Politik

Türkei verlangt Strafe für Jan Böhmermann

Lesezeit: 2 min
10.04.2016 18:39
Die türkische Regierung verlangt von der Bundesregierung die Bestrafung des Satirikers Jan Böhmermann. Justizminister Maas möchte keine Bewertung abgeben, ob der Aufforderung Folge geleistet wird.
Türkei verlangt Strafe für Jan Böhmermann

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Türkei verlangt eine Bestrafung des Satirikers Jan Böhmermann nach dessen Verlesung eines Schmähgedichts über Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Das Auswärtige Amt erhielt eine entsprechende Verbalnote, wie es am Sonntag laut dpa aus Berliner Regierungskreisen hieß.

Die Bundesregierung werde den Inhalt der Note sorgfältig prüfen und zügig entscheiden, wie mit dem türkischen Verlangen nach Strafverfolgung umzugehen sei, schreibt die dpa. Dazu würden Mitarbeiter des Kanzleramts, des Auswärtigen Amts und des Justizministeriums Anfang der Woche zusammenkommen.

Böhmermann hatte das Gedicht mit dem Titel „Schmähkritik“ am 31. März in seiner satirischen Fernsehshow „Neo Magazin Royale“ präsentiert – und vorher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon, weil es Anzeigen gegen Böhmermann und ZDF-Verantwortliche gab.

Anlass für das Schmähgedicht war Erdogans Protest gegen einen Satire-Beitrag des NDR-Fernsehmagazins „extra 3“. Nach eigenen Worten wollte Böhmermann daraufhin an einem praktischen Beispiel erklären, was in Deutschland von der Satire-Freiheit gedeckt sei und was nicht.

Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte in einem „Tagesspiegel“-Interview auf die Frage, was er von dem Fall Böhmermann halte: „Er hat selbst gesagt, er habe ganz gezielt die Grenzen der Meinungsfreiheit ausloten wollen.“ Maas wollte sich nicht dazu äußern, ob Böhmermann die Grenzen überschritten habe. Das stehe ihm als Justizminister nicht zu, sagte Maas auch mit Blick auf die laufenden Ermittlungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das im ZDF ausgestrahlte und schließlich in der Mediathek gelöschte Schmähgedicht als „bewusst verletzend“ kritisiert. Das habe sie in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu deutlich gemacht, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin mit. Sie seien gemeinsam der Ansicht, dass es sich um einen „bewusst verletztenden Text handelt“. Merkel habe auf die Konsequenzen verwiesen, die der ausstrahlende Sender bereits gezogen habe. Ferner habe sie den hohen Wert bekräftigt, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Diese sei aber nicht schrankenlos.

Böhmermann verzichtete am Wochenende auf alle medialen Auftritte. Eine Einladung zur ARD-Talkshow von Anne Will schlug er aus, wie eine Sprecherin der Moderatorin der dpa bestätigte. Demnach sagte auch „extra 3“-Moderator Christian Ehring seine Teilnahme an dem Polit-Talk zum Thema „Streit um Erdogan-Kritik – Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?“ ab.

Auf Radio Eins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ließ Böhmermann außerdem seine Satire-Sendung „Sanft & Sorgfältig“ ausfallen. Die Show, die er gemeinsam mit Musiker und Moderator Olli Schulz präsentiert, ist normalerweise immer sonntags zu hören. „Sie wissen ja sicher, was gerade rund um Jan Böhmermann los ist. Er hat es deshalb in dieser Woche nicht geschafft, diese schöne Unterhaltungssendung aufzunehmen“, war am Sonntag im Internetauftritt von Radio Eins zu lesen.

Böhmermann war bereits am Freitagabend der Grimme-Preisverleihung im westfälischen Marl ferngeblieben. Dort wurde er für seine Satire um den Stinkefinger des ehemaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis ausgezeichnet („Varoufake“). Vom Deutschen Volkshochschul-Verband als Preisstifter erhielt der 35-Jährige zusätzlich die „Besondere Ehrung“ für seine Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens in der digitalen Welt. Dass die Grimme-Preisverleihung zeitlich mit der Debatte um das Erdogan-Gedicht zusammenfiel, war Zufall.

*** Bestellen Sie den täglichen Newsletter der Deutschen Wirtschafts Nachrichten: Die wichtigsten aktuellen News und die exklusiven Stories bereits am frühen Morgen. Verschaffen Sie sich einen Informations-Vorsprung. Anmeldung zum Gratis-Newsletter hier. ***


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...