Europa bekommen nämlich schon bald einen neuen Oberbefehlshaber. Der US-General Curtis M. Scaparrotti soll nach Bündnisangaben vom Freitag im Frühjahr die Aufgaben seines Landsmannes Philip M. Breedlove übernehmen. Dieser war 2013 zum Europa-Oberkommandeur der Nato ernannt worden.

Der 60 Jahre alte Scaparrotti war bislang Befehlshaber der US-Streitkräfte und Kommandant der gemeinsamen südkoreanisch-amerikanischen Streitkräfte. Er machte im Gegensatz zu Breedlove nicht bei der Luftwaffe, sondern im Heer Karriere.

Breedlove war zuletzt bei sogar innerhalb der Alliierten umstritten. Aus Deutschland war ihm beispielsweise im vergangenen Jahr vorgeworfen worden, die militärische Rolle Russlands in der Ostukraine übertrieben dargestellt zu haben. Dies wurde als Gefahr für Friedensbemühungen angesehen. Nach Angaben von Diplomaten hat der Führungswechsel allerdings keine politischen Hintergründe, schreibt die aus Nato-Kreisen in der Regel gut unterrichtete dpa.

Die deutschen Zeitungen haben überraschend einhellig ablehnend auf die Kampfansage an Russland reagiert.

So schreibt die „Neue Osnabrücker Zeitung“:

„Die Erklärung für die fortgesetzte Entsendung von Einheiten nach Osteuropa ist seit Jahren dieselbe: Man wolle den dortigen Mitgliedstaaten, die eine russische Aggression befürchten, den Rücken stärken. Das Vorgehen der Nato gleicht einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Denn natürlich folgt die Reaktion Russlands auf dem Fuß, Moskau kündigt nebulös eine 'asymmetrische Antwort' an. Wie auch immer die konkret aussehen mag: Zur allgemeinen Beruhigung wird sie sicher nicht beitragen. Was wiederum den nächsten Nato-Schritt erwartbar macht. Diese allzu berechenbare Drohspirale folgt der Mechanik des Kalten Kriegs und gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“

Das „Straubinger Tagblatt“ kommentiert:

„Natürlich hat die Nato die Pflicht und das Recht, ihre Mitglieder zu schützen. Doch deutet nichts darauf hin, dass von Russland tatsächlich eine reale Bedrohung für das Bündnis ausgeht. Und wenn dem so wäre - 250 amerikanische Panzer und 4 500 Soldaten sind angesichts der militärischen Möglichkeiten von Präsident Wladimir Putin nur von symbolischer Bedeutung. Moskau kann innerhalb von Tagen bis zu 30 000 Mann an die Grenze bringen. Statt zurückzukehren zu den alten Mustern und eine Panzerbrigade von einem Nato-Staat zum nächsten tingeln zu lassen, um nicht formal gegen die Nato-Russland-Akte zu verstoßen, sollte intensiver daran gearbeitet werden, Dialogforen wie den Nato-Russland-Rat wiederzubeleben.“

Die „Volksstimme“ aus Magdeburg analysiert:

„Russland hat ganz andere Probleme, als sich auf die baltischen Republiken oder gar Polen zu stürzen. Die Einverleibung der Krim und die Aufrechterhaltung der Separatisten-Verwaltung in der Ostukraine sind aufwändig und teuer. Eine noch stärkere Belastung für die ins Trudeln geratene russische Wirtschaft ist der Militäreinsatz in Syrien. Bei dem arbeiten Russen und Amerikaner bekanntlich zusammen. Die syrische Wüste ist denn auch ein Terrain, auf dem 4200 amerikanische Panzer im Kampf gegen den IS besser zu gebrauchen wären als in litauischen Wäldern.“

Die Freie Presse aus Chemnitz schreibt:

„Bei der derzeitigen globalen Unsicherheit ist es deshalb unangebracht an den europäischen Grenzen wieder mit den Säbeln zu rasseln. Wichtiger als die Demonstration militärischer Stärke wären endlich diplomatische Initiativen, die Russland wieder an den Verhandlungstisch bringen. So könnte beispielsweise der 2014 im Zuge der Ukraine-Krise ausgesetzte Nato-Russland-Rat genutzt werden, um langsam neues Vertrauen aufzubauen. Wir brauchen keinen neuen Kalten Krieg, sondern eine ernsthafte Rückkehr zu außenpolitischer Diplomatie, die nicht auf Konfrontation setzt, sondern Wege zum Ausgleich der unterschiedlichen Interessen sucht. Die Rückkehr zu einer Ost-West-Konfrontation hilft weder Russland, die unbedingt notwendige Modernisierung der Wirtschaft anzugehen, noch der Europäischen Union, für deren Unternehmen der russische Markt derzeit weitgehend brach liegt.“

Die WAZ hält die Aktion für konterproduktiv:

„Das Vertrauen zwischen den USA und der Nato auf der einen und Russland auf der anderen Seite ist zerstört. Eine mühsam aufgebaute Partnerschaft ist einer feindseligen Gegnerschaft gewichen. Stellenweise ist dieser neue Kalte Krieg auch schon recht heiß geworden: Unterschiedliche, teilweise sich widersprechende Kriegsziele in Syrien und regelmäßige gezielte Verletzungen des Nato-Luftraums durch russische Kampfpiloten bergen immer wieder das Risiko einer auch kurzfristigen direkten militärischen Konfrontation. In einer solchen Situation der zunehmenden Spannungen ist die Reaktion der USA, eine dritte Kampfbrigade nach Europa zu verlegen, legitim und folgerichtig. Eine Nebenwirkung darf dabei allerdings nicht übersehen werden: Die Aufrüstung der USA in Osteuropa ist Wasser auf die Mühlen der dort regierenden Nationalisten. Und da diese die Europäische Union zunehmend von innen heraus beschädigen, nutzt das in gewisser Weise - ausgerechnet - den Russen.“

 

Von der Bundesregierung liegt zu dem Thema keine Stellungnahme vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach der Ausrichtung der Nato-Doktrin gegen Russland auch die deutsche Verteidigungsdoktrin dahingehend geändert, dass Russland künftig als Feind angesehen wird.

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