Schottland erwägt die Blockade eines britischen EU-Ausstiegs. Sollte sich herausstellen, dass dies zur Sicherung schottischer Interessen notwendig sei, werde sie diesen Weg gehen, sagte die Chefin der schottischen Regionalregierung, Nicola Sturgeon, am Sonntag der BBC. Dazu gehöre im Zweifel auch, dem schottischen Parlament eine Blockade der erforderlichen Brexit-Gesetzgebung zu empfehlen.
Die Schotten beziehen sich in ihrer Position auf ein Gutachten, welches die Möglichkeit eines Vetos nahelegt. Allerdings ist dieser Ansatz nur eine Interpretation der geltenden Rechtslage. Sollte es tatsächlich zu einem Zuspitzung in diese Richtung kommen, dürfte der Brexit vor den Gerichten landen. In diesem Fall könnte es spannend werden, ob am Ende ein EU-Höchstgericht darüber entscheiden muss, ob Großbritannien die EU verlassen darf. Die EU-Höchstgerichte sind per gesetzlichem Auftrag gehalten, die Integration der EU zu fördern und könnten solcherart den Austritt stoppen.
Ein "Nein" des schottischen Parlaments hätte Gewicht. Die komplexen Vereinbarungen zur Macht-Aufteilung in Großbritannien beinhalten, dass die Regionalregierungn in Schottland, Wales und Nordirland Entscheidungen aus London wie einen EU-Austritt mittragen müssten.
Bei dem Referendum am Donnerstag hatten sich zwar insgesamt die Befürworter eines britischen EU-Ausstiegs mit 52 zu 48 Prozent der Stimmen durchgesetzt. In Schottland hatten indes 62 Prozent für einen EU-Verbleib gestimmt. Sturgeon sagte, sie müsse sich für das einsetzen, was im schottischen Interesse sei. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, wie groß der Aufschrei der Brexit-Befürworter im Falle einer Blockade sei, sagte sie: "Das kann ich. Aber das wäre zu vergleichen mit dem derzeitigen Aufschrei vieler Menschen in Schottland, wo wir nun befürchten müssen, gegen unseren Willen aus der EU herausgedrängt zu werden."
Ein anderer Weg könnte für Schottland indes darin bestehen, das Volk nochmals über eine Unabhängigkeit von Großbritannien abstimmen zu lassen. Dann könnte Schottland in der EU bleiben, während die übrigen Länder Großbritanniens ausscheiden könnten. Sturgeon sagte, es sei "sehr wahrscheinlich" dass es zu einem solchen zweiten Referendum nun komme. 2014 hatten die Schotten mit 55 zu 45 Prozent gegen eine Abspaltung gestimmt