Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht Molkereien und Handel in der Pflicht, um existenzbedrohten Bauern zu helfen. Auch in der Lieferkette müsse mehr Fairness einkehren gegenüber der Leistung der Landwirte, sagte Merkel am Mittwoch beim Deutschen Landfrauentag in Erfurt. Niedrige Milchpreise und die damit niedrigeren Ertragsaussichten gefährdeten die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe «sehr elementar», sagte sie. Der Bundesregierung sei das bewusst.
Die Milchbauern sind vor allem von den Russland-Sanktionen schwer getroffen, wie mehrere Verbände immer wieder hervorheben. Ludwig Börger vom Verband der Deutschen Milchwirtschaft (VDM) und Leiter des Referates Milch beim Deutschen Bauernverband (DBV), sagte den DWN: "Umgerechnet sind zwei Prozent der europäischen Milchproduktion Richtung Russland exportiert worden. Für Deutschland hat der russische Markt noch eine höhere Bedeutung gehabt. Russland ist weiterhin ein wichtiger Käse-Importeur und Deutschland gehört zu den wichtigsten Käseproduzenten weltweit. Wir gehen davon aus, dass allein das Russland-Embargo den Milch-Erzeuger zwei bis vier Cent gekostet hat."
Der russische Markt könnte für die Milchbauern ganz wegbrechen, weil sich mittlerweile andere Ländern dort etabliert haben. Die EU hat die Sanktionen vor wenigen Tagen erneut verlängert.
Bundesagrarminister Christian Schmidt «arbeitet auf allen Ebenen buchstäblich - von Brüssel bis zu unserem Finanzminister», sagte Merkel. Schmidt habe ihre «ganze Unterstützung». Der CSU-Politiker hatte den unter Preisverfall leidenden Bauern ein Hilfspaket von «100 Millionen Euro plus X» in Aussicht gestellt. Eine genaue Summe wurde bislang nicht genannt. Die Hilfsgelder müssen noch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) besiegelt werden.
Politik könne den Markt nicht ersetzen, gab Merkel zu bedenken. Das Markenzeichen ländlicher Räume seien bäuerliche Betriebe. «Dann müssen wir uns um deren Erhalt auch kümmern.» Es gehe «im wahrsten Sinne des Wortes um unser tägliches Brot», sagte die Kanzlerin. Nach ihren Worten ist die Landwirtschaft ein wesentlicher Faktor für die Anziehungskraft des ländlichen Raums. «Davon hängt ab, ob Familien für sich eine Zukunft auf dem Land sehen oder mehr Menschen in die Städte ziehen».
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich alarmiert: «Mich bekümmert es, wenn ein Liter Milch weniger kostet als ein Liter stilles Wasser.» Bundesminister Schmidt sagte, 42 Cent je Liter Milch seien unerträglich. «Das geht nicht.»
Die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, Brigitte Scherb, sagte, die Mitglieder sorgten sich nicht nur um die Zukunft der Milchbauern, sondern auch um die anderer Landwirte. «Die entscheidende Frage ist die nach der Akzeptanz einer vielseitigen Landwirtschaft.» Es brauche dringend neue Lösungen zwischen Erzeugern, Molkereien, Handel und Verbrauchern, forderte Scherb. Zwar sagten die Menschen bei Umfragen, sie würden mehr für einen Liter Milch und andere Produkte zahlen. «Aber der Spruch: Am Regal endet die Moral, trifft leider noch zu oft zu.»